Lexikon der Psychologie: Managementfunktionen
Managementfunktionen, Funktionen, die vom Management bzw. von leitenden Führungskräften wahrzunehmen sind. Normative Ansätze der Führung haben in der Wissenschaft und in der Praxis erhebliche Diskussion ausgelöst. Den meisten dieser normativen Ansätze ist gemein, daß sie von einem spezifischenOrganisationskonzept ausgehen, innerhalb dessen die Steuerung der Aktivitäten auf ein Ziel und die Koordination des arbeitsteiligen Tuns durch Führung zu erfolgen haben. Daraus lassen sich nun wiederum ganz bestimmte Funktionen ableiten, die von letztlich austauschbaren Rollenträgern wahrzunehmen sind. Als typische Führungsaufgaben werden häufig Planung, Innovation, Zielsetzung (Ziele), Entscheidung, Organisation, Information, Motivation, Steuerung der Realisation und Kontrolle genannt. Diese Aufgaben lassen sich aus einem Organisationskonzept, das letztlich als eine unpersönliche Form der Handlungssteuerung zu verstehen ist, ableiten. Ergänzt wird systemimmanent diese Handlungssteuerung durch persönliche Weisungen im Sinne der genannten Funktionen. Auf der Basis derartiger Überlegungen wurden nun für die Praxis verschiedene Managementmodelle (Managementsysteme) entwickelt.
Es ist offensichtlich, daß derartig funktionale Ansätze, die spezifische Managementfunktionen normativ herausarbeiten, die Frage kaum stellen, ob sich denn Führung in der Praxis tatsächlich in dieser geforderten Weise vollzieht. Es ist ebenfalls offenkundig, daß derartige Konzepte ihre Grundlage verlieren, wenn ein Unternehmen sich zu anderen Organisationsprinzipien bekennt, wie z.B. der Projektorganisation, der Netzwerkorganisation, der Clanorganisation oder ähnlichen Ansätzen, die in starkem Maße auf die Selbststeuerung des Systems abheben. Diese Managementfunktionen erscheinen plausibel, wenn man die weitverbreitete Metapher der Organisation als einer Maschine als implizite Organisationstheorie im Kopf hat ("Ein Zahnrad greift in das andere...”) und zugleich von einer klassischen Linienorganisation ausgeht. Ob allerdings tatsächlich Führungskräfte in Organisationen im Sinne dieses funktionalen Konzeptes handeln und – vor allem – wie sie es tun, ist eine Frage, die in der empirischen Forschung beantwortet werden muß.
Als Methoden kommen hierzu Befragungs- und Beobachtungsverfahren zum Einsatz, wobei zum einen strukturierte und standardisierte Protokollbögen den Führungskräften selbst ausgehändigt werden, in die sie ihre Selbstbeobachtungen eintragen, während bei Fremdbeobachtungen in der Regel die Führungskraft von einem Beobachter während eines gesamten Arbeitstages oder gar mehrerer Tage lang begleitet wird und der geschulte Beobachter in einer vorstrukturierten oder unstrukturierten Weise aufzeichnet, was er beobachtet (Mintzberg, 1973). Die Probleme derartiger Vorgehensweisen sind vielfach beschrieben worden, wobei insbesondere auf die Selektivität der Wahrnehmung, die Unvergleichbarkeit der verwendeten Kategorien und die geringe Objektivität bei der Datenerhebung und der Dateninterpretation verwiesen wird. Aus forschungsökonomischen Gründen dominiert die Tagebuchmethode, während die Fremdbeobachtung über einen längeren Zeitraum trotz mancher methodischen Vorteile zu zeit- und kostenintensiv erscheint. Die Befunde derartiger Studien beantworten letztlich recht übereinstimmend die Fragen, wie, mit wem, warum Führungskräfte was während ihrer Arbeitszeit tun. Die Tätigkeit besteht in erster Linie in Kommunikation, wobei ca. 2/3 der Arbeitszeit dieser Aktivität gewidmet sind. Klassifiziert man auch das Lesen und Schreiben in diese Kategorie, so steigt der Prozentsatz deutlich an. Die Tätigkeiten sind extrem fragmentiert, so daß es zu einer sehr hohen Zahl einzelner Arbeitsepisoden kommt. Die Arbeitsepisoden werden häufig durch Störungen von außen unterbrochen. Viele der ausgeübten Tätigkeiten sind nicht geplant. Es bleibt wenig Zeit für Reflexion. Es wird häufiger mit Personen der gleichen Ebene und externen Partnern kommuniziert als innerhalb der Linie, d.h. mit Vorgesetzten und Untergebenen. Viele Kontakte sind der Netzwerkbildung und der Mikropolitik gewidmet. Es wird häufiger auf informelle, spekulative, gerüchteartige Informationen zurückgegriffen, als auf offizielle oder gar schriftlich vorliegende. Es hat nicht an Versuchen gefehlt, sowohl die Hauptaktivitäten – insbesondere das Kontaktverhalten – feiner zu differenzieren und bestimmte Cluster von Managern im Sinne einer Typologie auf empirischem Wege zu finden. Vergleicht man die Befunde dieser empirischen work activity-Forschung mit den normativen Aussagen, so findet man die beschriebenen Funktionen z. T. in den empirisch nachgewiesenen Aktivitäten wieder, doch entspricht das Wie der beobachtbaren Handlungen dem rationalen Verhaltensmodell nicht. Außerdem findet man das politische Handeln im Sinne der Netzwerkbildung, des sich wechselseitig Verpflichtendes – kurz der Mikropolitik – dort auch nicht ansatzweise, obwohl es tatsächlich einen nicht unerheblichen Anteil der Arbeitszeit von Führungskräften ausmacht.
L.R.
Literatur
Mintzberg, H. (1973). The nature of managerial work. New York: Wiley and Sons.
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