Metzler Lexikon Philosophie: Subjektivität
bezeichnet umgangssprachlich ein willkürliches, nicht an allgemeinverbindlichen Normen und Erwartungen orientiertes Verhalten einzelner Personen. Philosophisch ist mit S. ein Begründungsprinzip neuzeitlicher Philosophie und zusammen damit ein Selbstverständnis der modernen Kultur gemeint. Zentraler Referenzpunkt dafür sind Descartes’ Meditationen: Descartes versucht, Philosophie von einem sicheren Fundament aus aufzubauen, das im Denkenden selbst liegt und durch Reflexion auf die eigene Bewusstseinstätigkeit gewonnen wird (cogito, ergo sum). Diesen Denkenden bestimmt Descartes als res cogitans im Gegensatz zur Natur als res extensa. Er entwickelt damit ein Selbstverständnis des Menschen als Subjekt im Unterschied zur Natur als Objekt (Cartesianismus, Cartesischer Dualismus). Er fasst aber das Denken inhaltlich noch weitgehend in aristotelisch-scholastischen Begriffen, nämlich als denkende Substanz (res cogitans), die durch passivrezeptives Perzipieren von Ideen charakterisiert ist. Von seinem Zeitgenossen Hobbes wird S. der Sache nach hingegen als eigenständige Aktivität des Menschen konzipiert: Menschen schaffen aus sich selbst heraus Begriffe und Theorien; sie greifen planmäßig in die Natur zu ihrer Selbsterhaltung und Selbststeigerung ein; und sie schöpfen aus sich selbst heraus mit dem Staat einen künstlichen Menschen (Leviathan, Einl.). In Kants Transzendentalphilosophie werden diese beiden Aspekte von S. – Begründungsprinzip und eigenständige Aktivität – zusammengefasst: Philosophie wird von der Reflexion auf die im Denkenden liegenden Bedingungen der Möglichkeit der Erfahrung aus begründet. Oberste Bedingung für Erfahrung ist die Einheit des Selbstbewusstseins. Von dieser sind die Anschauungsformen Raum und Zeit abhängig, und aus Sätzen über diese sollen die Kategorien und Grundsätze (wie der Satz von der Erhaltung der Substanz und das Prinzip der Kausalität) deduziert werden. Aufgrund dieser Bedingungen wird durch eine eigenständig-spontane Aktivität des Denkenden die Natur als Erscheinung konstituiert. Von Fichte wird dieses Konzept dahingehend radikalisiert, dass durch S., das absolute Ich, die Natur (das Nicht-Ich) auch ihrem Sein nach hervorgebracht wird. Hegel versucht, in seinem System des absoluten Idealismus das neuzeitliche Prinzip der S. mit der antiken Metaphysik der Substanz zu verbinden. Im 20. Jh. wird die Philosophie der S. in ihren beiden Aspekten erschüttert: Zum einen wird eine Sprach-, Zeit- und Kulturabhängigkeit allen Denkens vertreten und damit S. als Begründungsprinzip angegriffen. Zum anderen wird das Selbstverständnis des Menschen als eines eigenständig-aktiven Subjekts, dem die Natur als Objekt gegenübersteht, von der Reflexion auf die ökologische Krise aus in Frage gestellt.
Literatur:
- K. Cramer et al. (Hg.): Theorie der Subjektivität. Frankfurt 1990
- M. Frank (Hg.): Selbstbewußtseinstheorien von Fichte bis Sartre. Frankfurt 1991.
ME
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