Editorial: Akzeptieren, ändern, ausgleichen
Der zweite Interviewpartner zum Thema "Stress" erschien nicht – er hatte Stress. Ein dringender Termin war ihm plötzlich in die Quere gekommen, woraufhin wir unser Gespräch allein mit dem Philosophen Ralf Konersmann führten. Der Kieler Gelehrte und erfolgreiche Sachbuchautor beschreibt die unsere Zeit prägende angespannte Rastlosigkeit gern mit dem älteren Begriff "Unruhe". Akribisch hat er deren Konjunktur über die Jahrhunderte analysiert. Sein Fazit: Einst machten wir die permanente Veränderung zur Norm unseres Daseins – jetzt zahlen wir den Preis dafür. In dieser Lesart sind auch stressbedingte Erkrankungen, für deren Behandlung wir Jahr für Jahr Milliarden aufwenden, die Konsequenzen eines Zeitgeistes, den wir selbst schufen.
Die neurowissenschaftliche Perspektive, die der spontan verhinderte zweite Experte in unser Interview einbringen sollte, finden Sie nun in einem gesonderten Beitrag. Autor Christian Wolf erklärt darin, was dauerhafte psychische Anspannung im Gehirn anrichtet. Bei seinen Recherchen stieß er darauf, dass Stress auch eine positive Seite haben kann. Zumindest kurzfristig treibt er unsere Geisteskraft zu Höchstleistungen an.
Umfragen zufolge fühlen wir uns immer mehr gehetzt, als Gesellschaft wie als Einzelne. Die Konsequenzen können dramatisch sein, von Depressionen über Tinnitus bis zur tödlichen Herzattacke. Wie also gegensteuern? Antworten hierauf gibt der wohl praxisnaheste Artikel unseres dreiteiligen Titelthemas. Der Psychologe und Journalist Joachim Retzbach sichtete dafür die Forschungsliteratur, befragte Experten und trug die sieben besten Strategien zusammen, dem Stress den Stachel zu nehmen. Drei von ihnen lassen sich auf eine Faustformel bringen: Akzeptieren, was ist. Ändern, was sich ändern lässt. Ausgleichen, was belastet.
Außerdem möchte ich Sie auf die verblüffende Geschichte von Johannes Mallow aufmerksam machen. Der 35-Jährige leidet seit seiner Jugend an einer genetisch verursachten Muskelerkrankung, die ihn körperlich immer stärker einschränkt. 2003 wurde er durch eine Fernsehsendung auf Gedächtnissport aufmerksam, 2012 errang er in London den Weltmeistertitel in dieser Disziplin!
Eine entspannte Lektüre wünscht Ihr
Carsten Könneker
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