Alteuropäische Eisenzeit. Gräber Siedlungen Horte
Fundkomplexe aus dem siebten bis ersten vorchristlichen Jahrhundert spiegeln Einflüsse der Hallstattkultur des südlichen Mitteleuropa auf zeitgleiche archäologische Gruppen im mittel- und ostmitteleuropäischen Raum wider und weisen auf die Dominanz keltischer Stilelemente während der La-Tène-Zeit hin.
Die vorgeschichtliche Sammlung des Museums für Vor- und Frühgeschichte in Berlin hat selbst eine wechselvolle Geschichte hinter sich. Ihr Grundstock wurde bereits durch die Königliche Kunstkammer der Hohenzollern gelegt. Eine breit gefächerte Erwerbspolitik verhalf dem Museum spätestens seit der Gründung des Deutschen Reiches 1871 zu seiner Reputation als Ausstellungshaus für prähistorische Archäologie der Alten Welt.
Während des Zweiten Weltkrieges mußten das Museum geschlossen und große Teile der Bestände ausgelagert werden. Nach Kriegsende wurde vieles davon auf unterschiedliche Standorte in der nun geteilten Stadt zurückgeführt, doch blieben manche wertvolle Stücke verschollen oder tauchten später andernorts wieder auf wie der berühmte aus Troja stammende Goldschmuck, der sich heute im Moskauer Puschkin-Museum befindet.
Mit der Wiedervereinigung Deutschlands fand auch die Teilung der vorgeschichtlichen Sammlung ihr Ende. Bis 1992 konnten die ehemals westlichen und östlichen Teile im Museum für Vor- und Frühgeschichte im Langhansbau des Charlottenburger Schlosses zusammengeführt werden. Erste Bestandsaufnahmen zeigten, daß das Berliner Museum wieder einen beachtenswerten Platz innerhalb der europäischen Einrichtungen beanspruchen kann. Die Ausstellung „Alteuropäische Eisenzeit. Gräber – Siedlungen – Horte“ soll diesem Anspruch sichtbaren Ausdruck verleihen.
Die Hallstattzeit
Weite Teile Europas wurden in dieser Epoche vom 7. bis zum 5. Jahrhundert vor Christus, die vor allem durch den Beginn der Eisengewinnung und -verarbeitung gekennzeichnet und nach einem großen Gräberfeld bei Hallstatt in Oberösterreich benannt ist, von zwei ausgedehnten kulturellen Bereichen eingenommen: der Hallstatt- und der Lausitzer Kultur.
Die Hallstattkultur umfaßt die Artefakte jener Menschen, die in dieser Zeit den Raum zwischen dem Nordrand der Alpen und den deutschen Mittelgebirgen, zwischen Ostfrankreich, Böhmen und den Ostalpen besiedelten. Markantes Merkmal ist neben der Kenntnis der Eisenverarbeitung, die auf südliche und südöstliche Einflüsse zurückzuführen ist, das Auftreten griechischer und etruskischer Importgüter. Die Bestattungsriten umfaßten sowohl die Verbrennung als auch die Körperbestattung. Über dem Grab aufgeworfene Hügel machten die Stätte weithin sichtbar.
Nach Grabritus, Siedlungsstruktur und Sachkultur lassen sich ein westlicher und ein östlicher Hallstattkreis unterscheiden. In letzterem, der den Ostalpenraum und seine angrenzenden Gebiete umfaßt, konnten mehrfach aus Gräbern von Angehörigen der Oberschicht Brustpanzer und Helme aus Bronze sowie figural verzierte Gürtelbleche geborgen werden (Bild 1 oben). Szenische Darstellungen von Männern und Frauen bei der Ausübung von verschiedenen Tätigkeiten belegen Trachtkombinationen, Kriegerausrüstungen, Gerätschaften aus vergänglichem Material wie Wagen und Möbel sowie Opferzeremonien zu Ehren von Göttern und Toten. Wie Grabbeigaben erkennen lassen, schmückten sich sozial hervorgehobene Frauen im westlichen Fürstengräberkreis häufig mit Halsgehängen, die aus fünf bis acht Ringen bestanden, und mehreren Arm- und Ohrringen. Männergräber der gleichen sozialen Schicht enthielten Waffen, Pferdegeschirr und Wagen oder Teile von diesen. Geschirrsätze inkrustierter, graphitierter und bemalter Keramik vervollständigten das Inventar (Bild 1 unten).
Die Lausitzer Kultur ist dem mittel- und ostmitteleuropäischen Raum zwischen Weichsel und Oder zuzurechnen. Sie umfaßte ein Gebiet von etwa 400000 Quadratkilometern und bestand fast eintausend Jahre, vom 14. bis zum 5. vorchristlichen Jahrhundert. Ihr hervorstechendstes Merkmal ist die Brandbestattung der Toten und deren Beisetzung auf großen Urnenfeldern. Spätestens ab dem 7. Jahrhundert vor Christus entstanden kulturell eigenständige Gruppen; zugleich fand auch das Eisen als neuer Werkstoff in der Schmuck- und Geräteherstellung Verwendung.
