Metzler Lexikon Philosophie: Universalismus
(von lat. universalis: zur Gesamtheit gehörig, allgemein, umfassend), bezeichnet eine Auffassung, die das Allgemeine dem Besonderen überordnet. U. steht heute für eine dem Relativismus, insbesondere Subjektivismus und Kontextualismus, entgegengesetzte ethische Position, die den Nachweis der moralischen Richtigkeit von Normen und Handlungsweisen von der Bezugnahme auf ein überindividuelles und transkulturelles, insofern universalgültiges Prinzip abhängig macht, das keinen Einschränkungen unterliegen darf. Der ethische U. wurde von Kant begründet. In der Grundlegung zur Metaphysik der Sitten und Kritik der praktischen Vernunft rekonstruiert Kant den Kategorischen Imperativ als zugrundeliegendes Prinzip der Verallgemeinerung, etwa in der Formulierung »Handle nur nach derjenigen Maxime, durch die du zugleich wollen kannst, dass sie ein allgemeines Gesetz werde.« Die unzureichende Situationsbezogenheit dieses Verallgemeinerungsprinzips, die zu rigoristischen Konsequenzen führen kann, regte zu vielfältigen Reformulierungen des Universalisierungsgrundsatzes (z.B. von M. G. Singer und R. M. Hare) an. Eine vertragstheoretische Fassung des U. gibt Rawls Theorie der Gerechtigkeit, die die Vorstellung politischer Gerechtigkeit von dem Gedankenexperiment eines fiktiven Urzustands unter dem Schleier des Nichtwissens (der eigenen sozialen Stellung) her entwickelt. Die Diskursethik (Apel, Habermas) deckt den sog. Diskursgrundsatz als unhintergehbares, daher unbedingt verpflichtendes Prinzip der Moralbegründung auf: »Bemühe dich um einen idealen Konsens, der sich in einem unbegrenzten Diskursuniversum gleichberechtigt Argumentierender einstellen würde.« Im 20. Jh. bringen die Erfahrungen von Faschismus und Rassismus und die menschheitsbedrohenden Nebenwirkungen technischer Entwicklungen (z.B. ökologische Krise) die Notwendigkeit einer universalistischen Ethik deutlich vor Augen.
Literatur:
- K.-O. Apel: Der postkantische Universalismus in der Ethik im Lichte seiner aktuellen Missverständnisse. In: A. Schwan/K. W. Kempfer (Hg.): Grundlagen der politischen Kultur des Westens. Berlin 1987. S. 280–300
- Ders.: Das Problem einer universalistischen Makroethik der Mitverantwortung. In: Deutsche Zeitschrift für Philosophie 41 (1993). S. 201–215
- D. Böhler: Die deutsche Zerstörung des politisch-ethischen Universalismus. In: Forum für Philosophie Bad Homburg (Hg.): Zerstörung des moralischen Selbstbewusstseins. Frankfurt 1988. S. 166–216
- R. M. Hare: Universalisierbarkeit. In: Seminar: Sprache und Ethik. Frankfurt 1974. S. 198–216
- H. Hoppe: Ethische Positionen im Vergleich: Utilitarismus (Hare) – Vertragstheorie (Rawls) – Diskursethik (Apel/Habermas). In: Deutsche Zeitschrift für Philosophie 40 (1992). S. 503–512
- J. Rawls: Eine Theorie der Gerechtigkeit. Frankfurt 1993
- J. M. Singer: Verallgemeinerung in der Ethik. Frankfurt 1975.
HGR
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