Lexikon der Physik: Farbe und Farberscheinungen
Farbe und Farberscheinungen
Roger Erb, Kassel
1. Zusammenfassung
Das Thema ›Farbe und Farberscheinungen‹ berührt eine Vielzahl von Phänomenen, die für uns alltäglich sind. In diesem Beitrag sollen einige der interessantesten und auffälligsten beschrieben werden. Zunächst aber sollen einige Grundlagen, die zum Verständnis dieser Phänomene erforderlich sind, dargestellt werden.
2. Einleitung
Eine Darstellung oder eine Darbietung bezeichnet man gerne als ›farblos‹, wenn ihm aus unserer Sicht eine bestimmte Qualität fehlt. Was genau diese Qualität ausmacht, ist jedoch nicht leicht in Worte zu fassen. Damit ist diese Situation nicht unähnlich derjenigen, die sich einstellt, wenn wir die Bedeutung der ›Farbe‹ für unsere visuelle Wahrnehmung erfassen wollen.
Der Aspekt der Farbigkeit spielt in vielen Bereichen unseres Lebens eine Rolle – in der alltäglichen Wahrnehmung farbiger Dinge ( Abb. 1 ), in der Kunst als Gestaltungsmittel, aber auch in Verbindung zu Tönen oder Empfindungen (Synästhesie). Im vorliegenden Beitrag sollen die physikalischen Aspekte der Farbwahrnehmung betrachtet werden, soweit sie für unseren Alltag eine Rolle spielen.
3. Farbmischung
Bei Farbmischung denkt man unwillkürlich an einen Farbkasten und die eigenen Versuche, neue Farbtöne zu erhalten: Blau und Rot ergibt Violett, Blau und Gelb ergibt Grün usw. Wir wollen versuchen, zum Schluß (Abschnitt 5) diese Phänomene auf einfache Weise zu verstehen. Dazu ist es hilfreich, sich zunächst in Bezug auf einen anderen Aspekt mit Farbmischung und mit der Verarbeitung des Farbreizes in Auge und Gehirn auseinanderzusetzen.
a) Spektrum
Farbe scheint auf den ersten Blick eine physikalische Eigenschaft zu sein, was nicht richtig ist. Farbe ist eine Sinnesempfindung, die mit physikalischen Größen verknüpft ist. Dieser physikalische Bereich betrifft die äußere Ursache der Farbwahrnehmung, nämlich die spektrale Verteilung der Lichtstrahlung (Farbreiz). Zur Wahrnehmung gehört aber auch die Verarbeitung in Auge und Gehirn. Nur in diesem Zusammenhang ist es überhaupt sinnvoll, von Farbe zu sprechen. Dagegen bezeichnen wir Stoffe, die zur Farbgebung verwendet werden, als Farbstoffe.
Die Vielfalt farbiger Eindrücke wird einem beim Betrachten eines Regenbogens (Optik, atmosphärische) oder eines mit Hilfe eines Prismas erzeugten elektromagnetischen Spektrums bewußt. Die Zuordnung der Farbempfindung zu einer physikalischen Größe ist nicht eindeutig. Zwar gibt es, wenn man viele Menschen nach der Farbbezeichnung einer bestimmten Stelle in einem Spektrum befragt, eine Übereinstimmung, und dieser Stelle läßt sich physikalisch ein Wellenlängenbereich zuordnen – dieselbe Farbempfindung kann allerdings auch auf ganz andere Weise ausgelöst werden, wie im nächsten Abschnitt deutlich wird. Beim Hören ist dies anders, denn der Zusammenhang zwischen empfundener Tonhöhe und Frequenz ist eindeutig.
b) Farbe und Wellenlänge
Weißes Licht, etwa Sonnenlicht, kann mit einem Prisma in ein Spektrum ( Abb. zu Elektrodynamik ) zerlegt und auf einem Schirm betrachtet werden (Brechung, Dispersion). Ein sehr kleiner Bereich des Spektrums liefert einfarbiges Licht (Spektralfarben, Spektrallampe). Im Idealfall hat dieses Licht nur noch eine Wellenlänge (oder Frequenz) und wird meist monochromatisch oder besser monofrequent genannt. Vereinigt man das Spektrum wieder, so ergibt sich erneut ein weißer Lichtfleck auf dem Schirm.
