Archäologie: Begann die Antike früher?
»Singe den Zorn, o Göttin, des Peleiaden Achilleus«, begann Homer seine »Ilias«, in der er mit kunstvollen Verszeilen die dramatische Schlussphase des Trojanischen Kriegs schilderte. Er verarbeitete dabei jahrhundertealte mündliche Überlieferungen – und schrieb sie nieder. Wann die Griechen aus den schriftlosen »Dunklen Jahrhunderten« heraustraten, die auf den Untergang der mykenischen Paläste und das Ende der Bronzezeit folgten, wissen Klassische Archäologen seit den späten 1960er Jahren: Die Morgenröte einer neuen Zeit dämmerte im 8. Jahrhundert v. Chr. In jener Phase entstanden Stadtstaaten und Kolonien, Fernhandel, die griechische Schrift und Literatur.
Oder begann das alles vielleicht deutlich früher? Seit einigen Jahren kommt die sicher geglaubte Chronologie jener Epoche, der frühen Eisenzeit, immer wieder auf den Prüfstand. Die jüngste Kritik erfolgte im Mai 2020 von Stefanos Gimatzidis vom Österreichischen Archäologischen Institut in Wien und seinem Kölner Kollegen Bernhard Weninger, einem renommierten Radiokarbonexperten. Ihr Einwurf beruht auf Keramiken und Knochen von der nordgriechischen Fundstätte Sindos. Zwar können die beiden Forscher den Übergang zur Archaik um 700 v. Chr., der Epoche Homers, nicht sicher fassen, ebenso wenig den Ausklang der Bronzezeit und den Eintritt Griechenlands in die Dunkelheit. Doch das Dazwischen datieren sie mit noch nicht da gewesener Präzision und setzen der konventionellen Chronologie eine Alternative entgegen …
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