Robotik: Alduro schreitet voran
Mobile Roboter müssen auch mit schwierigem Gelände zurechtkommen. Das gelingt mit Beinen besser als auf Rädern.
Die Natur kennt keine Räder, konstatierte vor einigen Jahren der Fernsehjournalist Thomas Hauer. Diese Erfindung des Menschen erlaubt zwar ein schnelles Fortkommen und den Transport schwerer Lasten, doch sie versagt in unwegsamem Gelände. Je steiler und unebener der Untergrund, desto besser kommt man mit der natürlichen Bewegungsart zurecht: dem Gehen.
Laufmaschinen für Baustellen an Steilhängen, für Forstarbeiten oder für Räumeinsätze nach Bergrutschen gibt es bislang nur in Ansätzen. So genannte Schreitbagger ziehen sich mit ihrem Baggerlöffel vorwärts oder stützen sich damit auf, während Hinterräder sie anschieben. In einer Kooperation mit dem Institut für Robotik der Eidgenössisch-Technischen Hochschule Zürich und einer Schweizer Firma haben wir ein solches Gerät mit hydraulischen Beinen ausgestattet. Dieses Konzept roboTRAC wiederum war die Grundlage für ein weitgehend autonomes Schreitfahrwerk namens Alduro (Anthropomorphically Legged and Wheeled Duisburg Robot).
Rund 1,4 Tonnen schwer und mehrere Meter hoch wird das Gerät sein, das vier Beine durch die Welt tragen. Die Energie für die hydraulischen Antriebe und die Elektrik liefert ein Verbrennungsmotor. Alduro soll künftig eine Nutzlast von 300 Kilogramm befördern. Dazu gehört eine Arbeitsplattform, auf der auch ein Arbeitsgerät, beispielsweise ein Greifarm, eine Bohrlafette oder eine Baggerschaufel, montiert ist.
Alduros künstliche Gliedmaßen haben wir denen des Menschen nachempfunden – so erlauben bei Alduro Hüft-gelenke Drehungen in alle drei Raumrichtungen, Kniegelenke aber nur Bewegung in einer Richtung. Hydraulische Linearantriebe fungieren als Muskeln, allerdings müssen dazu die linearen Bewegungen ihrer Hydraulikzylinder in Drehungen der Gelenke umgesetzt werden. Das lässt sich beim Knie einfach bewerkstelligen: Der Zylinder wird zwischen Ober- und Unterschenkel montiert, wie ein Scharnier klappt das Gelenk hoch und runter. Die räumliche Bewegung der Hüfte hingegen erfordert schon einen komplexeren Mechanismus, der auch Kräfte umlenken kann. Im Endeffekt vermag jedes unserer technischen Beine – dem menschlichen ähnlich – zumindest im virtuellen Raum nach oben und zur Seite zu schwenken sowie sich um seine Längsachse zu drehen.
Dank dieser großen Beweglichkeit kann Alduro die Plattform auch auf schwierigem Untergrund recht gut in ihrer Lage halten. Soll die Maschine in nicht zu steilem und zu unebenem Gelände ihren Dienst tun, lassen sich die hinteren Fußteller auch durch Räder ersetzen. So wird aus einer vierbeinigen Gehmaschine ein Schreitfahrwerk, das immerhin vier Kilometer pro Stunde schnell sein dürfte.
Um das notwendige Regelungskonzept zu entwickeln, haben wir den Ro-boter mit allen seinen Komponenten zunächst auf dem Rechner virtuell erzeugt und simuliert. Ein solches Virtual Prototyping ist in der Industrie heute üblich, um schon zu einem frühen Zeitpunkt die Machbarkeit eines Vorhabens und die Konstruktionsvarianten zu testen. Damit wird der arbeits- und kostenintensive Aufbau realer Modelle – die allerdings zu einem späteren Zeitpunkt unabdingbar sind – deutlich reduziert.
Hydraulikknie und Vaterstolz
Solch ein virtueller Prototyp simuliert ein System oder Subsystem so realistisch wie unter der jeweiligen Fragestellung erforderlich. Er unterliegt den gleichen physikalischen Gesetzen wie das spätere reale Pendant. Der virtuelle Alduro besteht deshalb aus mechanischen und hydraulischen Anteilen sowie aus elektrischen und informationsverarbeitenden Komponenten.
Zur mathematischen Beschreibung eines solchen mechatronischen Systems eignen sich Zustandsgrößen und deren zeitliche Änderungen. Beim hydraulischen Subsystem ergeben sich dabei Gleichungen für den Druckaufbau in Zylindern, Schläuchen und Ventilen in Abhängigkeit vom strömenden Öl und von Druckunterschieden. Die Zustandsgrößen des mechanischen Subsystems sind Positionen und Geschwindigkeiten der zu bewegenden Körper; die Bewegungsgleichungen vermitteln den Zusammenhang von Beschleunigung und wirkenden Kräften. Beide Systeme sind miteinander verkoppelt: Beispielsweise bewirkt eine Druckänderung im Hydraulikzylinder eines Kniegelenks eine Bewegung zwischen Ober- und Unterschenkel, die aber wiederum den Volumenstrom im Zylinder modifiziert und so auf den Druck zurückwirkt.
Die Steuerung eines derart komplexen Systems muss weitgehend automatisch ablaufen – zu vieles hätte der Bediener sonst zu steuern. Um etwa ein Kippen zu vermeiden, darf immer nur ein Bein angehoben werden, zudem muss es zuvor entlastet werden. Deshalb gibt ein so genannter Gangmustergenerator fortlaufend je nach Gelände und den Eingaben des Bedieners die Schrittfolge vor und steuert die Hydraulikzylinder an. Bei der Schreit-Fahrwerk-Variante wird Alduro auf seinen beiden passiv rollenden Hinterrädern von den Vorderbeinen gezogen. Das erlaubt höhere Geschwindigkeit und Stabilität.
Um das Bedienen der komplexen Maschine zu erleichtern, sieht unser Konzept vor, die Maschine mit einem Joystick zu steuern. Es mag auch sinnvoll sein, Kippkräfte in den Joystick zurückzukoppeln – der Mensch spürt dann nämlich die Folgen extremer Eingaben.
Ein wichtiger Punkt beim Erstellen eines virtuellen Prototypen ist dessen Validierung, also der Nachweis, dass die zu untersuchenden Eigenschaften auch richtig modelliert wurden. Um die Genauigkeit des mechanischen und hydraulischen Modells zu überprüfen, haben wir deshalb aus den Vorgaben des virtuellen Prototypen ein reales Bein im Maßstab 1:1 gebaut und getestet. Der Prüfstand wurde so ausgelegt, dass es sich aus eigener Kraft auf- und abwärts bewegen konnte. Auf diese Weise haben wir die Belastungen in den Anschlussstellen an die Plattform untersucht. Sowohl die hier verwendeten hydraulischen Komponenten als auch das elektronische System sollen später das reale Gefährt voranbringen.
Die Designphase ist abgeschlossen. Manche Ungereimtheiten und Kinderkrankheiten ließen sich dank des virtuellen Prototyps vorab bereinigen. Im Laufe der nächsten Monate bauen wir eine echte Maschine, um sie im Gelände zu erproben. Sicher ist Alduro noch weit entfernt von Laufrobotern nach "Star Wars"-Art, aber Ähnlichkeiten glauben wir schon mit gewissem Väterstolz entdecken zu können.
Aus: Spektrum der Wissenschaft 9 / 2002, Seite 88
© Spektrum der Wissenschaft Verlagsgesellschaft mbH
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