Die physikalische Eigenschaft Wellenlänge wird in der Empfindung durch den Farb- oder Buntton einer Spektralfarbe repräsentiert. Der sichtbare Wellenlängenbereich reicht etwa von 400 nm bis 750 nm, und man nimmt bis 485 nm blau, von 500 nm bis 550 nm grün, von 570 nm bis 590 nm gelb und ab 630 nm rot wahr. Bei Mischfarben wird der Farbton durch die dominante Wellenlänge (die entsprechende Spektralfarbe) einer Intensitätsverteilung festgelegt. Eine zweite Eigenschaft, die Sättigung, charakterisiert die spektrale Reinheit einer Farbe, gibt also Auskunft darüber, ob nur Anteile in der Nähe der dominanten Wellenlänge oder noch weitere vertreten sind. Weißes Licht ist vollkommen ungesättigt, spektrales Rot ist stark gesättigt, Rosa nur schwach. Als dritte Farbeigenschaft nehmen wir die Helligkeit wahr. Mit abnehmender Helligkeit ergeben sich die verhüllten Farben (Schwarzverhüllung), wie etwa Braun aus Rot. Farben lassen sich folglich in einem dreidimensionalen Diagramm darstellen ( Abb. 2 ).
c) Farbklassifikation
Blendet man vor der Vereinigung des Spektrums einen Spektralbereich aus, so wird dies nicht als Fehlen eines Farbreizes empfunden, sondern der Lichtfleck auf dem Schirm erscheint in einer Mischfarbe. Diese Mischfarbe ergibt mit der aus dem Spektrum ausgeblendeten Farbe wieder Weiß. Die beiden Farben werden als komplementär bezeichnet.
In ähnlicher Weise kann man auch das Licht zweier oder mehrerer Lichtquellen mischen. Das Licht, das vom Schirm in das Auge kommt, ist eine additive Mischung: Die sich ergebende Intensitätsverteilung ist die Summe der Einzelintensitätskurven.
Eine andere Möglichkeit, additive Farbmischung zu erreichen, besteht darin, das Licht von mehreren, eng benachbarten verschiedenfarbigen Stellen ins Auge kommen zu lassen (partitive Mischung). Auf diese Weise werden beim Farbfernsehen Farbbilder durch eine Rasterung, die vom Auge nicht mehr getrennt wird, wiedergegeben. Die Pointillisten machten sich diese Möglichkeit durch das Aufbringen kleiner Farbpunkte auf das Papier zunutze, und auch der Mehrfarbendruck kann auf dieser Technik beruhen. In diesem Fall liegen die Rasterpunkte nebeneinander.
Zum Teil erhält man zunächst unerwartete Ergebnisse. So ergibt die additive Mischung aus Rot und Grün ein ungesättigtes Gelb, und allgemein lassen sich alle ungesättigten Farben aus drei Komponenten mischen. Spektralfarben dagegen lassen sich aus drei Grundkomponenten nicht mischen (Tabelle).
Ohne Berücksichtigung der Helligkeit kann man alle Farben in einer Ebene darstellen. Mit Hilfe der Normfarbtafel ( Abb. 3 ) kann ein Farbort anhand der Normfarbwertanteile (nicht realisierbare Komponenten) x und y gekennzeichnet werden (Normvalenzsystem). Der Anteil der dritten Komponente läßt sich daraus errechnen, da die Summe 1 ergeben muß. Die den Spektralfarben entsprechenden Reize liegen auf einer Kurve, die beiden äußersten Punkte werden durch die sog. Purpurgerade verbunden. Alle Farben liegen in diesem Gebiet, in der Mitte liegt der Weiß- oder Unbuntpunkt. Das Ergebnis einer additiven Mischung findet man auf der geraden Linie, die die Ausgangsfarben verbindet. Die Komplementärfarbe zu einer bestimmten Farbe findet man, indem man eine Gerade von dieser Farbe durch den Weißpunkt zur gegenüberliegenden Seite zieht.
