Lexikon der Physik: Spektroskopie
Spektroskopie, Untersuchungsmethode, die gesetzmäßige Zusammenhänge in den für jede Substanz chrakteristischen, allgemein verstandenen Spektren sucht und sie verwendet zur 1) Bestätigung theoretischer Atom- und Molekülmodelle, 2) Feststellung der qualitativen Zusammensetzung der untersuchten Substanz aus ihren molekularen Bestandteilen, 3) Messung des prozentualen Anteils der einzelnen Bestandteile eines Gemischs aus der spektralen Intensität und 4) Diagnostik hinsichtlich Zusammensetzung und Zustandsparametern wie Druck, Temperatur, Ionisationsgrad. Spektroskopische Verfahren werden unterteilt nach dem Energiebereich, in dem sie arbeiten (z.B. Mikrowellenspektroskopie), der benutzten Teilchensorte (z.B. Neutronenspektroskopie), der Anwendungstechnik (z.B. NMR) oder dem physikalischen Wirkungsprinzip (z.B. Absorptionsspektroskopie).
Unterteilung nach dem Energiebereich:
Hochfrequenzspektroskopie: Sammelbegriff für Mikrowellenspektroskopie (1-103 GHz), Elektronenspinresonanz (ca. 30 GHz) und NMR-Spektroskopie (ca. 10-800 MHz). Die Methoden haben von ihren Wirkungsprinzipien her wenig mit der optischen Spektroskopie gemein.
Optische Spektroskopie: Sammelbegriff für UV-Spektroskopie (100-400 nm), sichtbare und IR-Spektroskopie (500 nm-50 μm). In der optischen Spektroskopie treten, anders als in der Hochfrequenzspektroskopie, alle klassischen optischen Phänomene wie Dispersion, Diffraktion, Fokussieren, Reflexion usw. auf.
Gammaspektroskopie: Röntgenspektroskopie (0,01-0,1 nm) und Neutronenspektroskopie (1-4 Å). Diese ionisierenden Strahlungen sind für den Menschen gefährlich. Der Wellenlängenbereich, in dem sie arbeiten, eignet sich besonders zur Untersuchung von Festkörpern, da er den charakteristischen Abständen zwischen Atomen in den Materialien in etwa entspricht.
Unterteilung nach Teilchensorte:
Atomspektroskopie: an Atomen typischerweise mit Röntgenspektroskopie oder Neutronenspektroskopie, an Elektronen mit ESR-Spektroskopie, Massenspektroskopie (alle Ionen werden nach Masse separiert, Massenspektrometer), Molekülspektroskopie (an Molekülen, typischerweise mit Hochfrequenzspektroskopie, optischer Spektroskopie oder Raman-Spektroskopie (molekülspezifische Rotationen und Vibrationen spielen eine Rolle), NMR-Spektroskopie, NQR-Spektroskopie (NMR an allen Atomkernen mit Kernspin I > 0, NQR für I > 1 / 2, Kernquadrupolresonanz).
Unterteilung nach Anwendungstechnik:
Atom-Absorptionsspektroskopie: Methode zur analytischen Bestimmung einzelner Elemente. Sie basiert darauf, daß Atome im Dampfzustand Licht charakteristischer Wellenlängen absorbieren.
Atom-Emissionsspektroskopie: Nach der Anregung oder Ionisierung von Atomen geben die Atome durch die Aussendung von Licht Energie ab. Die Temperatur der Anregungsquellen muß typischerweise bei 5 000-10 000 K liegen.
Fluoreszenzspektroskopie: Fluoreszenz ist die Strahlungsabgabe nach Anregung durch Absorption. Wie bei der Atom-Absorptionspektroskopie muß eine große Anzahl freier Atome durch Atomisierung erzeugt werden.
CARS-Spektroskopie: Das Signal stammt aus einem nichtlinearen optischen Effekt. Wird besonders zum Studium von Verbrennungsprozessen in Maschinen eingesetzt.
ESR-Spektroskopie: außer Spin-Drehmomenten spielen auch orbitale Drehmomente eine Rolle.
IR-Spektroskopie: Die Anregung eines diskreten (quantisierten) Vibrations- oder Rotationszustandes eines Moleküls wird durch Absorption elektromagnetischer Strahlung gemessen. IR-Spektren sind oft stark verbreitert, weil die Größe eines Moleküls die Linien überlappen läßt. Eine wichtige Methode zur Molekül-Strukturbestimmung; wird an Gasen, Festkörpern und Oberflächen in Kombination mit Gas-Chromatographie angewandt.
