Lexikon der Physik: Organische Supraleiter
Organische Supraleiter
Jochen Wosnitza, Karlsruhe
Organische Supraleiter sind eine Gruppe metallischer Ladungstransfersalze mit einem organischen Molekülion als Grundbaustein (organische Leiter), die bei tiefen Temperaturen Supraleitung zeigen. Zunächst scheint es verblüffend, daß organische Materialien, die doch gemeinhin als Prototypen elektrischer Isolatoren gelten, den elektrischen Strom leiten können. Die verschiedenartigen auf Kohlenstoffverbindungen basierenden isolierenden Materialien, wie Fasern, Beschichtungen, synthetischer Gummi, Plastiktüten usw., sind alltägliche Gegenstände unseres Lebens geworden. Dennoch gibt es einige organische Substanzen, die eine metallische Leitfähigkeit, das heißt einen abnehmenden elektrischen Widerstand bei abnehmender Temperatur, zeigen. Diese synthetischen Metalle bergen durch die vielfältigen Synthesemöglichkeiten der organischen Chemie ein einzigartiges Potential, so daß man hoffen kann, neue Materialien mit den gewünschten mechanischen, elektrischen oder magnetischen Eigenschaften maßzuschneidern.
Ein wichtiger Vorschlag, der die Suche nach metallischen und eventuell auch supraleitenden organischen Substanzen entscheidend motiviert hat, war die Idee von W.A. Little, daß die Kopplung der Elektronen zu Cooper-Paaren in organischen Polymeren mit hoch polarisierbaren Seitenketten möglich sein könnte [1]. Diese exzitonischen Supraleiter sollten dabei Sprungtemperaturen
ohne weiteres im Bereich der Zimmertemperatur erlauben. Obwohl dieser Kopplungsmechanismus prinzipiell möglich sein sollte, beruht die Supraleitung in allen bisher bekannten organischen Supraleitern nicht auf diesem Mechanismus.
Typische organische Metalle und Supraleiter sind Molekülkristalle, basierend beispielsweise auf den organischen Donatoren Tetramethyltetraselenafulvalen (abgek. TMTSF, Abb. 1 ) und Bisethylendithiolo-tetrathiofulvalen (abgek. BEDT-TTF oder auch ET, Abb. 2 ) und mit zumeist anorganischen Anionen (z.B.
,
,
). Üblicherweise werden die Ladungstransfersalze durch Elektrokristallisation hergestellt. Dabei entstehen qualitativ hochwertige Einkristalle bei gleichzeitiger Oxidation der Donatormoleküle, wobei zumeist jeweils zwei Donatormoleküle ein Elektron an das üblicherweise im Elektrolyten vorhandene, monovalente Anion abgeben. Insgesamt existieren zur Zeit (1999) annähernd hundert organische Supraleiter, die aus zehn verschiedenen organischen Donator-Molekülen und einem Akzeptor-Molekül aufgebaut sind [2].
Quasi-eindimensionale organische Metalle
Abb. 3 zeigt die Kristallstruktur des ersten organischen Supraleiters, (TMTSF)2PF6, der 1979 von K. Bechgaard synthetisiert wurde [3]. Salze diesen Typs werden deshalb auch als Bechgaard-Salze bezeichnet. Die nahezu planaren TMTSF-Moleküle sind entlang der kristallographischen a-Richtung stapelartig angeordnet. Ein ausreichender Überlapp der π-Molekülorbitale in Stapelrichtung führt zur Ausbildung einer Bandstruktur mit teilweise gefüllten Bändern und damit zu einer guten elektrischen Leitfähigkeit (
) entlang dieser Richtung. Die schlechteste Leitfähigkeit (
) besteht in der c-Richtung, in der die Anionen die Stapelketten trennen. Zwischen den Stapeln, in der b-Richtung (senkrecht zur Zeichenebene in Abb. 3 ), besteht noch ein geringer Überlapp der Molekülwellenfunktionen und damit eine Leitfähigkeit (
), die zwischen der der anderen Richtungen liegt. Typischerweise findet man elektrische Leitfähigkeiten im Verhältnis von etwa
:
:
= 30 000 : 100 : 1. Die Bechgaard-Salze werden oft auch als quasi-eindimensionale Leiter bezeichnet. Allerdings ist die Eindimensionalität, wie gerade beschrieben, nicht ideal, was entscheidend für die physikalischen Eigenschaften der TMTSF-Salze ist. Die Anisotropie spiegelt sich gleichfalls in der Morphologie der in langen dünnen Nadeln wachsenden TMTSF-Kristalle wider. Die längste Ausdehnung der Kristalle findet man entlang der a-Richtung, die kürzeste entlang der c-Richtung.