Als subtraktive Farbmischung bezeichnet man den Vorgang, wenn Licht nacheinander durch zwei oder mehr Filter (Filter, optische) tritt. Das Verhalten eines Filters kann durch seine spektrale Durchlaßkurve beschrieben werden, die angibt, welche Anteile des eingebrachten Lichtes nach der Transmission noch vorhanden sind. Beim Hintereinanderstellen zweier Filter fehlen dem Licht die Anteile, die von mindestens einem der beiden weggenommen werden (Tabelle).
Auch bei der Farbphotographie werden im Prinzip immer Hell-Dunkel-Aufnahmen in drei verschiedenen Farben gemacht, die bei der Betrachtung durch subtraktive oder additive Farbmischung das Farbbild ergeben (Photographie).
4. Farbensehen
Bislang haben wir die Farbphänomene mehr von der Seite des Lichtes betrachtet. Konstitutiv für Farbphänomene ist aber die Wahrnehmung mit dem Auge. Wie kann man die Verarbeitung der Farbreize im Auge selbst verstehen?
a) Auge und Netzhaut
Im Auge sind die Zapfen und Stäbchen der Netzhaut verantwortlich für das Erzeugen der Reize beim Autreffen von Licht. Diese Zellen enthalten lichtempfindliche Stoffe. Bei nierdrigen Intensitäten arbeiten nur die Stäbchen, die alle gleich sind, und wir können keine Farben unterscheiden. Erst bei höheren Intensitäten werden die Zapfen angesprochen, und dann lassen sich Farben unterscheiden. Infolgedessen muß es mehr als eine Art von Zapfen geben. Thomas Young (1773-1829) und Hermann von Helmholtz (1821-1894) haben angenommen, daß wir drei Zapfenarten haben, wovon jeweils eine vorwiegend im kurzwelligen (K), eine im langwelligen (L) und eine im mittleren Bereich (M) anspricht (Dreifarbentheorie). Man kann weiter schließen, daß sich die Empfindlichkeitskurven dieser Sehzellen überschneiden müssen, und auch die Form läßt sich etwa bestimmen ( Abb. 4 ).
Dies erklärt aber noch nicht, weshalb eine Mischung aus Rot, Grün und Blau uns weiß erscheint. Ebenso bleibt unklar, weshalb die Mischung von Rot und Grün kein grünliches Rot, sondern Gelb ergibt. Zur Erklärung ist die Gegenfarbentheorie von Ewald Hering (1834-1918) nützlich. Alle Farbempfindungen werden dabei auf die Wichtung von vier psychologischen Grundfarben zurückgeführt (Vierfarbentheorie). Als Grundfarben dienen vier Farben, die mit abstrakten Begriffen belegt werden und Grundempfindungen entsprechen: Blau, Gelb, Grün und Rot. (Dagegen orientiert sich für eine große Zahl anderer Farben der Name an einem Gegenstand: Orange, Oliv, Rosa usw.)
Die vier Grundfarben werden in Gegensatzpaaren Blau – Gelb und Grün – Rot angeordnet (zusätzlich gibt es noch das Gegensatzpaar der unbunten Farben Schwarz – Weiß). Damit wird zum Ausdruck gebracht, daß man nicht ein gelbliches Blau oder ein grünliches Rot empfindet, wohl aber etwa ein rötliches Gelb.
Es kann nicht leicht entschieden werden, welche der beiden Theorien den Sehvorgang besser beschreibt. Man geht heute davon aus, daß für die erste Stufe der Farbwahrnehmung, die Ereignisse auf der Netzhaut, die Young-Helmholtz-Theorie zutreffend ist, die Weiterverarbeitung aber so wie von Hering beschrieben geschieht. In neueren Theorien versucht man, beide Aspekte gemeinsam zu erfassen.
