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Lexikon der Psychologie: Neuro-Linguistisches Programmieren

Neuro-Linguistisches Programmieren, Abk. NLP, um 1970 in USA von dem Psychologen Richard Bandler und dem Linguisten John Grinder als Kurzzeit-Psychotherapie entwickelt. Bandler und Grinder analysierten die Therapien von Fritz Perls (Gestalttherapie), Virginia Satir (Familientherapie) und Milton Erickson (Hypnotherapie) auf gemeinsame, effektive Kommunikationsmuster und die zugrundeliegenden Strategien und Meta-Programme. Auf diesen Analysen aufbauend hat sich NLP zu einem eigenständigen System entwickelt, das in sich plausibel, mit den meisten aktuellen psychologischen Theorien kompatibel ist und ständig weiter wächst. Mehrere Dutzend elaborierte Interventionsformate stehen inzwischen zur Verfügung, die klienten- und situationsgerecht eingesetzt werden können und eine individuelle, klientenorientierte Beratung möglich machen.
Der Zusammenhang zwischen Wahrnehmung, innerer Verarbeitung und Verhalten ist Ausgangspunkt des NLP ( Abb. ). Bei Wahrnehmen und Denken findet sich die Theorie sinnesspezifischer Repräsentationssysteme als Basis der Informationsverarbeitung und damit des subjektiven Erlebens (James) wieder. Beim Handeln spielt die Zielorientierung (Miller, Gallanter, Pribram) eine wesentliche Rolle. Für die Verbindung der Sprache mit dem Denken und Handeln nutzt NLP die Transformationsgrammatik und das linguistischeSprachmodell (Chomsky, Korzybski). Bei komplexeren Verbindungen, speziell zu (Ge-) Fühlen und (Ausdrucks-) Bewegung sind die Konzepte des Modellernens (Bandura) und der unbewußten Prozesse (Freud) hilfreich. Für die Gesamtheit der Funktionen sind systemtheoretische und kybernetische Ansätze ( z.B. Bateson) maßgeblich. Das gilt besonders für die Interaktion mit der Umwelt.
Feedback ist die Grundlage des Lernens: Wer die Auswirkungen seines Verhaltens wahrnimmt (Sprache, Ausdruck oder Handeln), kann diese Erfahrungen bewußt oder unbewußt verarbeiten und in seinem weiteren Verhalten berücksichtigen.