Ideal eindimensionale Metalle sind prinzipiell instabil gegen einen Phasenübergang zum Isolator bei tiefen Temperaturen. Bei diesem sogenannten Peierls-Übergang bildet sich eine Energielücke auf Teilen der Fermi-Fläche aus, die umso vollständiger ist, je besser eindimensional die elektronische Struktur ist. Die Bechgaard-Salze sind noch eindimensional genug, so daß sie diesen Phasenübergang bei endlichen Temperaturen von einigen 10 K zeigen. Dabei bildet sich jedoch keine Ladungsdichtewelle (Ladungsdichtewellensysteme) mit einer entsprechenden Gitterverzerrung, sondern eine Spindichtewelle aus, das heißt es entsteht eine periodische antiferromagnetische Ordnung der Leitungselektronen.
Ein prinzipielles Phasendiagramm für die quasi-eindimensionalen Salze basierend auf TMTSF und TMTTF, das auf Denis Jérome zurückgeht [4], ist in Abb. 4 gezeigt. Dort sind die Übergangstemperaturen gegen den relativen Druck aufgetragen. Die Pfeile markieren die Startpunkte verschiedener Ladungstransfersalze bei Umgebungsdruck. Ganz links im Phasendiagramm (Punkt a) befindet sich z.B. (TMTTF)2PF6, wobei sich TMTTF (= Tetramethyltetrathiafulfalen) von TMTSF nur durch den Austausch der vier Selen-Atome durch Schwefel-Atome unterscheidet (siehe Abb. 1 ). Dieses System zeigt zunächst bei etwa 230 K einen Übergang zu isolierendem Verhalten (LOC), der durch Lokalisierung der wechselwirkenden Elektronen (vermutlich durch einen sogenannten Mott-Hubbard-Übergang) hervorgerufen wird. Bei etwa 15 K dimerisieren zusätzlich die antiferromagetisch geordneten lokalisierten Spins bei dem sogenannten Spin-Peierls-Übergang (SP), wobei die magnetische Energie des Systems erniedrigt wird. Durch Anlegen eines äußeren Drucks von etwa 13 kbar wird der Lokalisierungsübergang unterdrückt, und das System bleibt zunächst metallisch, bis bei einem Peierls-Übergang eine Spindichtewelle (SDW) als neuer Grundzustand entsteht. Das Anlegen eines äußeren Drucks ist dabei gleichbedeutend mit einer Erhöhung des Überlapps der elektronischen Wellenfunktionen und damit mit einer Erhöhung der Dimensionalität. Die Salze (TMTTF)2Br (Punkt b in Abb. 4 ) und (TMTSF)2PF6 (Punkt c) haben bereits bei Normaldruck und entsprechend tiefen Temperaturen eine Spindichtewelle als Grundzustand. Durch einen äußeren Druck von etwa 26 kbar für (TMTTF)2Br bzw. 6 kbar für (TMTSF)2PF6 kann man die Dimensionalität dieser Systeme soweit erhöhen, daß der Metall-Isolator-Übergang unterdrückt ist und Supraleitung (SL) bei Temperaturen von 1-3 K auftritt. Das einzige Bechgaard-Salz, das bereits bei Umgebungsdruck eine genügend geringe Anisotropie hat, um metallisch zu bleiben und bei etwa 1,4 K Supraleitung zu zeigen, ist (TMTSF)2ClO4 (Punkt d).
