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Am Rande: Schöner Leben mit der Robot-Oma

Klaus-Dieter Linsmeier stellt sich die Zukunft vor


Es waren einmal drei Brüder", begann Großmutter zu erzählen und schob ihre Brille zurecht. "Und ohne diese drei sähe unsere Welt nicht so wunderbar aus." Erwartungsvoll rutschten die Kinder auf dem Boden hin und her. Großmutter lächelte.

"Der Eine war von Beruf Kommunikator. Noch als Student erfand er im Jahre 2001 einen Toaster mit Internet-Anschluss. Selbst die renommierte Zeitschrift "Nature" berichtete darüber am 19. April im Band 410. Wenn ihr unter der Marmelade eine Sonne seht, dann wisst ihr, dass das Wetter gut wird, und das verdankt ihr ihm.
Und natürlich den Kühlschrank, der sich immer füllt, sodass keiner mehr Hunger leiden muss, der einen Kryoschlaraff besitzt."

Großmutter räusperte sich.

"Der Zweite arbeitete als Gewebe-Ingenieur. Er erfand bald darauf die Haut mit Memoryfasern. Deren Formgedächtnis bewahrt vielen Menschen ihr jugendliches Aussehen bis zum Tode." Sie legte eine kleine Pause ein, um die Spannung zu erhöhen. "Der Jüngste aber war der Klügste unter den Brüdern. Das war kein Wunder, denn seine Eltern hatten enorm in seinen Genpool investiert. Ihm verdanken die Menschen den Erleuchtungs-Chip, der die Menschen glücklich macht und ihnen Weisheit gibt. Seitdem herrschen Friede und Liebe selbst in den ärmsten Ländern dieser Welt." Großmutter stockte. Die Augen schlossen sich langsam, und ihr Kopf sank vornüber.

"Oma hat schon wieder keinen Saft mehr", moserte der Junge. "Wann bringt Dad sie endlich zur Destruktion?" Seine Schwester nickte. "Müllers haben eine Großmutter, die läuft 24 Stunden ohne Download und schaukelt eine Woche lang im Stand-by."

Sie schubsten und traten den Androiden, doch ohne Erfolg. Großmutter rührte sich nicht mehr. "Und was machen wir jetzt?", fragte der Junge gelangweilt. "Du, ich habe zwei Beta-Versionen des neuen Erleuchtungs-Chips. Damit kann man noch höher schweben." "Hoffentlich hat er keine Bugs, bei den Betas weiß man nie!"

Der Junge rannte los und holte die Chips, die Kinder schoben sie in ihre Gehirn-Schnittstellen und waren alsbald von göttlicher Erleuchtung erfüllt.

Wunderbare Mandalas vor Augen lösten sie sich vom Boden und schwebten langsam höher, kreisten über der bewegungslosen Großmutter, die im Spannungskoma lächelte.

Ein warnender Gedanke wurde kurz eingeblendet: "Severe System Error: Love agent failure in Lobus frontalis at H00074889764X." Dann war wieder reine Freude. Und Liebe erfüllte den Raum ... erfüllte den Raum ... erfüllte den Raum ...

Aus: Spektrum der Wissenschaft 7 / 2001, Seite 88
© Spektrum der Wissenschaft Verlagsgesellschaft mbH

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