NMR-Spektroskopie: Die Abschirmung eines externen Magnetfeldes durch die chemische Umgebung eines Kernes wird zur Strukturbestimmung genutzt. Lokale Methode, die Röntgenstreuung ergänzt. Die Temperaturabhängigkeit dynamischer Parameter (NMR-Relaxation) und der Linienposition (NMR-Linienform, Knight-Verschiebung) gibt Aufschluß über physikalische Prozesse.
Massenspektroskopie: Methode zur Bestimmung und Separierung atomarer und molekularer Massen (Massenspektrometer).
Mikrowellenspektroskopie: Die Rotationen und Inversions-Vibrationen polarer Gasmoleküle werden untersucht. Die Anregungsenergien sind um drei bis vier Größenordnungen kleiner als bei IR- und UV-Spektroskopie. Die Spektren sind meist sehr kompliziert, da bei Raumtemperatur die vielen Energieniveaus der Moleküle sehr dicht gestaffelt liegen.
Mößbauer-Spektroskopie: Resonanzabsorption von Gammastrahlung durch Atomkerne. Hochauflösende Methode, kann nur an relativ wenigen Atomkernen durchgeführt werden, deren wichtigster 57Fe ist. Es werden die chemische Verschiebung, die Hyperfeinstrukturwechselwirkung und die Quadrupolwechselwirkung (Multipole) gemessen.
Multiphoton-Massenspektroskopie: Eine Methode der Massenspektroskopie, die Multiphotonenionisation benutzt. Die Methode eignet sich besonders zum Studium kinetischen Verhaltens molekularer Ionen.
Nah-IR-Spektroskopie im Bereich 800-2 500 nm (12 500-4 000 cm-1) wird zur quantitativen Analyse, v.a. im Bereich Nahrungsmittel und Agrarprodukte, benutzt.
NQR-Spektroskopie: Die lokale Umgebung eines nicht-sphärischen Atomkernes (I > 1 / 2) wird durch die Quadrupolwechselwirkung zwischen dem elektrischen Feldgradienten des Gitters und dem Kernquadrupolmoment beobachtet (Kernquadrupolresonanz).
Photoakustische Spektroskopie: Der photoakustische Effekt ist ein Absorptionsprozeß. Nach ca. 10-12-10-13 s relaxiert das Molekül strahlungslos aus dem höheren Zustand in den Singlettzustand S1, dabei wird die gespeicherte Energie als Wärme in Vibrationsprozesse umgewandelt. Nach 10-9-10-10 s deaktiviert S1 durch Fluoreszenz oder wiederum strahlungsfrei. In einer abgeschlossenen Gaszelle wird eine Schallwelle erzeugt. In Flüssigkeiten und Festkörprn ist die Situation komplizierter.
Photoelektronenspektroskopie: Die Energiebalance ist analog zum Photoeffekt. Das aus dem Molekül geschlagene Photoelektron wird zwischen zwei Elektroden energiesepariert und registriert. Im Grundzustand haben Moleküle eine bestimmte Anzahl besetzter Orbitale, das Photoelektronen-Spektrum ergibt die Anzahl der Orbitale und ihre absoluten Energiewerte.
Raman-Spektroskopie: ca. 0-4 000 cm-1; Rotations- und Vibrationsspektren der Moleküle, die sich ergeben, wenn durch Raman-Effekt gestreutes Licht spektral aufgespalten und die Intensität der einzelnen Linien oder Bänder gegen die Wellenzahl aufgetragen wird.
Neutronenspektroskopie: Strukturuntersuchungen an Festkörpern durch Neutronenstreuung. Bestimmung der magnetischen Struktur einer Substanz über das magnetische Moment des Neutrons.
UV-VIS-Spektroskopie: Lichtabsorptionsspektren von Strahlung der Elektronen in Atomen und Molekülen. Messungen an Gasen und Festkörpern sind möglich, meist wird jedoch mit Lösungen gearbeitet. Hauptarbeitsbereich 200-800 nm (50 000-12 500 cm-1). Die Methode besitzt viele Anwendungen und spezielle Techniken.
Röntgenspektroskopie: Ähnlichkeiten zur Neutronenspektroskopie; Standardmethode zur Strukturbestimmung von Festkörpern. Beide Methoden messen ein Mittel über eine makroskopische Probe und sind somit zur NMR-Spektroskopie komplementär.
Unterteilung nach physikalischem Prinzip:
Absorptionsspektroskopie: Quantitative Messung der Absorption von elektromagnetischer Strahlung durch Gase, Flüssigkeiten oder Festkörper (UV-, IR-, Mikrowellen-, NMR-Spektroskopie).
Amplitudenspektroskopie: Jeder physikalische Prozeß ist durch Oszillationen beschreibbar, die wiederum durch Fourier-Reihen dargestellt werden können. Die diskreten Werte der Amplituden der Komponenten dieser Darstellung ergeben ein Amplitudenspektrum.