Eine ähnliche Aufteilung finden wir bei der Übertragung von Fersehbildern wieder: Die Darstellung auf dem Bildschirm geschieht durch drei Farben, bei der Übertragung aber werden (vereinfacht) zwei Farbkanäle und ein Unbuntkanal verwendet.
b) Farbfehlsichtigkeit
Einige Prozent aller Menschen sind farbfehlsichtig. Gesunden Menschen stehen drei Zapfenarten mit bestimmten Empfindlichkeitsmaxima zur Verfügung (Trichroismus). Bei anomalen Trichromaten sind die Maxima verschoben. Am häufigsten führt dies dazu, daß sie rote und grüne Objekte nicht so gut wie normale Trichromaten unterscheiden können. Bei Dichromaten (Dichromasie) ist eine der Zapfenarten unwirksam oder realtiv unempfindlich, Monochromaten können keine Farben unterscheiden (Monochromasie). Farbfehlsichtigkeiten können mit Hilfe von
Farbtafeln erkannt werden. (Farbsinnstörung)
5. Farbwahrnehmungsphänomene
Die vorangegangenen Abschnitte haben gezeigt, warum wir in der Lage sind, Farbe wahrzunehmen. Diese Fähigkeit macht natürlich nur dann Sinn, wenn es auch farbige Dinge gibt. Hiermit setzt sich der Abschnitt 6 auseinander. Zunächst soll aber von einigen auffälligen Farbphänomenen die Rede sein, die auf die Wirkungsweise unseres Gesichtssinnes hinweisen.
a) Phosphene
Lassen Sie Ihre Augen sich eine ausreichende Zeit an die Dunkelheit gewöhnen, schließen Sie dann die Lider. In der Regel ist der Eindruck nicht der vollkommener Dunkelheit, sondern man sieht helle und farbige Bereiche. Üben Sie leichten Druck mit der Hand auf ein Augenlid aus. Sie können jetzt deutlich hellere Bereiche sehen, eventuell auch Muster. Dieser Eindruck, der nicht von einem gesehenen Objekt herrührt, verdeutlicht, wie komplex unser Sehvorgang ist. In diesem Fall rühren die Bilder daher, daß Sie durch den Druck die Blutzufuhr und auch die Nervenleitung beeinflußt haben.
b) Farbkonstanz
Betrachten Sie ein weißes Blatt Papier im Tageslicht, bei Sonnenuntergang, in einem künstlich beleuchteten Raum oder unter dem grünen Blätterdach eines Waldes. Wahrscheinlich werden Sie das Blatt immer als weiß bezeichnen, obwohl der Farbreiz, der von dem Blatt ausgeht, jeweils ein anderer ist. Dieser hängt nämlich stark von der Lichtquelle ab. Die Farbempfindung bleibt jedoch bei Veränderung der Farbe der Lichtquelle weitgehend dieselbe, weil sie auf die Umgebung bezogen wird, die sich entsprechend mitverändert. Das Phänomen ist mit dem der Helligkeitskonstanz verwandt, für beide ist die laterale Hemmung verantwortlich. Hiermit ist gemeint, daß sich die Signale benachbarter Rezeptoren in bestimmter Weise beeinflussen, wodurch Veränderungen, die die Gesamtwahrnehmung (Helligkeit oder Farbe) betreffen, weniger stark wahrgenommen werden, Kontraste jedoch verstärkt.
c) Simultankontrast
Vergleichen sie die Farbe der kleinen grauen Flächen in Abb. 5 miteinander. Obwohl sie objektiv alle gleich sind, scheinen sie die Gegenfarbe der Umgebung anzunehmen (induzierte Farbe). Besonders eindringlich schildert J.W. v. Goethe, wie die Schatten sich mit der Beleuchtung verändern. In einem einfachen Experiment können Sie sich dieses Phänomen vergegenwärtigen. Beleuchten Sie ein schattengebendes Objekt mit zwei kleinen, hellen Lampen, so daß Sie zwei Schatten unterscheiden können. Beobachten Sie die Schattenfarbe, wenn Sie die Farbe einer Lampe mit einem Filter verändern.