Ein neues Phänomen wurde bei Untersuchungen der Bechgaard-Salze im externen magnetischen Feld B gefunden. Im metallischen Zustand, also für (TMTSF)2PF6 bei einem Druck größer etwa 6 kbar, findet man bei bestimmten B-Feldern unter anderem Knicke im elektrischen Widerstand, Stufen in der Magnetisierung, Anomalien in der spezifischen Wärme und insbesondere auch Stufen im Hall-Effekt, die an den Quanten-Hall-Effekt erinnern. Im Unterschied zu diesem wird allerdings der longitudinale elektrische Widerstand nie Null. Bei einer Änderung des magnetischen Feldes werden in den quasi-eindimensionalen Metallen Phasenübergänge induziert. Der prinzipielle Effekt des Magnetfeldes ist dabei eine effektive Erniedrigung der Dimensionalität des Systems. Die Elektronen werden auf Bahnen gezwungen, die umso eindimensionaler werden, je größer B wird. Dies kann schließlich einen Phasenübergang zu einer Spindichtewelle induzieren. Diese sogenannte feldinduzierte Spindichtewelle (FISDW) ist theoretisch mittlerweile gut verstanden und experimentell glänzend bestätigt worden [2].
Quasi-zweidimensionale organische Metalle
Die größte Gruppe organischer Supraleiter findet man bei den Ladungstransfersalzen, die als Grundbaustein das Molekül BEDT-TTF (siehe Abb. 2 ) haben. Der erste BEDT-TTF-Supraleiter, (BEDT-TTF)2ReO4, wurde 1982 entdeckt, benötigte jedoch, wie die meisten TMTSF-Salze, einen Druck von einigen kbar, um bei etwa 2 K supraleitend zu werden. Ebenfalls zu dieser Gruppe gehört der erste vollständig auf organischen Molekülen basierende Supraleiter (BEDT-TTF)2SF5CH2CF2SO3, der unter Umgebungsdruck bei etwa 4,5 K supraleitend wird und erst 1996 entdeckt wurde [2].
Im Gegensatz zu den TMTSF-Salzen gibt es eine Vielzahl möglicher Kristallstrukturen, die sich hauptsächlich in der Anordnung der ausgedehnteren und nicht vollständig planaren BEDT-TTF-Moleküle innerhalb von Ebenen unterscheiden und die mit verschiedenen griechischen Buchstaben bezeichnet werden. Abb. 5 zeigt als Beispiel die Kristallstruktur von β-(BEDT-TTF)2I3. Diese Substanz kristallisiert bei gleicher Stöchiometrie in einer Reihe weiterer strukturell unterschiedlicher Phasen, die sich stark in ihren physikalischen Eigenschaften unterscheiden. In der β-Phase sind die BEDT-TTF-Moleküle innerhalb von Ebenen in Stapeln nebeneinander angeordnet, haben dabei jedoch einen viel besseren Überlapp zu benachbarten Stapeln als die quasi-eindimensionalen Bechgaard-Salze. Dadurch zeigt die elektrische Leitfähigkeit innerhalb der Ebene nur eine geringe Anisotropie. Zwischen diesen gut leitenden BEDT-TTF-Ebenen liegen die Anionen-Ebenen, die für eine ausgeprägte Anisotropie der physikalischen Eigenschaften parallel und senkrecht zu den Ebenen sorgen. Ähnlich wie bei den Hochtemperatur-Supraleitern kann der elektrische Widerstand senkrecht zu den Ebenen um viele Größenordnungen über dem für Stromfluß in der Ebene liegen. Diese quasi-zweidimensionale elektronische Struktur, die sich auch in supraleitenden Kenngrößen widerspiegelt, findet man mehr oder weniger ausgeprägt in allen BEDT-TTF-Phasen. An einer Vielzahl der organischen Metalle, die als qualitativ hochwertige Einkristalle zur Verfügung stehen, kann die genaue Topologie der Fermi-Fläche und weitere Bandstrukturparameter, wie z.B. die effektive Masse, mit Hilfe von Messungen magnetischer Quantenoszillationen (De-Haas-van Alphen-Effekt, Schubnikow-de-Haas-Effekt) und unter Ausnutzung der Anisotropie des Widerstands in einem genügend großen Magnetfeld direkt bestimmt und mit theoretischen Berechnungen der Bandstruktur verglichen werden [5].
Basierend auf dem BEDT-TTF-Molekül sind mittlerweile (1999) mehr als fünfzig verschiedene organische Supraleiter bekannt [2]. Die höchste Sprungtemperatur bei Umgebungsdruck wird bei der Verbindung κ-(BEDT-TTF)2Cu[N(CN)2]Br mit
erreicht. Ein etwas höheres
von etwa 13 K findet man in der isostrukturellen Substanz κ-(BEDT-TTF)2Cu[N(CN)2]Cl unter einem leichten Druck von 0,3 kbar. Noch höhere supraleitende Sprungtemperaturen werden in den Fullerenen gefunden, die manchmal auch zur Klasse der organischen Supraleiter gerechnet werden.