Derivativspektroskopie: Repräsentation der Ableitung einer spektroskopischen Observablen. Sie ist nur in ESR-Spektroskopie, UV-Spektroskopie und Fluoreszenzspektroskopie gebräuchlich.
Dispersionsspektroskopie: Spektroskopie, die die Abhängigkeit der Brechzahl von der Wellenlänge ausnutzt.
Doppelwellenlängenspektroskopie: Spektroskopie, die zwei Wellenlängen benutzt und so die Absorbanz-Differenz bestimmbar macht.
Doppler-freie Spektroskopie: Spektroskopie, bei der die Linienverbreiterung, die durch den Doppler-Effekt bewirkt wird, elimiert ist (Spektroskopie, dopplerfreie, Spektroskopie, dopplerbegrenzte).
Fourier-Transformations-Spektroskopie: Methode zur spektrophotometrischen Analyse von Strahlung. Wird vor allem in der IR-, UV- und NMR-Spektroskopie angewandt. Es ist eine direkte Methode, um die Frequenzen und Intensitäten der Komponenten einer Strahlung zu bestimmen. Oft wird durch sie das mühsame Abscannen eines Spektrums unnötig (1-Schuß Verfahren).
Interferenzspektroskopie: Methode, die sich zunutze macht, daß aus der Interferenz Rückschlüsse auf die Spektrallinien gezogen werden können (Spektroskopie, kohärente).
Laserspektroskopie: Bezeichnung für alle Verfahren, die Laserlicht als Lichtquelle verwenden. Einige Methoden, wie MPS (Multiphotonenionisation), Lochbrennen oder Frequenzverdopplung, werden erst durch die besonderen Eigenschaften des Laserlichtes möglich.
Magnetische Resonanz-Spektroskopie: Beruht auf den magnetischen Eigenschaften des Elektrons (ESR-Spektroskopie) und der Atomkerne (NMR-Spektroskopie). In einem äußeren Magnetfeld werden die Spinmomente der Elektronen bzw. Kerne zum Präzessieren gebracht, so daß die Energieentartung der Energieniveaus aufgehoben wird und Übergänge induziert werden können.
Reflexionsspektroskopie: Einfallendes Licht wird am Beobachtungsobjekt diffus reflektiert, was Rückschlüsse auf seinen Absorptions- und Streukoeffizienten zuläßt. Um eine absolute Reflektanz zu bestimmen, müßte ein ›weißer‹ Standard benutzt werden. Wird in der optischen Spektroskopie angewandt.
Relaxationsspektroskopie: Der Endzustand, im allgemeinen ein Gleichgewichtszustand, wird selbst als Anfangszustand benutzt. Wenn die Bedingungen des Gleichgewichtes plötzlich gestört werden, relaxiert das System in einen neuen Gleichgewichtszustand. Als Störung eignen sich Temperatur- und Drucksprünge, seltener werden auch Feldsprünge verwendet.
Sättigungsspektroskopie: Methode, optische Übergänge mit hoher spektraler Auflösung zu beobachten.
Spektroskopie mit Elektronen:
Soweit die Spektroskopie bisher besprochen wurde, handelte es sich um die Wechselwirkung elektromagnetischer Strahlung mit Festkörpern. Ein Strahl geladener Teilchen hat aber auch Wechselwirkungen mit dem elektronischen System des Festkörpers, bei denen er Energie verliert. Dieser Energietransfer zwischen dem Strahl und dem System bewirkt ähnliche Absorptions- und Streuspektren wie beim Raman-Effekt und der optischen Absorption.
Elektronenspektroskopie erweitert den Bereich der Anregungen ganz erheblich, da das Elektron bei gleicher Eneregie im Vergleich zum Phonon ein viel stärkeres Moment hat. Die beiden bedeutendsten Anwendungen der Elektronenspektroskopie sind:
Elektronen-Energieverlustspektroskopie (EELS): Mit EELS wird der Energieverlust eines Elektrons beim Durchgang durch einen Festkörper studiert. Dieser Verlust wird durch jede Anregung von Quasiteilchen bewirkt, die an das sich bewegende Elektron ankoppeln. Mit einem 10 eV-Elektron können in der ganzen Brillouin-Zone Quasiteilchen angeregt werden (der Wellenvektor unterscheidet sich um 3 Größenordnungen von dem eines gleichenergetischen Photons).
Tunnelspektroskopie: Hier werden Elektronen zur Spektroskopie benutzt, die in dem untersuchten Festkörper intrinsisch sind. Sie verlassen dabei die Substanz nicht, sondern bewegen sich unter dem Einfluß eines äußeren Feldes durch Bereiche des Festkörpers, die anders nicht zugänglich sind. Diese Fortbewegung beruht auf dem quantenmechanischen Tunneleffekt.
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