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Lexikon der Psychologie: Nietzsche, Friedrich Wilhelm

Nietzsche, Friedrich Wilhelm, 1844–1900, Philosoph. Friedrich Nietzsche wurde in Röcken bei Lützen geboren und stammte aus einer Familie protestantischer Pastoren. Nach dem Tod seines Vaters im Alter von fünf Jahren wuchs er, ausschließlich von Frauen (Mutter, Großmutter, zwei Tanten, Schwester Elisabeth) umgeben, in Naumburg an der Saale auf. Er war ein vorzüglicher Schüler und begann bereits mit zehn Jahren, Gedichte zu schreiben. Nach dem Studium der klassischen Philologie und Theologie in Bonn 1864 folgte er seinem Lehrer F. W. Ritschl nach Leipzig und erhielt 1869 auf dessen Fürsprache hin noch vor Beendigung des Studiums eine Professur für klassische Philologie an der Universität Basel. 1870 nahm er kurzzeitig freiwillig als Krankenpfleger am Deutsch-Französischen Krieg teil. Sein Gesundheitszustand, insbesondere anhaltende Kopf- und Augenschmerzen, zwang Nietzsche 1879 dazu, seine Professur aufzugeben. Die folgenden zehn Jahre verbrachte er als Privatgelehrter in einem unruhigen Wanderleben mit intensiver Denk- und Schreibarbeit in Deutschland, Italien und der Schweiz. 1889 erlitt er in Turin einen psychischen Zusammenbruch und verlebte danach die Jahre bis zu seinem Tod in zunehmender geistiger Umnachtung in Jena, Naumburg und Weimar.
Neben der Kultur der griechischen Antike, vor allem der Philosophie Platons und Aristoteles', wurde er stark von dem Philosophen Arthur Schopenhauer und der Evolutionstheorie geprägt. Nietzsche, ein sprachlicher Meister des pointierten Aphorismus, übte als Philosoph und Dichter beträchtlichen Einfluß auf die Literatur, die Philosophie und das Denken des 20. Jahrhunderts aus und trug wichtige Ideen zur Psychologie bei. In seiner Philosophie nahm er entscheidende Aspekte der Existenzphilosophie vorweg. Nietzsche hielt die seinerzeitige abendländische Kultur für kulturlos, verdummend und wegen unerträglicher Mittelmäßigkeit zu überwindend, dem Christentum warf er eine “Sklavenmoral” vor, von der es sich loszusagen galt. In seiner Philosophie proklamierte er eine “Umwertung aller Werte”, er forderte ein neues, den Nihilismus einer Zwischenphase überwindendes Wertesystem, welches das herkömmliche der Massen durch eine “Herrenmoral” ersetzen sollte. Im Großen und Ganzen postuliert Nietzsches Denken einen “Willen zur Macht”, der in erster Linie auf Selbstbeherrschung als Voraussetzung für schöpferisch-kreative Schaffenskraft abzielt.
Friedrich Nietzsche entwickelte keine eigene systematische Psychologie. In seinem Werk – insbesondere in den zahlreichen Aphorismen – finden sich jedoch unzählige psychologische Anmerkungen und Abhandlungen, und die zeitgenössische Schulpsychologie griff er vehement an, da er sie für dürr und lebensfern hielt. Er übte starken Einfluß auf Sigmund Freud, Ludwig Klages, Ruth Benedict und Carl Gustav Jung aus und nahm insbesondere etliche Begrifflichkeiten der Tiefenpsychologie vorweg (so kreierte Nietzsche den Begriff des “Es”). Karl Jaspers, Martin Heidegger, Martin Buber, Albert Camus und Jean-Paul Sartre setzten sich in ihren Schriften intensiv mit seiner Philosophie auseinander.

Ge.Ti.

  • Die Autoren
Gerd Wenninger

Die konzeptionelle Entwicklung und rasche Umsetzung sowie die optimale Zusammenarbeit mit den Autoren sind das Ergebnis von 20 Jahren herausgeberischer Tätigkeit des Projektleiters. Gerd Wenninger ist Mitherausgeber des seit 1980 führenden Handwörterbuch der Psychologie, des Handbuch der Medienpsychologie, des Handbuch Arbeits-, Gesundheits- und Umweltschutz sowie Herausgeber der deutschen Ausgabe des Handbuch der Psychotherapie. Er ist Privatdozent an der Technischen Universität München, mit Schwerpunkt bei Lehre und Forschung im Bereich Umwelt- und Sicherheitspsychologie. Darüber hinaus arbeitet er freiberuflich als Unternehmensberater und Moderationstrainer.

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