Editorial: Albert und Alice im Wunderland
Liebe Leserin, lieber Leser,
kennen Sie "Alice im Wunderland"? Das erstmals 1865 erschienene Kinderbuch des englischen Autors Lewis Carroll ist nicht nur ein Klassiker der Weltliteratur; es ist auch bei Mathematikern und theoretischen Physikern sehr beliebt. Das liegt nicht nur an den skurrilen Gestalten und der herrlich albernen Handlung, sondern vor allem an der reichen Metaphorik – eine wahre Fundgrube für die Verbildlichung grundlegender Phänomene der scheinbar so spröden Naturwissenschaft.
Eine meiner Lieblingsgestalten in Carrolls Werk ist die Grinsekatze (im englischen Original: Cheshire cat). Vor Alices Augen verschwindet sie allmählich von der Schwanzspitze angefangen bis hinauf zu dem Grinsen, das noch einige Zeit zurückbleibt, nachdem alles andere schon verschwunden ist. Und wie es die Launen der Natur so wollen, scheint uns vom Titelbild dieses Hefts ein freundlich grinsendes Gesicht anzuschauen. Einige dieser Smiley-ähnlichen Strukturen sind in Wahrheit ferne Galaxien, deren Licht durch einen massereichen Galaxienhaufen im Vordergrund abgelenkt und verzerrt wurde. Astronomen haben inzwischen viele Beispiele für solche Gravitationslinsen im All gefunden. Sie bestätigten damit Einsteins allgemeine Relativitätstheorie, wonach Massen die Raumzeit krümmen und dadurch Lichtstrahlen ablenken. Der Kosmos ist sozusagen der Ort, an dem sich Albert Einstein und Alice im Wunderland begegnen.
Die fantastisch anmutende und dabei doch so reale Welt, die Einsteins Theorie beschreibt, ist Gegenstand unserer Titelgeschichte (S. 32). Dieser Artikel weist zugleich auf eine Ausstellung hin, die anlässlich des 100-jährigen Jubiläums der allgemeinen Relativitätstheorie in Berlin eröffnet wurde und anschließend in weiteren Städten zu sehen sein wird. Wenn Sie noch mehr zum Thema lesen möchten, empfehle ich Ihnen unser Dossier "Einsteins Kosmos", das seit November im Handel ist und auch unter www.spektrum.de/shop/ bezogen werden kann.
Herzlichst grüßt Ihr
Uwe Reichert
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