Telearbeit: Arbeitsplatz zu Hause weniger Verkehr?
Immer noch sind Bürokomplexe, in die sich Pendlerströme ergießen, aus Metropolen nicht wegzudenken. Dank des Trends zur Telearbeit könnte sich dieses Bild bald wandeln.
In den letzten Jahren hat sich die Zahl der Telearbeiter in Deutschland von wenigen Hunderttausend auf 2,1 Millionen erhöht. Nach einer Erhebung der Emperica Gesellschaft für Kommunikations- und Technologieforschung arbeiten hierzulande dennoch erst sechs Prozent der Werktätigen im Heimbüro. Weiter verbreitet ist diese Arbeitsform in den Niederlanden (14,5 Prozent), Schweden (15,2 Prozent), Finnland (18,6 Prozent) und den USA (22 Prozent). Erst im Jahr 2005 wird Deutschland der Studie zufolge diesen Rückstand aufgeholt haben. Nicht nur für die Telearbeiter, sondern auch für die Firmen liegen die Vorteile auf der Hand: Sie müssen eine entsprechend geringere Anzahl von Büros vorhalten, sparen Miet- und Wartungskosten und im Allgemeinen steigt auch die Produktivität der Mitarbeiter.
Prognosen des Berliner Instituts für Zukunftsstudien und Technologiebewertung sagen voraus, dass bei konsequenter Nutzung der Informations- und Kommunikationstechnologien innerhalb von zehn Jahren der Berufsverkehr in Deutschland um zwanzig bis dreißig Prozent sinken könnte. Eine Million Telearbeitsplätze, sagt auch das Institut der deutschen Wirtschaft in Köln, würden den Verkehr um jährlich vier Milliarden Kilometer Fahrleistung entlasten. Dadurch würden Staus vermieden und Schadstoffemissionen reduziert. Beweisen lässt sich diese Hypothese allerdings nicht, denn Untersuchungen zu den Umweltauswirkungen sind rar.
Die Kehrseite der Medaille, monie ren Kritiker, ist die Zunahme der privaten Fahrten. Schon heute entfällt nur etwa die Hälfte der gefahrenen Kilometer auf Fahrten zum Arbeitsplatz oder für Geschäftsreisen, der Rest sind Freizeitfahrten. Während bestimmte Touren entfallen, würden auf der anderen Seite neue geschaffen, gibt auch das IPTS (Institute for Prospective Technological Studies der Europäischen Kommission) zu bedenken. Derjenige, der nur ein oder zwei Tage pro Woche zur Arbeit fahren muss, so die Autoren, sei auch eher bereit, eine längere Fahrstrecke in Kauf zu nehmen. Er wandere unter Umständen aus dem Ballungszentrum in eine ländliche Region ab. Damit fallen weniger, dafür aber längere Fahrten an.
Aus: Spektrum der Wissenschaft 10 / 2000, Seite 92
© Spektrum der Wissenschaft Verlagsgesellschaft mbH
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