Die Ursache für die veränderte Farbwahrnehmung ist die schon oben angesprochene laterale Hemmung, die eine Verstärkung des Farbkontrastes verursacht.
d) Negative Nachbilder
Wenn Sie ein farbiges Objekt etwa eine Minute lang anschauen, ohne Auge und Kopf zu bewegen, so wirkt das Bild noch eine gewisse Zeitdauer nach. Dies können sie bemerken, wenn Sie den Blick auf eine helle Fläche lenken (als Objekt können Sie eine der Kreisflächen aus Abb. 5 benutzen). Sie werden dann ein negatives Nachbild sehen, das sich in den Komplementärfarben darstellt. Dies liegt daran, daß durch das Anschauen der farbigen Fläche die entsprechenden Rezeptoren desensibilisiert werden. Beim sich anschließenden gleichförmigen Weißeindruck reagieren die zuvor nicht desensibilisierten Rezeptoren stärker.
e) Positive Nachbilder
Den gegenteiligen Effekt können Sie erleben, wenn Sie ihre Augen für einige Minuten schließen, dann kurz in Richtung eines kontrastreichen Objektes öffnen und erneut schließen. Sie können jetzt ein positives Nachbild sehen, welches verdeutlicht, daß die Signalabgabe länger anhält als die eigentliche Belichtung. Beide Effekte, positive und negative Nachbilder, kann man mit der Bidwell-Scheibe beobachten. Diese besteht aus einem weißen und einem schwarzen Sektor, die durch einen kleineren durchsichtigen (offenen) getrennt werden. Beim Drehen der Scheibe können Sie für einen kurzen Moment durch den offenen Sektor auf ein hell beleuchtetes Objekt hinter der Scheibe sehen. Je nach Drehrichtung folgt dann der helle Sektor, und Sie sehen ein negatives Nachbild, oder es folgt der schwarze, und Sie sehen ein positives.
f) Zeitlich veränderlicher Reiz
Die Benham-Scheibe besteht aus einer bestimmten Anordnung von hellen und dunklen Bereichen. Wird sie in Drehung versetzt, so erscheint das Muster leicht gefärbt, obwohl, anders als bei der Bidwell-Scheibe, kein farbiger Gegenstand eine Rolle spielt. Dieses Phänomen ist ein Hinweis darauf, daß der Gesichtsinn in Bezug auf die Farbwahrnehmung auch zeitlich unterschiedlich reagiert. Ein ähnlicher Effekt ist im Fernsehen zu beobachten, wenn die Kamera schnell über einen sehr hellen Bereich schwenkt.
Auch wenn unsere Augen vermeintlich in Ruhe ein Objekt fixieren, bewegen sie sich kaum merklich, um nicht eine vorzeitige Desensibilisierung zu bewirken. Beim Betrachten eines Schwarz-Weiß-Musters kann dies zu einem ähnlichen Effekt wie bei der Benham-Scheibe führen: Betrachten Sie Abb. 6 , so erscheinen zarte Farbschwankungen, die Fechnerschen Farben.
6. Farbigkeit
Die Dinge unserer Umwelt erscheinen uns farbig, sie müssen also selbst mit einem bestimmten Spektrum leuchten oder in irgendeiner Weise das Licht, das beispielsweise von der Sonne auf sie fällt, verändern. Wäre dies nicht so, hätte es keinen Sinn, daß unsere Augen Farben unterscheiden können. Die Farbigkeit kann durch verschiedene Mechanismen hervorgerufen werden, wovon einige in diesem Abschnitt betrachtet werden sollen.
a) Lichtquellen
Als Lichtquellen begegnen uns in erster Linie Temperaturstrahler wie etwa die Sonne oder auch Glühlampen, deren kontinuierliches Spektrum von der Temperatur abhängt (Farbtemperatur, Schwarzkörperstrahlung). Unser Auge empfindet das von der Sonne abgestrahlte Spektrum als weiß, Strahler niedriger Temperatur erscheinen orange oder rot, weil der kurzwellige Bereich zunehmend fehlt. Auch ein nichtkontinuierliches Spektrum, wie das einer Leuchtstofflampe, kann weiß erscheinen, wie die Farbmischungsregeln verdeutlichen. Leuchtdioden, Laser und Gasentladungslampen mit bestimmten Gasen emittieren selektiv in einem gewissen Spektralbereich. Neonleuchten etwa leuchten rot, Glimmlampen in Phasenprüfern orangerot und Natriumdampflampen über Straßenkreuzungen orangegelb.
b) Streuung
Nichtselbstleuchtende Dinge erscheinen uns farbig, weil sie das Spektrum des eingestrahlten Lichtes verändern – ein alle Wellenlängen gleichermaßen streuendes Objekt erscheint bei Beleuchtung mit weißem Licht weiß.
