Am Rande: Kein Job für den Handyman
Tierversuche zeigen erstmals Beeinträchtigung des Langzeitgedächtnisses durch Handystrahlung.
Zwar haben offizielle Studien bislang keine Gesundheitsschäden durch elektromagnetische Strahlung nachweisen können, doch im Tierversuch deutet sich nun endlich an, was jeder vernünftige Mensch aus eigener Anschauung längst weiß: Handys machen dumm. Der Mann mit dem Ding am Ohr und dem markigen Blick, mitten auf der Kreuzung Geschäftsdaten austauschend, eine Hand am Lenkrad – er steuert schnurlos in Richtung Karriereknick. Selbst die Sechszehnjährige mit dem knallbunten Handy von Oma, die durch die Fußgängerzone drängelt und dabei Privates unter die Leute bringt – sie verbaut sich gerade die berufliche Zukunft.
Denn wie der Mensch, so braucht auch der Nager einen leistungsfähigen Informationsspeicher im Kopf, und den beeinträchtigen gepulste Mikrowellen, also Strahlung, wie sie auch ein Handy aussendet. Das jedenfalls fanden Forscher an der Universität von Washington in Seattle heraus. Sie setzten Ratten in eine trübe Brühe, in der eine Plattform unter dem Wasserspiegel unwilligen Schwimmern Rettung bot. Eine Minute hatten die Tierchen Zeit, die Plattform zu entdecken und sich die Position zu merken, dann mußten sie von einem anderen Ausgangspunkt erneut starten.
Unbestrahlte lernten recht schnell und ließen sich von derartigen Schika-nen nicht beirren, eine Stunde lang bestrahlte hingegen taten sich deutlich schwerer. Selbst als die Plattform heimtückisch entfernt wurde, sammelte sich die Kontrollgruppe verzweifelt an der nämlichen Stelle, die Handy-Ratten hingegen schwammen eher ziellos um-her und versuchten, dem Becken zu entkommen.
Dem Langzeitgedächtnis, so schlossen die Wissenschaftler, bekommen die gepulsten Mikrowellen nicht. Jedenfalls dem rättlichen. Und wie steht’s mit dem Gehirn des Menschen? Dessen Informationsspeicher ist für ihn unverzichtbar und wird auch immer bedeutender: Mobilität setzt unter anderem die Fähigkeit voraus, sich eine neue Adresse merken zu können; gegen Hacker im firmeneigenen Datennetz empfiehlt sich der regelmäßige Passwort-Wechsel; die Bank verschickt alle paar Jahre eine neue Scheckkarten-PIN, und außerdem ist lebenslanges Lernen Pflicht.
Wie wäre es mit einer Aufschrift auf jedem Handy: Stundenlanges Telephonieren gefährdet Ihre Geisteskraft? Zum Glück haben die Hersteller selbst die Gefahr längst erkannt. So-fern ein paar Eckdaten wie PINs und Kennworte hinterlegt sind (etwa auf dem gu-ten alten Spickzettel in der Hosentasche), liefern neueste Modelle selbst schwer Geschädigten existentiell wichtige Anga-ben: Auf die Frage "Wo bin ich?" antwortet das integrierte GPS-Navigationssystem, auf "Wer bin ich?" die Internet-Suchmaschine.
Aus: Spektrum der Wissenschaft 2 / 2000, Seite 83
© Spektrum der Wissenschaft Verlagsgesellschaft mbH
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