Neuroplastizität: Eine Lesehilfe für den Kortex
Bis vor Kurzem galt die Ansicht, dass die Verschaltungen des Gehirns bei einer Person nach dem Erwachsenwerden mehr oder weniger unveränderlich sind. Sicherlich hielt man generell auch gelegentliche Justierungen für möglich, wenn etwas Neues gelernt wurde, doch darin sah man lediglich die Festigung einiger neuronaler Verbindungen und die Schwächung anderer. Ansonsten aber ging man davon aus, dass die Grundstruktur des Gehirns und seine verschiedenen Neuronennetzwerke so blieben, wie sie einmal waren. Hinzu kam die Überzeugung, dass die Unterschiede zwischen den individuellen Fähigkeiten hauptsächlich durch genetische Faktoren in den Verschaltungen des Gehirns bedingt waren und dass Lernen lediglich ein Mittel war, um sein genetisches Potenzial auszuschöpfen. Eine gängige Darstellung verglich das Gehirn mit einem Computer: Beim Lernen lädt man Daten oder installiert eine neue Software – und kann dann einige Dinge tun, zu denen man zuvor nicht in der Lage gewesen ist. Letztlich ist die Leistung aber stets abhängig von Dingen wie der Anzahl der Bytes im Arbeitsspeicher (RAM) und der Stärke des Prozessors (CPU).
Die Anpassungsfähigkeit des Körpers hingegen zeigte sich schon immer deutlicher. Eins meiner liebsten Beispiele für Anpassungsfähigkeit sind die Liegestütze. Ein relativ fitter Mann zwischen 20 und 30 Jahren wird wahrscheinlich 40 bis 50 schaffen; mit 100 kann man bei seinen Freunden Eindruck schinden und vielleicht ein paar Wetten gewinnen. Wo also liegt, glauben Sie, der Weltrekord? Bei 500 oder 1000? 1980 schaffte der Japaner Minoru Yoshida 10 507 Liegestütze ohne Pause.
Kurz gesagt: Der menschliche Körper ist ungeheuer anpassungsfähig. Und das trifft nicht nur auf die Skelettmuskulatur zu, sondern auch auf Herz, Lungen, Kreislauf, Energieträger und anderes – alles, was mit Körperkraft und Ausdauer zu tun hat. Inzwischen wissen wir, dass das Gehirn in ganz ähnlichem Maß und in ebenso vielfältiger Weise anpassungsfähig ist. ...
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