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Lexikon der Psychologie: produktives Denken

produktives Denken, liegt dann vor, wenn eine Lösung eines Problems gefunden wird, die nicht aus dem Gedächtnis heraus verfügbar war. Ist das jedoch der Fall, spricht man von reproduktiven Denkvorgängen. Hier können Automatismen eine Rolle spielen, die der Denkpsychologe Otto Selz als ”reflexoide Zuordnungen" bezeichnet hat. Ein Problem hat im allgemeinen einen Anfangszustand (z.B. die Aufstellung der Schachfiguren bei Beginn des Spiels), mehrere Zwischenzustände (Eröffnung, Mittel- und Endspiel) sowie einen Endzustand (Matt, Remis oder Patt) (Problemlösen). In alltäglichen Problemlösesituationen fehlt im allgemeinen einer der Zustände. Systematisches Variieren erlaubter Zustandsänderungen kann schließlich zu einer der möglichen Lösungen führen. Dabei können zur Lösungsuche hin bestimmte Strategien angewandt werden. Der Denkpsychologe Karl Duncker hat in einer berühmten Analyse produktiver Denkvorgänge verschiedene solcher Strategien unterschieden; z.B. die Zielanalyse: "Was will ich eigentlich"; die Materialanalyse: "Was habe ich eigentlich für eine Zielerreichung verfügbar?"; die Konfliktanalyse: "Woran liegt es, daß ich nicht weiterkomme?" Dietrich Dörner hat eine besonders interessante Klasse von Problemsituationen geschaffen und analysiert. Es sind Problemsituationen hoher Komplexität, wie sie bei der ökonomischen Gestaltung von Gemeinwesen anfallen, z.B. in der Gestaltung von Siedlungsgebieten, bei der Verwaltung von Städten oder von Länderregionen. Das Zusammenwirken und die Wechselwirkung sehr vieler Komponenten und Faktoren machen hier den Problemraum nicht vollständig überschaubar, so daß nur Näherungslösungen entstehen können. Hier ist das Auffinden einer Lösung gar nicht so sehr gefragt, weil es die oft auch gar nicht gibt, sondern die Analyse zielt dahin, wie mehr oder weniger intelligente Versuchspersonen vorgehen, um Näherungslösungen oder Verbesserungen gegebener Zustände zu erreichen. Neuerdings werden wieder mehr klassisch-logische Problemstrukturen auf die Art ihrer psychologischen Verarbeitung hin untersucht. Dabei gelangen Fragen eines "inneren Modells" (mentale Modelle), d.h. der Rolle der subjektiven Repräsentation einer Problemsituation bei der Lösungsfindung in den Vordergrund.

F.K.

Literatur
Duncker, K. (1935). Zur Psychologie des produktiven Denkens. Berlin: Springer.
Dörner, D: (1983). Lohausen. Vom Umgang mit Unbestimmtheit und Komplexität. Bern: Huber.

  • Die Autoren
Gerd Wenninger

Die konzeptionelle Entwicklung und rasche Umsetzung sowie die optimale Zusammenarbeit mit den Autoren sind das Ergebnis von 20 Jahren herausgeberischer Tätigkeit des Projektleiters. Gerd Wenninger ist Mitherausgeber des seit 1980 führenden Handwörterbuch der Psychologie, des Handbuch der Medienpsychologie, des Handbuch Arbeits-, Gesundheits- und Umweltschutz sowie Herausgeber der deutschen Ausgabe des Handbuch der Psychotherapie. Er ist Privatdozent an der Technischen Universität München, mit Schwerpunkt bei Lehre und Forschung im Bereich Umwelt- und Sicherheitspsychologie. Darüber hinaus arbeitet er freiberuflich als Unternehmensberater und Moderationstrainer.

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