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Metzler Lexikon Philosophie: Rhetorik

Lehre von der Kunst der Rede. Die R. umfasst alle Aspekte der Redekunst: Grundlegend sind ihre technischen Aspekte (z.B. die mustergültige Gliederung einer Rede), ihre politisch-gesellschaftliche Bedeutung (z.B. vor Gericht, im Parlament, in der Werbung) und ihr philosophischer Stellenwert, die Erkenntnisbedeutung und Wahrheitsfähigkeit der Redekunst zwischen Überredung und Überzeugung. Die Probleme der R. sind sachlich und historisch eng verknüpft mit den Fragen der Poetik und der Hermeneutik.

Die vielsträngige und verwickelte Geschichte der R. nimmt im 5. Jh. v. Chr. ihren Ausgangspunkt bei den Sophisten, die, von Sizilien kommend, nach dem Ende der Tyrannenherrschaft in Athen die Kunst erfolgreicher Gerichtsreden mittels Musterreden unterrichteten. Hervorzuheben ist Gorgias von Leontinoi, der die rhetorische Streitkunst in ihrer manipulativen Macht, unabhängig von Recht oder Unrecht, erkannte und entwickelte. Die von Platon dargestellte Auseinandersetzung zwischen Sokrates und Gorgias (Gorgias) gilt bis heute als Paradigma der Kritik der R., die von Platon/Sokrates als eine unphilosophische Schmeichelkunst, als geradezu erkenntnisverhinderndes, beliebiges Meinungsspiel entlarvt wird. Platons Kritik und Ablehnung der R., gemessen an der einen philosophischen Wahrheit, hat in der Antike ihr ebenso grundlegendes Gegenstück in der positiven Würdigung der R. durch Aristoteles. Aristoteles bestimmt die R. zusammen mit der Dialektik als Theorie des Wahrscheinlichen und seiner glaubwürdigen Darlegung auf dem Gebiete menschlicher Praxis und stellt sie der philosophischen Wissenschaft, die sich mit dem unveränderlich Wahren beschäftigt, an die Seite. Auch für die technische Ausarbeitung des antiken Systems der R. ist Aristoteles von zentraler Bedeutung, sei es für die Unterscheidungen der Gattungen der Rede, sei es für die Gliederung ihres Aufbau oder sei es für ihre spezifische Argumentationslogik, die Topik. Weitere wichtige Stationen der antiken R. markieren Cicero mit seinem Ideal des universal gebildeten politischen Redners und Quintilian, der die Erziehung zum Redner, zum »vir bonus« als eine sittliche Aufgabe versteht. – Im MA. bildet die R. im Rahmen der sieben freien Künste zusammen mit Grammatik und Dialektik/Logik das Trivium, und sie wird insbesondere in der christlichen Predigtlehre fortgeführt. Eine erneute Blüte erlebt die R. in der humanistischen Neuzeit in Schule, Hochschule, Literatur und Politik, philosophisch wird sie aber zunehmend von dem analytischen Wissenschaftsideal cartesianischer Prägung verdrängt bzw. in den Schatten gestellt – ein Prozess, der in der Rhetorikkritik der Aufklärung und Kants Verurteilung der R. kulminiert. – Erst die Einsicht in die falsche Verabsolutierung der technischwissenschaftlichen Rationalität der Moderne sowie die gegenläufige Einsicht in die spezifische Rationalität menschlicher Praxis und Weltaneignung durch Sprache führt dann im 20. Jh. zu einer ernsthaften philosophischen Rehabilitierung der R. im Sinne der aristotelischen Auffassung. Zunächst zögerlich, dann etwa in den letzten 20 Jahren geradezu stürmisch ist die R. und die rhetorische Fundierung praktischer Rationalität zu einem beherrschenden Thema der Philosophie geworden: in der philosophischen Hermeneutik Gadamers, in den Argumentationstheorien Perelmans und Toulmins, in der Diskursphilosophie Apels und Habermas’, in der Metaphorologie Blumenbergs oder zuletzt in der postmodernen und dekonstruktivistischen Philosophie französischer Provenienz, etwa bei Derrida und Lyotard, um nur einige herausragende Positionen und Autoren zu nennen.