Abb. 6 zeigt den spezifischen elektrischen Widerstand
, gemessen senkrecht zu den Ebenen, und die mit einem SQUID-System in einem Magnetfeld von 0,1 mT gemessene magnetische Suszeptibilität
von κ-(BEDT-TTF)2Cu[N(CN)2]Br als Funktion der Temperatur. Bei
verschwindet der elektrische Widerstand, und man beobachtet ein diamagnetisches Signal in
. Die Größe dieses Signals zeigt, daß die komplette Probe supraleitend und damit die Supraleitung eine Volumeneigenschaft der organischen Materialien ist. Die Verrundung des Phasenübergangs, die sowohl im Widerstand als auch deutlicher in der Suszeptibilität zu sehen ist, beruht auf Fluktuationen, die durch die kurzen Kohärenzlängen und die quasi-zweidimensionale Anisotropie begünstigt werden.
Auffallend ist der sehr große spezifische Widerstand, der selbst kurz vor Eintreten der Supraleitung um etwa einen Faktor 106 höher ist als der von Kupfer bei Raumtemperatur. Ein Widerstand dieser Größenordnung ist typisch für die kristallinen organischen Leiter und wirft die Frage auf, ob man den Stromtransport senkrecht zu den gut leitfähigen Ebenen noch mit konventionellen Theorien beschreiben kann. Oberhalb
verläuft der Widerstand annähernd quadratisch mit der Temperatur, was ebenfalls charakteristisch für viele dieser organischen Metalle ist und einen dominierenden Einfluß der Elektron-Elektron-Stöße vermuten läßt. Eine große Elektron-Elektron-Wechselwirkung kann letztendlich auch zu einer Lokalisierung der Elektronen, das heißt zu einem sogenannten Mott-Hubbard-Isolator, führen. Es wird vermutet, daß κ-(BEDT-TTF)2Cu[N(CN)2]Br ein Metall nahe an der Grenze zu diesem isolierenden Zustand und κ-(BEDT-TTF)2Cu[N(CN)2]Cl, das bei tiefen Temperaturen antiferromagnetisch ordnet, bereits ein Mott-Hubbard-Isolator ist.
Die organischen Supraleiter sind Supraleiter zweiter Art, das heißt nur unterhalb eines unteren kritischen Feldes
existiert die Meißner-Phase. In der Schubnikow-Phase, das heißt zwischen
und dem oberen kritischen Feld
, kann magnetischer Fluß in Flußquanten (Flußquantisierung) in die Probe eindringen. Oberhalb von
befindet sich das Metall im normalleitenden Zustand. Typische Werte für
sind einige mT und für
einige T. Diese Werte gelten für Magnetfelder, die senkrecht zu den leitfähigen Ebenen angelegt werden. Für Felder parallel zu den Ebenen ist
ein bis zwei Größenordnungen kleiner, das heißt auch viel kleiner als das Magnetfeld der Erde von etwa 0,05 mT.
ist entsprechend um etwa einen Faktor zehn erhöht. Damit ergeben sich Kohärenzlängen von etwa 3-10 nm innerhalb der BEDT-TTF-Ebenen und etwa 0,3-1 nm senkrecht dazu, was bedeutend kleiner als der Ebenenabstand von etwa 1,5 nm ist. Das bedeutet, daß man die organischen Metalle als quasi-zweidimensionale Supraleiter betrachten kann, die nur auf Grund des Josephson-Effekts eine dreidimensionale Kohärenz ausbilden.
