Warum Physikerinnen immer eine Alternative haben


Diskriminierung in der Physik? Nein, im Gegenteil! Weibliche Minderheiten werden sogar in Physikerkreisen gerne toleriert. Über Diskriminierung kann ich mich wirklich nicht beklagen. Fast nicht.

Vielleicht einmal, ja ein einziges Mal, ist es dann doch passiert. Ganz unerwartet schlug sie zu – aber nicht an der Uni, wie besorgte Freunde schon lange befürchteten, sondern beim Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt, kurz DLR.

Die Raumfahrtagentur hatte zu einer allgemeinen Informationsveranstaltung über Berufsaussichten in der Branche geladen. In einer großen interessierten Gruppe, mit zugegeben nicht ganz ausgeglichenem Geschlechterverhältnis, wurden wir durch die Kölner Räumlichkeiten geschleust. Vorbei am Modell der Raumstation Mir streiften wir durch diverse Hallen, während uns der freundliche, selbstverständlich männliche, Mitarbeiter bereitwillig alles über die aktuellen Projekte erzählte, Fragen beantwortete und darauf achtete, daß kein unachtsamer Jungphysiker vor lauter Neugier im Dschungel der Experimentaufbauten verloren ging. "Die Aussichten für Berufseinsteiger sind hier ausgezeichnet", versuchte er uns abschließend zu ermuntern. "Bei so vielen physikalisch-technischen Aufgaben können wir jederzeit neue Männer gebrauchen." Kein Problem, auch ich hätte mich durchaus angesprochen gefühlt. Ich will da nicht kleinlich sein. Das war bestimmt nur so daher gesagt, nicht so gemeint. Oder doch? Denn ganz unvermittelt unterbrach unser Führer seinen begeisterten Redeschwall. Wir konnten den Gedanken fast von seiner Stirn ablesen:

Frauen!!!" – Waren sie plötzlich aufgetaucht oder etwa schon die ganze Zeit mitgelaufen? Offensichtlich schien diese Erkenntnis unserem eben noch so wortgewandten Herrn gehörige Zweifel zu bereiten. An sich selber, den Naturgesetzen im allgemeinen? Wer weiß!

Doch er wäre kein guter Physiker, hätte er das Problem nicht blitzschnell erfaßt und auch ebenso rasch gelöst. Wieder gefangen fügte er strahlend hinzu "... und natürlich brauchen wir auch Frauen. Schreibkräfte werden immer gesucht!"


Aus: Spektrum der Wissenschaft 2 / 2000, Seite 96
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