Literatur:

  • J. Kopperschmidt (Hg.): Rhetorik. Zwei Bände. Darmstadt 1990/1991
  • H. Schanze/J. Kopperschmidt (Hg.): Rhetorik und Philosophie. München 1989
  • G. Ueding/B. Steinbrink: Grundriß der Rhetorik. Geschichte-Technik-Methode. Stuttgart/Weimar 31994.
  • Die Autoren
AA Andreas Arndt, Berlin
AB Andreas Bartels, Paderborn
AC Andreas Cremonini, Basel
AD Andreas Disselnkötter, Dortmund
AE Achim Engstler, Münster
AG Alexander Grau, Berlin
AK André Kieserling, Bielefeld
AM Arne Malmsheimer, Bochum
AN Armin Nassehi, München
AR Alexander Riebel, Würzburg
ARE Anne Reichold, Kaiserslautern
AS Annette Sell, Bochum
AT Axel Tschentscher, Würzburg
ATA Angela T. Augustin †
AW Astrid Wagner, Berlin
BA Bernd Amos, Erlangen
BBR Birger Brinkmeier, Münster
BCP Bernadette Collenberg-Plotnikov, Hagen
BD Bernhard Debatin, Berlin
BES Bettina Schmitz, Würzburg
BG Bernward Gesang, Kusterdingen
BI Bernhard Irrgang, Dresden
BK Bernd Kleimann, Tübingen
BKO Boris Kositzke, Tübingen
BL Burkhard Liebsch, Bochum
BR Boris Rähme, Berlin
BS Berthold Suchan, Gießen
BZ Bernhard Zimmermann, Freiburg
CA Claudia Albert, Berlin
CH Cornelia Haas, Würzburg
CHA Christoph Asmuth, Berlin
CHR Christa Runtenberg, Münster
CI Christian Iber, Berlin
CJ Christoph Jäger, Leipzig
CK Christian Kanzian, Innsbruck
CL Cornelia Liesenfeld, Augsburg
CLK Clemens Kauffmann, Lappersdorf
CM Claudius Müller, Nehren
CO Clemens Ottmers, Tübingen
CP Cristina de la Puente, Stuttgart
CS Christian Schröer, Augsburg
CSE Clemens Sedmak, Innsbruck
CT Christian Tewes, Jena
CZ Christian Zeuch, Münster
DG Dorothea Günther, Würzburg
DGR Dorit Grugel, Münster
DH Detlef Horster, Hannover
DHB Daniela Hoff-Bergmann, Bremen
DIK Dietmar Köveker, Frankfurt a.M.
DK Dominic Kaegi, Luzern
DKÖ Dietmar Köhler, Witten
DL Dorothea Lüddeckens, Zürich
DP Dominik Perler, Berlin
DR Dane Ratliff, Würzburg und Austin/Texas
EE Eva Elm, Berlin
EJ Eva Jelden, Berlin
EF Elisabeth Fink, Berlin
EM Ekkehard Martens, Hamburg
ER Eberhard Rüddenklau, Staufenberg
EWG Eckard Wolz-Gottwald, Davensberg
EWL Elisabeth Weisser-Lohmann, Bochum
FBS Franz-Bernhard Stammkötter, Bochum
FG Frank Grunert, Basel
FPB Franz-Peter Burkard, Würzburg
FW Fabian Wittreck, Münster
GK Georg Kneer, Leipzig
GKB Gudrun Kühne-Bertram, Ochtrup
GL Georg Lohmann, Magdeburg
GM Georg Mildenberger, Tübingen
GME Günther Mensching, Hannover
GMO Georg Mohr, Bremen
GN Guido Naschert, Tübingen
GOS Gottfried Schwitzgebel, Mainz
GS Georg Scherer, Oberhausen
GSO Gianfranco Soldati, Tübingen
HB Harald Berger, Graz
HD Horst Dreier, Würzburg
HDH Han-Ding Hong, Düsseldorf
HG Helmut Glück, Bamberg
HGR Horst Gronke, Berlin
HL Hilge Landweer, Berlin
HND Herta Nagl-Docekal, Wien
HPS Helke Pankin-Schappert, Mainz
HS Herbert Schnädelbach, Berlin
IR Ines Riemer, Hamburg
JA Johann S. Ach, Münster
JC Jürgen Court, Köln
JH Jörg Hardy, Münster
JHI Jens Hinkmann, Bad Tölz
JK Jörg Klawitter, Würzburg
JM Jörg F. Maas, Hannover
JOP Jeff Owen Prudhomme, Macon/Georgia