Ab dem 6. Jahrhundert vor Christus führten wohl kriegerische Auseinandersetzungen untereinander, Einfälle der Skythen aus dem Bereich des Schwarzen Meeres sowie das Vordringen der Kelten von Westen her den allmählichen Niedergang der Lausitzer Kultur herbei. Ein Teil ihres Gebietes wurde später von germanischen Gruppen besiedelt.
Die La-Tène-Zeit
Am Nordufer des Neuenburger Sees in der Schweiz liegt der Ort La Tène (zu deutsch: Untiefe). Dort wurden Mitte des 19. Jahrhunderts mehr als 2500 Gegenstände aus Eisen gefunden, die inmitten zahlreicher Reste von Holzkonstruktionen lagen. Nach heutigen wissenschaftlichen Erkenntnissen war La Tène vom 3. bis 2. Jahrhundert vor Christus ein keltischer Opferplatz. Der Name dieser bedeutenden Fundstätte bezeichnet nun in der Archäologie die von den Kelten geprägte Kulturepoche Europas.
Nach dem griechischen Geschichtsschreiber Herodot (um 490 bis um 425 vor Christus) sind als Heimat der Kelten die Landstriche zwischen Mittelfrankreich und oberer Donau anzunehmen. In diesen durch den westlichen Hallstattkreis geprägten Gebieten fanden Mitte des 5. Jahrhunderts vor Christus infolge der engen Kontakte mit der griechischen und der etruskischen Gesellschaft sowie der Einflüsse aus dem venetischen Raum Veränderungen statt, die einen Kulturwandel herbeiführten. Im Kunsthandwerk kommt das neue Stilempfinden am deutlichsten zum Ausdruck. Metallarbeiten zeigen maskenhafte Tier- und Menschenköpfe sowie Leiber, die mitunter symbolisch miteinander verschmelzen.
Ab Beginn des 4. Jahrhunderts vor Christus fielen keltische Stämme in Italien ein, besetzten mehrere Monate lang Rom, unternahmen Raubzüge in den unteren Donauraum und drangen nach Griechenland vor, wo sie Delphi eroberten. Verschiedene Stammesteile – von den Griechen Galater genannt – zogen bis nach Kleinasien, wo sie sich nach Kämpfen gegen die Seleukiden niederließen. Bereits in den Jahrhunderten davor waren keltische Gruppen auf die iberische Halbinsel eingewandert.
Im ausgehenden 2. Jahrhundert vor Christus hatte die keltische Zivilisation schließlich ein Niveau erreicht, das zentrale Orte als Mittelpunkte für Wirtschaft, Handel und Kult erforderlich machte. Zugleich befanden sich dort die Sitze der Territorialfürsten, die auch Münzen prägen ließen. Gajus Julius Cäsar (100 bis 44 vor Christus) bezeichnete diese stadtähnlichen, zumeist befestigten Anlagen als Oppida. Einer dieser Zentralorte im süddeutschen Raum lag in der Nähe des heutigen Manching an der Donau und ist der Hauptort der keltischen Vindeliker gewesen. Das am weitesten in den germanischen Grenzbereich vorgeschobene Oppidum auf dem Kleinen Gleichberg bei Römhild in Thüringen ist heute als Steinsburg bekannt.
Die Germanen, die politisch ebenfalls in Stämme gegliedert waren, erreichten in den letzten vorchristlichen Jahrhunderten keineswegs den kulturellen Stand der Kelten. Trotz enger Kontakte zu ihren westlichen und südlichen Nachbarn blieben sie in ihrem bäuerlichen Milieu verhaftet. Güteraustausch ist archäologisch nachweisbar, aber in weit größerem Umfang ahmten die Germanen keltische Metallarbeiten nach beziehungsweise fertigten nach eigenem Geschmack keltisierende Trachtbestandteile und Schmuckstücke an.
Als aber germanische Volksgruppen im 1. Jahrhundert vor Christus immer stärker nach Süden und Westen vordrangen und sich gleichzeitig das römische Reich bis nach Gallien und nördlich der Alpen ausbreitete, endete die keltische Vorherrschaft in Mitteleuropa und damit die La-Tène-Zeit. Keltische Traditionen überdauerten die nächsten Jahrhunderte nur noch auf den britischen Inseln, besonders aber in Irland.
Die Ausstellung „Alteuropäische Eisenzeit. Gräber – Siedlungen – Horte“ führt den Besucher mit beeindruckenden Exponaten in diese frühe Kulturepoche Europas ein. Sie war ursprünglich als Sonderausstellung geplant, wurde jedoch zu einer Dauerausstellung erweitert und ist seit Dezember letzten Jahres im Museum für Vor- und Frühgeschichte, Staatliche Museen zu Berlin, Stiftung Preußischer Kulturbesitz, Schloß Charlottenburg, Langhansbau, Spandauer Damm 22, 14059 Berlin, zu sehen; sie stellt den ersten Abschnitt des Ausstellungsprojekts „Eisenzeit“ dar, das die Zeit bis zum Mittelalter umfaßt. Die Ausstellung ist geöffnet dienstags bis freitags von 10 bis 18 Uhr sowie samstags und sonntags von 11 bis 18 Uhr.
Aus: Spektrum der Wissenschaft 6 / 1998, Seite 90
© Spektrum der Wissenschaft Verlagsgesellschaft mbH
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