Die Natur des supraleitenden Zustands
Ein wichtiger Schwerpunkt der aktuellen Forschung auf dem Gebiet der organischen Supraleiter sind Untersuchungen zur momentan (1999) kontrovers diskutierten Frage nach der Natur des supraleitenden Zustandes. Eindeutig klar ist bisher, daß die Cooper-Paare sich (zumindest in den quasi-zweidimensionalen Metallen) als Spin-Singuletts paaren. Dies konnte mit Hilfe von NMR-Experimenten nachgewiesen werden, die eine deutlich reduzierte Knight-Verschiebung im supraleitenden Zustand zeigen. Dies schließt eine p-Wellen-Symmetrie der Paarwellenfunktion aus, läßt aber die Frage offen, ob es sich um eine konventionelle s-Wellen-Symmetrie, wie in der BCS-Theorie angenommen, oder um eine unkonventionelle d-Wellen-Symmetrie handelt. Ein weiterer ungeklärter Punkt ist der Mechanismus, der zur Supraleitung führt. Die Nähe antiferromagnetischer Ordnung (wie z.B. in einer Spindichtewelle) zum supraleitenden Grundzustand im Druck-Temperatur-Phasendiagramm begründet die Vermutung, daß antiferromagnetische Fluktuationen anstelle der konventionellen Elektron-Phonon-Wechselwirkung (Elektron-Phonon-Mechanismus der Supraleitung) für die Kopplung der Cooper-Paare verantwortlich sind. Dabei wird insbesondere auf die Analogie zu den Hochtemperatur-Supraleitern hingewiesen [6].
Auf der theoretischen wie auf der experimentellen Seite ist die Situation zur Zeit (1999) uneinheitlich. Ein Schlüsselexperiment, das die Frage einer (un)konventionellen Kopplung eindeutig beantworten könnte, fehlt. Genauso wie es die erwähnten Anzeichen für ausgeprägte elektronische Korrelationseffekte gibt, existieren klare Evidenzen für eine starke Elektron-Phonon-Kopplung. Ein wichtiges Experiment, das die phonon-induzierte Kopplung in den klassischen Supraleitern bewies, war der Nachweis des Isotopeneffekts. Es soll hier jedoch betont werden, daß das Fehlen des Isotopeneffekts, wie z.B. für die konventionellen Supraleiter Zr und Ru gefunden, kein Beweis für eine unkonventionelle Kopplung ist. Die quasi-zweidimensionalen organischen Supraleiter zeigen bei Substitution der inneren vier 12C durch 13C und der acht 32S durch 34S eine BCS-artige Erniedrigung von
um etwa 1%. Die Substitution der Wasserstoffatome durch Deuterium ergibt eine uneinheitliche Änderung von
für verschiedene Materialien, was auf eine gleichzeitige Modifikation der Gitterparameter zurückgeführt wird. Ein weiteres Experiment, das gleichfalls klar das Vorhandensein der Elektron-Phonon-Wechselwirkung in organischen Supraleitern nachgewiesen hat, waren Messungen mit Hilfe der Raman-Spektroskopie, die unterhalb von
eine klare energetische Verschiebung der Raman-Moden ergaben. Darüber hinaus zeigen Resultate aus Messungen der inelastischen Neutronenstreuung, daß unterhalb von
eine Änderung in der Phononzustandsdichte auftritt bzw. daß sich bei Eintreten der Supraleitung die Energie-Impuls-Beziehung eines Phonons verschiebt. Welche Wechselwirkung allerdings letztendlich für die Kopplung der Elektronen zu Cooper-Paaren verantwortlich ist, kann aus den bisherigen Experimenten nicht schlüssig geklärt werden.
Neben der Frage nach dem Mechanismus, der zur Supraleitung führt, gibt es auch zur Größe und zur Symmetrie der supraleitenden Paarwellenfunktion widersprüchliche Meinungen. So zeigen einige Experimente im supraleitenden Zustand eine Energielücke,
, die zum BCS-Wert
für schwache Kopplung paßt. Andere Untersuchungen, wie z.B. Tunnelspektroskopie- und Punktkontaktspektroskopiemessungen, weisen auf einen stark erhöhten Wert hin. Die Temperaturabhängigkeit der Energielücke wurde in einer großen Zahl unterschiedlicher Experimente bestimmt. Eine eindeutige Aussage ist jedoch auf Grund der uneinheitlichen Ergebnisse und konträrer Interpretationen nicht möglich. So deuten z.B. NMR-Untersuchungen an 13C-Kernen der Substanz κ-(BEDT-TTF)2Cu[N(CN)2]Br auf unkonventionelles Verhalten hin. So wurde zum einen nicht das von der BCS-Theorie vorhergesagte Hebel-Slichter-Kohärenzmaximum in der Spin-Gitter-Relaxationsrate
gefunden. Dies ist allerdings kein Beweis für unkonventionelles Verhalten, da dieses Maximum auch in einigen konventionellen BCS-Supraleitern fehlt. Zum anderen zeigt die Relaxationsrate
nicht die für eine isotrope Energielücke erwartete exponentielle Abhängigkeit, sondern einen
-Verlauf bei tiefen Temperaturen. Im Gegensatz zu diesen Ergebnissen können Daten der spezifischen Wärme sehr gut mit der BCS-Theorie unter der Annahme starker Kopplung beschrieben werden. Insbesondere der elektronische Anteil der spezifischen Wärme im supraleitenden Zustand, der auf Grund des NMR-Ergebnisses bei tiefen Temperaturen proportional zu
verlaufen sollte, verschwindet exponentiell unterhalb
. Bis zur Klärung dieser kontroversen Resultate sind noch weitere sorgfältige Untersuchungen nötig.