JP Jörg Pannier, Münster
JPB Jens Peter Brune
JQ Josef Quitterer, Innsbruck
JR Josef Rauscher, Mainz
JRO Johannes Rohbeck, Dresden
JS Joachim Söder, Bonn
JSC Jörg Schmidt, München
JV Jürgen Villers, Aachen
KDZ Klaus-Dieter Zacher, Berlin
KE Klaus Eck, Würzburg
KG Kerstin Gevatter, Bochum
KH Kai-Uwe Hellmann, Berlin
KHG Karl-Heinz Gerschmann, Münster
KHL Karl-Heinz Lembeck, Würzburg
KJG Klaus-Jürgen Grün, Frankfurt a.M.
KK Klaus Kahnert, Bochum
KRL Karl-Reinhard Lohmann, Witten
KS Kathrin Schulz, Würzburg
KSH Klaus Sachs-Hombach, Magdeburg
LG Lutz Geldsetzer, Düsseldorf
LR Leonhard Richter, Würzburg
MA Mauro Antonelli, Graz
MB Martin Beisler, Gerbrunn
MBI Marcus Birke, Münster
MBO Marco Bonato, Tübingen
MD Max Deeg, Cardiff
MDB Matthias Bloch, Bochum
ME Michael Esfeld, Münster
MFM Martin F. Meyer, Koblenz/Landau
MK Matthias Kunz, München
MKL Martin Kleinsorge, Aachen
MKO Mathias Koßler, Mainz
ML Mark Lekarew, Berlin
MLE Michael Leibold, Würzburg
MM Matthias Maring, Karlsruhe
MN Marcel Niquet, Frankfurt a.M.
MQ Michael Quante, Köln
MR Mathias Richter, Berlin
MRM Marie-Luise Raters-Mohr, Potsdam
MS Manfred Stöckler, Bremen
MSI Mark Siebel, Hamburg
MSP Michael Spang, Ellwangen
MSU Martin Suhr, Hamburg
MW Markus Willaschek, Münster
MWÖ Matthias Wörther, München
NM Norbert Meuter, Berlin
OB Oliver Baum, Bochum
OFS Orrin F. Summerell, Bochum
PE Peter Eisenhardt, Frankfurt a.M.
PCL Peter Ch. Lang, Frankfurt a.M.
PK Peter Kunzmann, Jena
PN Peter Nitschke, Vechta
PP Peter Prechtl †
RD Ruth Dommaschk, Würzburg
RDÜ Renate Dürr, Karlsruhe
RE Rolf Elberfeld, Hildesheim
REW Ruth Ewertowski, Stuttgart
RH Reiner Hedrich, Gießen
RHI Reinhard Hiltscher, Stegaurach
RK Reinhard Kottmann, Münster
RL Rudolf Lüthe, Koblenz
RLA Rolf-Jürgen Lachmann, Berlin
RM Reinhard Mehring, Berlin
RP Roland Popp, Bremen
RS Regina Srowig, Würzburg
RTH Robert Theis, Strassen
RW Raymund Weyers, Köln
SD Steffen Dietzsch, Berlin
SIK Simone Koch, Bochum
SP Stephan Pohl, Dresden
SZ Snjezana Zoric, Würzburg
TB Thomas Bausch, Berlin
TBL Thomas Blume, Dresden
TF Thomas Friedrich, Mannheim
TG Thomas Grundmann, Köln
TH Thomas Hammer, Frankfurt a.M.
TK Thomas Kisser, München
TM Thomas Mormann, Unterhaching
TN Thomas Noetzel, Marburg
TP Tony Pacyna, Jena
TW Thomas Welt, Bochum
UB Ulrich Baltzer, München
UT Udo Tietz, Berlin
UM Ulrich Metschl, München/Leonberg
VG Volker Gerhardt, Berlin
VM Verena Mayer, München
VP Veit Pittioni, Innsbruck
VR Virginie Riant, Vechta
WAM Walter Mesch, Heidelberg
WB Wilhelm Baumgartner, Würzburg
WH Wolfram Hinzen, Bern
WJ Werner Jung, Duisburg
WK Wulf Kellerwessel, Aachen
WL Winfried Löffler, Innsbruck
WM Wolfgang Meckel, Butzbach
WN Wolfgang Neuser, Kaiserslautern
WP Wolfgang Pleger, Cochem/Dohr
WS Werner Schüßler, Trier
WST Wolfgang Struck, Erfurt
WSU Wolfgang Schulz, Tübingen
WvH Wolfram von Heynitz, Weiburg

Herausgegeben von Peter Prechtl (†) und Franz-Peter Burkard.

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