Zusatzbeitrag: Adaptive Optik an der Europäischen Südsternwarte
Seit dem Frühjahr 1993 betreibt die Europäische Südsternwarte (European Southern Observatory, ESO) ein adaptives optisches System am 3,60-Meter-Teleskop des La-Silla-Observatoriums in Chile. Dies ist weltweit das erste derartige System, das Astronomen allgemein für Beobachtungsprogramme zur Verfügung steht. Es ist während der letzten sieben Jahre aus einer Zusammenarbeit von französischen Wissenschaftlern und Forschern der ESO in mehreren Entwicklungsschritten entstanden.
Die erste Ausbaustufe der adaptiven Optik namens COME-ON umfaßte einen verformbaren Spiegel mit 19 Stellgliedern, einen Shack-Hartmann-Wellenfront-Sensor sowie ein Kontrollsystem mit einer Regelbandbreite von 9 Hertz. An ihrem Entstehen war ein Team unter Leitung von Pierre Léna und François Rigaut am Observatorium Paris-Meudon unter Mitarbeit von Fritz Merkle, damals bei der ESO, beteiligt. Es wurde in den Jahren 1990 und 1991 für Erprobungszwecke am Observatorium der Haute Provence in Frankreich sowie am 3,60-Meter-Teleskop der ESO eingesetzt. Eine weitere Gruppe unter Leitung von Gerard Rousset von der französischen staatlichen Organisation ONERA erweiterte das System (nunmehr COME-ON PLUS) um einen verformbaren Spiegel mit 52 Stellgliedern und einen zweiten, empfindlicheren Wellenfront-Sensor und verbesserte die Regelbandbreite auf 25 Hertz. Das Max-Planck-Institut für extraterrestrische Physik in Garching stellte eine Kamera für das nahe Infrarot (im Wellenlängenbereich von 1 bis 2,3 Mikrometern) für COME-ON PLUS zur Verfügung.
Gegenwärtig arbeitet eine Forschungsgruppe am Observatorium Paris-Meudon unter der Leitung von Jean-Luc Beuzit und Norbert Hubin von der ESO an der letzten Ausbaustufe namens ADONIS, die eine nochmals verbesserte Kontrollelektronik, ferngesteuerte mechanische Funktionen sowie eine weitere Kamera für den nahen Infrarot-Bereich bis 5 Mikrometer umfaßt. Ein hoher Grad an Automation soll den Betrieb am Teleskop durch den beobachtenden Astronomen erheblich vereinfachen. In der Nähe der kompensierten Bildebene ist zudem eine optische Bank angebracht, mit der weitere Experimente durchgeführt werden können.
ADONIS ist wie seine Vorgänger für die Beobachtung im nahen Infrarot mit natürlichen Leitsternen optimiert worden; dabei nutzt man aus Gründen der Effizienz den roten Spektralbereich des sichtbaren Lichts zur Wellenfront-Messung. Das Kontrollsystem unterstützt sowohl die zonale als auch die insbesondere bei lichtschwachen Leitsternen eingesetzte modale Korrektur (siehe Haupttext). Je nach Helligkeit des Leitsterns und Stärke der Turbulenz läßt sich die Zahl der korrigierten Moden einstellen und somit der Grad der Kompensation für die jeweiligen Verhältnisse optimieren. Auf diese Weise läßt sich verhindern, daß verstärktes Rauschen die Korrektur beeinträchtigt. Allerdings arbeitet die adaptive Optik bei einigen korrigierten Moden nicht mehr beugungsbegrenzt, und die Kompensation gelingt nur zum Teil. Mit ADONIS wird ein Spektralbereich erfaßt, den das Hubble-Weltraumteleskop gegenwärtig nicht zu nutzen vermag; zudem ist die Auflösung um 50 Prozent besser.
Bild 1 demonstriert die Leistungsfähigkeit von COME-ON PLUS an einem hellen Objekt. Das System ist so ausgelegt, daß sich mit Leitsternen von 13. Größe oder heller und bei durchschnittlicher atmosphärischer Turbulenz bei einer Wellenlänge von 2,2 Mikrometern beugungsbegrenzte Auflösung erreichen läßt. Bei geringerer Turbulenz ist dies sogar auch bei kürzeren Wellenlängen möglich.
Im allgemeinen sind Strahlungsquellen von astronomischem Interesse komplexer aufgebaut und die Beobachtungsbedingungen weniger günstig. Bild 2 zeigt eine Aufnahme des jungen Sternhaufens R136 im Doradus-Nebel in der Großen Magellanschen Wolke, die Bernhard Brandl und Bruce J. Sams vom Max-Planck-Institut für extraterrestrische Physik im Dezember 1993 gewonnen haben. Die Kompensation gelingt wegen des sehr komplexen Objekts zwar nur teilweise; dennoch lassen sich mehrere Dutzend Sterne mit Helligkeitsunterschieden von mehr als einem Faktor 100 unterscheiden. Diese Aufnahme stellt eine der komplexesten Quellen dar, die man bisher mit adaptiver Optik beobachtet hat.
Die Entwicklung der adaptiven Optik bei der ESO dient auch der Vorbereitung solcher Systeme für das Very Large Telescope (VLT), das auf dem Cerro Paranal in der Atacama-Wüste im Norden Chiles errichtet wird. Das VLT besteht aus vier Teleskopen mit jeweils 8 Metern Durchmesser, von denen jedes über eine adaptive Optik verfügen wird. Durch Zusammenschalten der Teleskope läßt sich dann eine Winkelauflösung erreichen, wie sie nur mit einem Spiegel von 130 Metern Durchmesser möglich wäre.
Aus: Spektrum der Wissenschaft 8 / 1994, Seite 54
© Spektrum der Wissenschaft Verlagsgesellschaft mbH
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