Neuroprothesen: Noch einmal mit Gefühl!
Seit einem Schlaganfall ist Cathy Hutchinson vom Hals abwärts gelähmt. Reglos sitzt die 58-Jährige in ihrem Rollstuhl, aus ihrem Kopf ragt ein Kabel. Sie starrt auf eine Flasche mit Trinkhalm, die vor ihr auf dem Tisch steht. Hoch konzentriert verfolgt sie, wie der Roboterarm langsam über den Tisch wandert, das Getränk greift und schließlich an ihre Lippen führt. Erst nachdem es der Frau gelungen ist, einen Schluck zu trinken, erscheint auf ihrem Gesicht ein entspanntes Lächeln.
Die Szene verdeutlicht die enormen Fortschritte der gehirngesteuerten Prothetik in den vergangenen 15 Jahren. Ratten mit implantierten Elektroden können Roboterarme bewegen, Affen spielen, ohne einen Finger zu rühren, Videospiele und nahezu vollständig gelähmte Menschen trinken Kaffee – einzig und allein, indem sie an die betreffenden Bewegungen "denken". Im selben rasanten Tempo optimierten Wissenschaftler künstliche Gliedmaßen: Heute können die Träger von Prothesen einzelne Finger und mehr als zwei Dutzend Gelenke bewegen. Doch Cathy Hutchinsons gebannter Blick auf den Roboterarm zeigt, dass ein entscheidendes Element dabei bislang fehlte: Sie sieht, was die Prothese tut, aber sie fühlt es nicht. Auch Igor Spetic aus Madison in Ohio weiß aus eigener Erfahrung, wie unbeholfen man sich anstellt, wenn die sensorische Rückmeldung fehlt. Nach einem Unfall ersetzten Ärzte seine rechte Hand durch eine Prothese. Er zerbricht Geschirr, zerquetscht Obst und ließ in einem Geschäft auch schon einmal eine Kanne fallen. Könnte er mit der Prothese Berührungen fühlen, wäre das fantastisch, sagt Spetic: "Dann wäre ich einen Schritt näher an einer echten Hand."
Forscher arbeiten bereits daran, ihm diesen Wunsch zu erfüllen. Die relevanten Signale des Gehirns können sie lesen. Doch wie lassen sich umgekehrt die sensorischen Informationen an das Nervensystem übermitteln? Ein kniffliges Problem: Eine Empfindung beruht auf der Auswertung unzähliger Informationen – sonst könnten wir nicht einmal einen kratzigen Wollpulli von einer glatten Glasflasche unterscheiden.
Herkömmliche Prothesen geben ihren Trägern zwar ein kleines Maß an Feedback. So lässt sich eine typische Hook-Handprothese über eine Art Gurt durch andere Körperteile steuern, etwa mit der Schulter: Greift der Patient einen Gegenstand, spürt er dort einen Widerstand. Wer dagegen eine motorisierte Prothese nutzt, die über elektrische Signale aus den Muskeln des Armstumpfs gesteuert wird, fühlt beim Zugreifen einen leichten Druck, oder er hört ein etwas verändertes Geräusch. Forscher haben auch versucht, ihren Patienten durch künstlich erzeugte Vibrationen, Druckluft oder elektrische Reizung ein Feedback zu vermitteln. Doch nichts davon fühlt sich echt an. Vielleicht tragen viele Betroffene ihre Prothesen deshalb so ungern – sie empfinden sie einfach nicht als zu ihrem Körper gehörig.
Naturgetreue Sinneseindrücke zu erschaffen ist ein ehrgeiziges Ziel ...
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