Allerdings erscheinen auch manche aus durchsichtigen Bestandteilen zusammengesetzte Dinge – wie etwa Wasserdampf (Nebel) – weiß. Das Licht tritt in die Vielzahl der durchsichtigen Tröpfchen ein, wird mehrfach reflektiert und tritt wieder aus. Da das Licht hierbei spektral nicht verändert wird, ist der Farbeindruck weiß. Dies ist der Grund, weshalb auch Milch, Zucker, Schnee, Wolken, Papier und vieles andere – auch Lackfarbe – weiß erscheinen. Ein Fettfleck hingegen ersetzt die Luft im Papier, verhindert die diffusen Reflexionen und macht es durchsichtig. Streuprozesse können allerdings auch wellenlängenabhängig sein, was z.B. zum Himmelsblau führt (Optik, atmosphärische).
Körper, die wellenlängenunabhängig absorbieren, erscheinen grau oder schwarz. Eine Fläche, die einen hohen Anteil des einfallenden Lichtes spiegelnd reflektiert, wie es die meisten Metalloberflächen tun, erscheint in (grauem) Glanz. (Metalloptik).
c) Farben von Substanzen
Die Farben der meisten Substanzen entstehen durch selektive Absorption (infolge von Resonanz). Wasser beispielsweise bekommt seine leicht blaugrüne Färbung, weil Wassermoleküle im roten und infraroten Wellenlängenbereich absorbieren. Der verbleibende Anteil wird gestreut und bewirkt die Färbung. Farbstoffe wie Chlorophyll und Karotin haben Resonanzen im sichtbaren Bereich.
Ein gelber Farbfilter absorbiert blaues Licht. Der rote und grüne Anteil wird sowohl reflektiert als auch durchgelassen. Der Farbfilter sieht deshalb in Durchsicht und in Aufsicht gelb aus. Blaue Tinte sieht in Durchsicht und Aufsicht blau aus. Streichen Sie etwas Tinte auf ein Deckglas und lassen sie antrocknen, so ist sie in Durchsicht blau, in Reflexion aber dunkelrot. Rote Tinte ist entsprechend in Aufsicht grün und in Durchsicht rot. Dies liegt daran, daß sehr konzentrierte Farbstoffe sich anders verhalten: Sie reflektieren in dem Bereich, in dem sie absorbieren, also bei der Resonanzfrequenz.
d) Pigmente
Malfarbe besteht aus festen Partikeln, die in einem Bindemittel aus einem transparenten Medium eingelagert sind. Für farbige Lacke werden durchsichtige Teilchen (vgl. Abschnitt 6b) eingefärbt. Pigmentfarben enthalten undurchsichtige, farbige Partikel, die den Blick auf den Farbträger verdecken (Deckfarbe). Diese Begriffe werden allerdings nicht immer in eindeutiger Weise verwendet.
Das auftreffende Licht wird an der Oberfläche des Bindemittels, des Trägers, der Lackteilchen und der Pigmente reflektiert. Das Licht kann dabei an mehreren Teilchen reflektiert und zusätzlich bei der Transmission bei durchsichtigen Teilchen selektiv absorbiert werden. Das genaue Resultat (etwa der Grad der Sättigung) hängt also stark von den Einzelprozessen und damit auch von Pigmentgröße und -konzentration ab.
Wasserfarben aus dem Farbkasten reflektieren wenig Licht, sondern lassen es zum Papier durch, wo es reflektiert wird und nach erneutem Durchsetzen der Farbe zum Beobachter gelangt. Im wesentlichen wirken also Wasserfarben wie Filter, bei denen die Regeln der subtraktiven Farbmischung anzuwenden sind. Aber auch additive (partitive) Farbmischung spielt eine gewisse Rolle. Dies zeigt sich darin, daß eine Mischung aus allen verschiedenen Farbkastenpigmenten eine dunkelbraune Farbe ergibt und nicht etwa Schwarz, wie es bei rein subtraktiver Farbmischung zu erwarten wäre.
