Lexikon der Psychologie: Persönlichkeitstheorien
Persönlichkeitstheorien, Modelle, die inter- und intraindividuelle Unterschiede der Persönlichkeit zu beschreiben und erklären versuchen. In der Persönlichkeitsforschung existieren unterschiedlichste Ansätze und Theorien, eine übergreifende Persönlichkeitstheorie steht noch aus, auch wenn als Resultat jahrzehntelanger Persönlichkeitsforschung ein Modell entwickelt wurde (Big Five Persönlichkeitsfaktoren), dessen Faktoren derzeit als die empirisch am besten nachgewiesenen Persönlichkeitsmerkmale gelten. Eine mögliche Differenzierung der Persönlichkeitstheorien kann nach den Forschungsmethoden vorgenommen werden. Danach unterscheidet man qualitativ ausgerichtete, philosophisch orientierte Theorien und quantitativ ausgerichtete, faktorenanalytisch orientierte Theorien. a) Philosophisch orientierte Persönlichkeitstheorien basieren auf introspektiven Vorgehensweisen und sind eher deskriptiv und nicht auf das Erklären von Verhalten ausgerichtet. Persönlichkeit ist die im individuellen Lebensverlauf entwickelte Person. Ein Vertreter der philosphischen Persönlichkeitstheorie ist z.B. der die Ganzheitspsychologie repräsentierende F. Krueger. Philosophische Persönlichkeitstheorien finden sich v.a. im deutschsprachigen Raum; im US-amerikanischen Raum wurden die Theorien durch G. W. Allport, A. Maslow und C. Rogers weiterentwickelt. b) Faktorenanalytische Modelle sind v.a. mit den Namen R. B. Cattell, H.-J. Eysenck oder J. P. Guilford verknüpft. Allen diesen faktorenanalytischen Modellen liegt eine gemeinsame Struktur zugrunde. Ausgehend von einer großen Menge beobachteter Ausgangsdaten werden mit mathematischen Methoden sukzessive unabhängige Faktoren extrahiert, die als latente Persönlichkeitseigenschaften die beobachtbaren Verhaltensweisen bedingen.
1) Faktorentheorie nach R. B. Cattell: Persönlichkeit wird als die Gesamtheit der nicht-situativen Verhaltensbedingungen betrachtet, die eine Prognose ermöglicht, wie sich jemand in einer bestimmten Situation verhalten wird. Aus englischsprachigen Wörtern, die Erlebnisse und Verhaltensweisen bezeichnen, extrahiert Cattell 36 Oberflächeneigenschaften (surface traits), die voneinander abhängig sind. In einem zweiten Schritt können die Variablen auf 16 biploare Dimensionen reduziert werden, die z.T. mit den Dimensionen von H.-J. Eysenck und J. P. Guilford übereinstimmen und als Grundeigenschaften (source traits) bezeichnet werden (Persönlichkeits-Faktoren-Test 16 PF-R).
2) Faktorentheorie nach H.-J. Eysenck: Über eine systematische Zusammenfassung einzelner Verhaltensweisen (spezifische Reaktionen) extrahiert H.-J. Eysenck über habituelle Reaktionen das Niveau der Traits (hochkorrelierende habituelle Faktoren) und anschließend Typen (unabhängige Faktoren zweiter Ordnung). Seine drei fundamentalen unabhängigen Persönlichkeitseigenschaften sind Extraversion vs. Introversion, Neurotizismus und Psychotizismus, wobei Psychotizismus in der Regel nur abhängig von der Population gemessen werden kann. Tests, die sich auf die Persönlichkeitstheorie von H.-J. Eysenck beziehen, sind u.a. MMQ, EPI, HANES-KJ.
3) Faktorentheorie nach J. P. Guilford: Die Persönlichkeit besteht nach dieser Theorie aus einer einzigartigen Kombinationen von sieben Wesenszügen (traits), die nicht nur Verhaltensmerkmale: Bedürfnisse, Einstellungen, Interessen, Eignungen und Temperamente, sondern auch körperliche Merkmale beinhalten, die auf morphologischen und physiologischen Merkmalen basieren. Es finden sich schließlich vier Beschreibungsdimensionen: morphologische, physiologische, Eignungs- und Temperamentsdimensionen.
Persönlichkeitstheorien lassen sich jedoch nicht nur aufgrund der angewandten Methoden (philosophisch, faktorenanalytisch) klassifizieren, sondern unter dem Blickwinkel, mit dem die Persönlichkeit betrachtet wird. Psychodynamisch orientierte Persönlichkeitstheorien beziehen sich auf die analytischen Vorstellungen des Drei-Instanzenmodells nach S. Freud Der Situationismus postuliert die Abhängigkeit des Verhaltens von der aktuellen Situation und interaktionistische Modelle betonen die untrennbare gegenseitige Beeinflussung von Person und Situation (Persönlichkeitspsychologie).
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