Ausblick
Die organischen Metalle und Supraleiter zeigen ein ungewöhnlich breites Spektrum grundlegender physikalischer Phänomene, die momentan Gegenstand intensiver Untersuchungen innerhalb der Festkörperphysik sind. Dabei geht es um das Verständnis kollektiver Erscheinungen, die abhängig von äußeren Parametern, wie Druck, Magnetfeld und Temperatur, zu gänzlich verschiedenen Grundzuständen führen können. Eine Herausforderung an die Theorie bleibt es, ein mikroskopisches Modell zu entwickeln, das die experimentell gefundenen Phasendiagramme reproduzieren kann. Insbesondere besteht ein grundsätzlicher Klärungsbedarf zur Natur des supraleitenden Grundzustands in organischen Metallen. Eine Besonderheit der organischen Materialien ist die Möglichkeit, physikalische Eigenschaften in einem weiten Bereich dimensionsabhängig an Volumenproben zu untersuchen. Die Einstellung der Dimensionalität der elektronischen Eigenschaften geschieht dabei durch die Wahl geeigneter Ausgangssubstanzen bei entsprechendem äußeren Druck. Ein fortschreitendes besseres Verständnis des Wechselspiels zwischen molekularer Struktur und physikalischen Eigenschaften kann letztendlich auch der Festkörperchemie den Weg zu neuen Substanzen mit den gewünschten Materialeigenschaften weisen.
Literatur:
[1] W.A. Little: Phys. Rev. A 134, 1416 (1964).
[2] T. Ishiguro, K. Yamaji, G. Saito: Organic Superconductors, 2. Aufl., Springer, Berlin 1998.
[3] D. Jérome, A. Mazaud, M. Ribault, K. Bechgaard: J. Physique Lett. 41, L95 (1980).
[4] D. Jérome: Science 252, 1509 (1991).
[5] J. Wosnitza: Fermi Surfaces of Low-Dimensional Organic Metals and Superconductors, Springer, Berlin, 1996.
[6] R. McKenzie: Science 278, 820 (1997).
organische Supraleiter 1: Die Molekülstruktur von TMTSF. Das Molekül ist planar, was eine stapelartige Anordnung der Moleküle im Kristallverband bevorzugt.
organische Supraleiter 2: Die Molekülstruktur von BEDT-TTF. Das Molekül ist ausgedehnter als TMTSF und nicht vollständig planar.
organische Supraleiter 3: Die Kristallstruktur des ersten organischen Supraleiters (TMTSF)2PF6. Die Wasserstoffatome sind der Übersichtlichkeit halber weggelassen. Die TMTSF-Stapel sind durch die PF
-Anionen voneinander getrennt.
organische Supraleiter 4: Schematisches Phasendiagramm der quasi-eindimensionalen Salze basierend auf den Molekülen TMTSF und TMTTF. Die Pfeile deuten Startpunkte bei Umgebungsdruck verschiedener im Text erwähnter Ladungstransfersalze an. Die Abkürzungen bedeuten ladungslokalisierter Isolator (LOC), Spin-Peierls- (SP), Spindichtewellen- (SDW) und supraleitender (SL) Zustand.
organische Supraleiter 5: Die Kristallstruktur von β-(BEDT-TTF)2I3 als Beispiel für die quasi-zweidimensionalen organischen Metalle. Die gut leitfähigen BEDT-TTF-Ebenen, die eine geringe Anisotropie zeigen, werden durch die Anion-Ebenen voneinander getrennt.
organische Supraleiter 6: Temperaturabhängigkeit des spezifischen Widerstands für Stromfluß senkrecht zu den Ebenen. Das Inset zeigt die Suszeptibilität als Funktion der Temperatur.
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