e) Fluoreszenz
Kann Wäsche ›weißer als Weiß‹ werden? In gewissem Sinne ja! Verunreinigungen machen die Wäsche dunkler und weiße Wäsche meist auch gelblich. Den Weißeindruck könnte man durch leichte Blaufärbung der Wäsche wiederherstellen, dann wird sie insgesamt aber dunkler, also grau statt weiß. Optische Aufheller dagegen nutzen die Fluoreszenz. Unsichtbares ultraviolettes Licht wird dadurch in (zusätzliches) sichtbares blaues Licht umgewandelt. Auf diese Weise geben auch Leuchtfarben mehr sichtbares Licht ab als die Umgebung.
f) Interferenz
Es gibt eine Reihe von farbigen Phänomenen, bei denen kein Farbstoff im Spiel ist. Schauen Sie sich eine Pfauenfeder an oder den Halsbereich einer männlichen Stockente. Die Farben schimmern in eigentümlicher Weise (damit meint man in der Regel, daß der Farbeindruck sich verändert, wenn man den Blickwinkel ändert). Die Ursache hierfür ist Interferenz an einem Gitter, d.h., an einer regelmäßigen Struktur. Bei der Pfauenfeder etwa wird dies durch regelmäßig eingelagerte Melamin-Stäbchen in der Feder erreicht. In diesem Fall wird durch Interferenz Licht bestimmter Wellenlänge in eine Vorzugsrichtung reflektiert.
Die Farben einer Seifenblase (oder einer vertikal eingespannten Seifenhaut, Abb. 7 ) und einer Ölschicht auf Wasser entstehen ebenfalls durch Interferenz, in diesem Fall an einer dünnen Schicht. Das Anlaufen einer Metallfläche (Anlaßfarben) nach dem Erhitzen wird durch Interferenz an einer dünnen Oxidschicht bewirkt. Die Ursache für die hier eher blassen Farben ist, daß Licht bestimmter Wellenlänge durch Interferenz an bestimmten Bereichen der Schicht ausgelöscht wird, wodurch diese in der stark ungesättigten Kompementärfarbe erscheint.
Dünnschichtinterferenz können Sie leicht selbst herstellen. Nehmen Sie dazu zwei Objektträger und legen Sie sie übereinander auf einen dunklen Untergrund. Schauen Sie sich die dünne Schicht, in diesem Fall eine Luftschicht zwischen den Gläsern, im Licht einer ausgedehnten weißen Lampe an. Bei leichtem Druck auf das obere Glas entstehen Interferenzmuster in zarten Farben.
7. Ausblick
Das Thema dieses Beitrags ist äußerst facettenreich – auch im übertragenden Sinne farbig! Aus diesem Grund konnten nicht alle Aspekte ausführlich behandelt werden, und für die verbleibenden Fragen muß auf die unten genannte Literatur verwiesen werden. Ein Ziel war aber auch, Sie zu eigenen Experimenten und Beobachtungen zu motivieren, denn die Farbigkeit unserer Umwelt ist ein gutes Beispiel dafür, daß eine große Zahl interessanter physikalischer Gegenstände uns nicht nur im Labor, sondern schon im Alltag begegnet.
Literatur:
Falk, David S.; Dieter R. Brill; David G. Stork: Ein Blick ins Licht, Birkhäuser, Basel, Boston, Berlin; Springer, Berlin, Heidelberg, New York, 1990;
Goethe, Johann Wolfgang von: Zur Farbenlehre;
Hecht, Eugene: Optik, Addison-Wesley, Bonn [usw.], 1989.
Richter, Manfred: Farbmetrik. In: Gobrecht, Heinrich (Hg.). Bergmann-Schaefer: Lehrbuch der Experimentalphysik,
Band III Optik, Walter de Gruyter, Berlin, New York, 1978.
Treitz, Norbert: Farben, Klett, Stuttgart, 1985.
Farbe und Farberscheinungen
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Grün + Rot ≡ Gelb | Zyan + Magenta ≡ Blau | Gelb + Blau ≡ Weiß | |
Blau + Grün ≡ Zyan | Zyan + Gelb ≡ Grün | Zyan + Rot ≡ Weiß | |
Blau + Rot ≡ Magenta | Gelb + Magenta ≡ Rot | Magenta + Grün ≡ Weiß | |
Grün + Rot + Blau ≡ Weiß | Zyan + Magenta + Gelb ≡ Schwarz |
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