Emotionen: Andere Sprachen, andere Gefühle
In vielen Sprachen gibt es Wörter für Emotionen, die sich nur schwer in eine andere Sprache übersetzen lassen. So bezeichnet etwa der portugiesische Begriff »saudade« ein Gefühl tiefer Melancholie, das durch das Verlangen nach etwas entsteht, was abwesend oder verloren ist. Eine Untersuchung von Wissenschaftlern um Joshua Conrad Jackson von der University of North Carolina in Chapel Hill zeigt nun, dass solche Wörter keine Einzelfälle sind. Die Forscher nahmen das Emotionsvokabular von 2474 Sprachen aus 20 verschiedenen Sprachfamilien unter die Lupe und stießen dabei auf deutliche Unterschiede, wie Gefühle in den einzelnen Kulturen geäußert werden.
Jackson und seine Kollegen erstellten dafür Netzwerke von Wörtern, die mehrere verwandte Bedeutungen haben. So entdeckten sie, dass die Begriffe für Emotionen zwischen den Sprachen in ihrer Bedeutung variieren können – selbst dann, wenn sie in Wörterbüchern als Übersetzungen voneinander auftauchen. Als Beispiel dafür führen sie das Konzept der Überraschung an, das in austronesischen Sprachen (die etwa in Taiwan und auf den Philippinen gesprochen werden) eng mit Angst verknüpft ist, während die Sprecher der Tai-Kadai-Sprachen (zu denen Thailändisch und das chinesische Zhuang zählen) damit eher Hoffnung verbinden. »Sie können sich vorstellen, wie Sprecher dieser Sprachen reagieren könnten, wenn Personen hinter Möbeln oder aus einem dunklen Raum hervorspringen und ›Überraschung!‹ rufen«, so Jackson.
Die Analyse der Wissenschaftler zeigt auch, dass Sprachen mit ähnlichen Netzwerken oft in räumlicher Nähe zueinander gesprochen werden. Das lässt darauf schließen, dass Migration und Handel die Bedeutung der Emotionsbegriffe beeinflusst haben – oder die Abstammung von einer gemeinsamen Protosprache.
Einige Muster konnten die Wissenschaftler jedoch über nahezu alle Sprachen hinweg ausmachen: So gehörten positiv und negativ besetzte Emotionsbegriffe nur selten zu denselben Netzwerken.
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