Lexikon der Psychologie: Handlungsregulation
Handlungsregulation, zentraler Begriff der Psychologie der Handlung. Zu den zentralen Rahmenbedingungen der Ausführung einer Handlung gehören: a) die Gesetzmäßigkeiten der Handlungsgegenstände und -felder (z.B. physikalische, chemische, biologische oder soziale Gesetzmäßigkeiten); b) die Aufteilung der Tätigkeiten auf Ausführende als Funktionsteilung zwischen Menschen und Maschinen bzw. automatisierten technischen Systemen sowie als Aufgabenteilung zwischen Menschen; c) der Handlungsspielraum als Möglichkeit selbstgesetzter Ziele und Entscheidungen (auch: Freiheitsgrade, Kontroll- oder Entscheidungsspielraum, Autonomie oder job discretion) (Leontjew, 1979). Die wichtigsten Kennzeichen der Handlungsregulation sind die Zielgerichtetheit und die gleichzeitig hierarchische bzw. heterarchische und zyklische Organisation der Handlungskomponenten nach den Erfordernissen des zu erfüllenden Auftrags bzw. der selbstgestellten Aufgabe.
Phasen der Handlungsregulation: Die Handlungsregulation ist unterscheidbar nach folgenden Phasen: a) Richten: das Stellen bzw. Übernehmen der Aufgabe. b) Orientieren: Schaffen der Orientierungsgrundlage, die das Aufnehmen und Verarbeiten aktuell wirksamer Informationen und das Aktualisieren von Erfahrungen ermöglicht; dabei werden die Ziele sowie die Ausgangsbedingungen untersucht, Wege und Mittel, aktualisiert und Hypothesen aufgestellt. c) Entwerfen: Auf der Grundlage des Vergleiches von Ausgangszustand, Zielvorstellung und einsetzbaren Überführungsbedingungen wird das Entwerfen von Aktionsprogrammen möglich. d) Entscheidung: Da gleiche Ziele zumeist auf unterschiedliche Weise erreicht werden können, ist eine Entscheidungzwischen den Vorgehensvarianten erforderlich. Mit dem Vorsatz zum Verwirklichen des ausgewählten Weges erfolgt der Übergang von der Handlungsvorbereitung zum Handlungsvollzug. e) Kontrolle: Der Handlungsvollzug wird durch wiederholte Vergleiche des erreichten Ist-Zustands mit dem gespeicherten Ziel als Soll-Zustand kontrolliert. Wegen dieser rückkoppelnden Kontrolle haben die Handlungsphasen eine Regelkreis- oder zyklische Struktur. Der zyklische Ablauf ist auf unterschiedlichen "Regulationsebenen" möglich. Handlungen lassen sich nämlich darstellen als Hierarchien in einander enthaltener (verschachtelter) zyklischer Rückkoppelungseinheiten (Test-Operate-Test-Exit-, d.h. TOTE-Einheiten; Miller, Galanter & Pribram, 1960).
Ebenen der Handlungsregulation: In dieser Hierarchie sind wenigstens drei Ebenen der Ausführungsregulation von Handlungen zu unterscheiden: die intellektuelle, die wissensbasierte bzw. perzeptiv-begriffliche und die sensumotorische Ebene, die jeweils nochmals unterteilbar sind und daher viele Beschreibungsebenen anbieten. Da zyklische, also sequentielle Regulationseinheiten hierarchisch ineinander "geschachtelt" sind, wird von sequentiell-hierarchischer bzw. sequentiell-heterarchischer Regulation gesprochen. Diese "Verschachtelung" bedeutet u. a.: a) Übergeordnete Regulationseinheiten höherer Bewußtheitserfordernisse sind umfassender und enthalten – in abgekürzter Form kodiert – untergeordnete Einheiten weniger umfassender Regulationsweite und niedrigeres Bewußtheitserfordernis. b) Übergeordnete Regulationseinheiten determinieren untergeordnete. c) Indem übergeordnete Regulationseinheiten Details an die untergeordneten Regulationseinheiten delegieren, werden sie selbst entlastet. d) Zugleich haben untergeordnete Einheiten relative Autonomie zur flexiblen Bildung von funktionellen Einheiten sowie rückwirkende Einflußmöglichkeiten auf übergeordnete Regulationseinheiten (daher "Heterarchie"). Die heterarchische Verschachtelung auf unterschiedlichen Ebenen ermöglicht zugleich, daß – bezogen auf größere Zeiteinheiten – mehrere Ziele gleichzeitig verfolgt werden können (Multi-goal-multi-level-Konzept).
Situationsabbildungen und Aktionsprogramme: Die Regulationsgrundlagen umfassen jeweils Situationsabbildungen verschiedenen Niveaus (bewegungsorientierende kinästhetische Rezeptionen; Wahrnehmungen; intellektuelle Situationsanalysen) und Aktionsprogramme entsprechenden Niveaus (Bewegungsentwürfe; Handlungsschemata; Pläne bzw. Strategien). Auf allen Regulationsebenen weisen die Regulationsgrundlagen eine Ziel- und Bedingungs- (WENN) sowie Maßnahmen- (DANN)-Struktur, kurz eine ZBM-Struktur auf. Das Ziel als antriebsregulatorische Komponente dieser Strukturen ist bewußt. Bedingungen und Maßnahmen hingegen als ausführungsregulatorische Komponenten liegen auf den verschiedenen Ebenen der Bewußtheit vor (lediglich die sensumotorische Ebene macht hier eine Ausnahme, weil sie keine eigenen Ziele aufweist). Im hochgeübten Zustand und unter stabilen Ausführungsbedingungen wird die kognitive Handlungsvorbereitung, nicht aber die Motivierung und Zielbildung, verkürzt zum Abruf fertiger, zur Routine gewordener Programme aus dem Gedächtnis. "Unterhalb" der psychologisch relevanten Ebenen können weitere Ebenen nach physiologischen Gesichtspunkten unterschieden werden. "Oberhalb" der hier dargestellten psychischen Regulation individueller Handlungen kann von kollektiven Regulationsvorgängen gesprochen werden, die von Gruppen bzw. Organisationen als Handlungssubjekten realisiert werden.
W.Ha.
Literatur
Leontjew, A. N. (1979). Tätigkeit, Bewußtsein, Persönlichkeit. Berlin: Volk und Wissen.
Miller, G. A., Galanter, E. & Pribram, K. H. (1960). Plans and the structure of behavior. New York: Holt.
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