Diese Funktionen wirken nicht isoliert, sondern im Zusammenhang. Beispiele dafür sind in der Psychologie gesichert nachgewiesen. a) Gefühl – Wahrnehmung: Hungrige entdecken eher Restaurants als Satte. b) Sprache – Verhalten: Auch negierte Inhalte werden realisiert (“Stolpere nicht"!). Negative Ziele werden selten erreicht (Ich rauche nicht mehr). Viele dieser Zusammenhänge sind im Alltag erfahrbar und erscheinen selbstverständlich: Wer die Augen schließ, kann besser hören (Verhalten – Wahrnehmen). Andere sind eher überraschend, wie der Zusammenhang zwischen Augenbewegungen (Ausdrucksbewegung) und kognitiver Verarbeitung (Denken in spezifischen Repräsentationssystemen), wie er auch bei der Augenbewegungs-Desensibilisierung genutzt wird. Im Gesamtzusammenhang laufen spezifische Prozesse ab, die für jeden Menschen individuell verschieden sein können. Nach dem Grundsatz der Individualität jedes Menschen geht man davon aus, daß jeder seine spezifische Verarbeitungsweise in dieser Vernetzung (“Programm”) entwickelt und darauf sein eigenes Weltbild aufbaut, in dem er neue Eindrücke einordnet. Jeder “programmiert” sich selbst: Manche denken erst und handeln dann. Manche handeln erst und denken dann. Manche besetzen Erfahrungen sehr stark mit Gefühl und reden dann darüber. Manche reden so, daß sie sich in ein Gefühl hineinsteigern können. Und: Manche reden statt zu handeln.
Dabei wird die Vernetzung dieser Prozesse nicht nur im kognitiven, sondern auch im emotionalen, sprachlichen und physiologischen Bereich besonders beachtet. Ein erfahrener NLP-Berater kann durch das genaue Beobachten erkennbarer physiologischer Vorgänge und entsprechendes Kalibrieren hinreichend zuverlässig auf die innere Verarbeitung schließen. Diese Programme sind einerseits persönlichkeitsspezifisch und andererseits situationsspezifisch. Programm bedeutet, daß in spezifischen Situationen mentale Strategien bevorzugt genutzt werden, die in einer früheren Lebensphase gelernt und habitualisiert wurden, auch wenn sie den aktuellen Fähigkeiten und Ressourcen nicht mehr gerecht werden.
Als ein Therapie- oder Beratungsziel wird die Flexibilität des Klienten angestrebt, zusätzliche alternative Strategien einzuüben und automatisch oder zur freien Entscheidung verfügbar zu haben. Durch die Vorbilder hat sich dabei im NLP das Wertesystem der Humanistischen Psychologie erhalten, das von aktuellen Vertretern auch weiterentwickelt wird. Zweites wesentliches Therapieziel ist darum die ökologische Lösung: Sie soll sowohl persönlichkeitsgerecht (Innere Ökologie) als auch umweltverträglich sein (Äußere Ökologie). Solche Lösungen werden mit spezifischen Interventionen erarbeitet. Bei diesen Arbeiten werden NLP-Basistechniken wie Ankern und Trance sowie das Prinzip der Identifikation mit der guten Absicht, Submodalitäten, Wahrnehmungspositionen u.a.m. genutzt.
Die leichte Verständlichkeit und die Anwendbarkeit auf alltägliche Kommunikation hat NLP über die Therapie hinaus besonders auch in den Bereichen Management und Pädagogik populär gemacht, zumal es sich auch als leicht lehr- und lernbar erwiesen hat. Bei entsprechender Aufbereitung des Stoffes nach den spezifischen Repräsentationen eines Schülers steigern sich dessen Lernchancen häufig frappierend. Diese Einstellung auf den Kommunikationspartner (Pacing) macht eine pädagogische oder therapeutische Einflußnahme (Leading) überhaupt erst möglich. Mit dem Prinzip des Pacing hat NLP praktisch das Konzept der Empathie operationalisiert. Fortgeschrittene NLP-Anwender stellen sich nicht nur auf das Verhalten, sondern auch auf die Fähigkeiten (Strategien), Werte und Persönlichkeit ihres Partners ein. Rapport, Abgleich der Ziele und Prüfung der Ökologie sind unabdingbare Voraussetzungen für die Wahl einer NLP-Maßnahme.
Durch die starke Anwendungsorientierung und die Betonung der Individualität ist NLP mit den gängigen statistischen Methoden nur schwer evaluierbar. Neben der Face-Validity, die Klienten und Patienten unmittelbar erfahren, sind zwei wesentliche Variablen für Therapieerfolg im NLP explizit etabliert: die tragfähigeBeziehung zwischen Berater und Klient sowie die Erhöhung der Selbstaktualisierung des Klienten. Auch sprechen die Erfahrungswerte qualifizierter Berater und Therapeuten dafür, daß NLP als hocheffizientes und schnell wirksames System seinen Stellenwert in der modernen Psychologie hat und wesentliches Potential zu ihrer Weiterentwicklung bietet.

C.Bl.



Abb. Neurolinguistisches Programmieren. Modell von Blickhan und Ulsamer.

  • Die Autoren
Gerd Wenninger

Die konzeptionelle Entwicklung und rasche Umsetzung sowie die optimale Zusammenarbeit mit den Autoren sind das Ergebnis von 20 Jahren herausgeberischer Tätigkeit des Projektleiters. Gerd Wenninger ist Mitherausgeber des seit 1980 führenden Handwörterbuch der Psychologie, des Handbuch der Medienpsychologie, des Handbuch Arbeits-, Gesundheits- und Umweltschutz sowie Herausgeber der deutschen Ausgabe des Handbuch der Psychotherapie. Er ist Privatdozent an der Technischen Universität München, mit Schwerpunkt bei Lehre und Forschung im Bereich Umwelt- und Sicherheitspsychologie. Darüber hinaus arbeitet er freiberuflich als Unternehmensberater und Moderationstrainer.

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