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Astronomie im Extremen Ultraviolett

Einst hielt man es für unmöglich, astronomische Beobachtungen in diesem schmalen Bereich des elektromagnetischen Spektrums durchzuführen. Mittlerweile sind aber verschiedene Experimente gelungen und haben wichtige Erkenntnisse erbracht. Eines der dafür entwickelten Instrumente ist der Extreme Ultraviolet Explorer.

Am Mittag des 7. Juni 1992 sah ich erwartungsvoll einer Delta- II-Rakete nach, die von ihrer Startrampe in Cape Canaveral (Florida) abhob. Eine Stunde später setzte sie ihre Nutzlast, den Extreme Ultraviolet Explorer (EUVE), in einer Höhe von 550 Kilometern in eine Erdumlaufbahn aus.

Die Leistung dieses Satelliten der amerikanischen Luft- und Raumfahrtbehörde NASA, der den Himmel im Wellenlängenbereich zwischen 10 und 100 Nanometern (millionstel Millimetern) erkundet, hat alle Erwartungen übertroffen. Weil die Erdatmosphäre diese kurzwellige Strahlung absorbiert, ließ sich erst vom Orbit aus nachweisen, daß eine große Vielfalt astronomischer Objekte auch in diesem Spektralbereich – dem extremen Ultraviolett (EUV) – zu erkennen ist: Weiße Zwerge, Sterne mit aktiver Korona, Neutronensterne und selbst die Planeten in unserem Sonnensystem. Zehn der von EUVE detektierten Quellen befinden sich sogar außerhalb des Milchstraßensystems; der Befund war um so verblüffender, als nach der vordem gängigen Lehrmeinung das interstellare Gas die gesamte EUV-Strahlung selbst von nahen Sternen absorbieren sollte.

Bereits eine Zwischenbilanz der bisherigen Messungen zwingt dazu, die Vorstellungen von heißen jungen Sternen und Weißen Zwergen zu revidieren. Aus den Daten ergeben sich auch neue Erkenntnisse über stellare Koronen, das interstellare Medium und die Planeten in unserer unmittelbaren kosmischen Umgebung.

Erste Erfolge

Für mich und meine Mitarbeiter, die sich der Astronomie im extremen Ultraviolett verschrieben haben, bilden Bau und Start des EUVE-Satelliten sowie seine Entdeckungen den Höhepunkt einer Entwicklung, die vor mehr als zwei Jahrzehnten begonnen hat. Der Erfolg ist um so bedeutsamer, als solche Forschungsbemühungen lange als verfehlt abgetan wurden.

Die Skepsis beruhte zum einen auf der Annahme, das im interstellaren Raum befindliche Gas sei gleichförmig verteilt. Die mittlere Dichte von Wasserstoff schätzte man in den sechziger und frühen siebziger Jahren auf ein Atom pro Kubikzentimeter; Helium und andere Elemente sollten in geringerer Konzentration vorhanden sein. Bei einer homogenen Verteilung dieser Gase innerhalb des Milchstraßensystems wäre demnach zu erwarten gewesen, daß nur die EUV-Strahlung der Sonne die Erde erreicht; diejenige von anderen Sternen würde durch das interstellare Medium vollständig absorbiert.

Zum anderen gab es ein technisches Hindernis: Man verfügte damals selbst für Laborzwecke über keine oder nur sehr primitive Meßgeräte für diesen Bereich des elektromagnetischen Spektrums. An einen Einsatz in Höhenforschungsraketen oder Satelliten war kaum zu denken.

Unmittelbar nach meiner Promotion in Physik mit einer Arbeit über Röntgenastronomie begann ich einige noch wenig ausgefeilte Instrumente zum Nachweis extrem ultravioletter Strahlung zu entwickeln. Damit die letzte Bastion der beobachtenden Astronomie anzugehen reizte mich. Da ich formal keine Ausbildung in diesem Fach hatte, schreckte mich die pessimistische Einschätzung eines solchen Unterfangens wenig, wenngleich ich sie nicht einfach ignorieren konnte.

Kurz nachdem ich 1967 an die Universität von Kalifornien in Berkeley gekommen war, formulierte dort George B. Field die Hypothese, die interstellare Materie könne durchaus unregelmäßig verteilt sein und ihre Dichte in manchen Richtungen nur ein Zehntel des Mittelwerts betragen. In diesem Falle würde die extrem ultraviolette Strahlung zehnmal weiter vordringen und das im EUV-Licht beobachtbare Volumen tausendfach größer sein als gemeinhin angenommen; die Anzahl der möglicherweise zu erkennenden Strahlungsquellen wäre dann ebenfalls tausendmal größer. Soweit die Theorie – wie aber stünden die Chancen in der Praxis? Dem beschloß ich nachzugehen.

Von 1968 an leitete ich in Berkeley eine Gruppe von Doktoranden und jüngeren promovierten Wissenschaftlern, die ich für dieses exotische Gebiet begeistern konnte. Besonders schwierig war es, Zugang zu irgendeinem Trägersystem zu bekommen. Schließlich erlaubte eine bescheidene finanzielle Förderung der NASA den Einsatz von Höhenforschungsraketen, um neue Techniken für die EUV-Astronomie zu erproben und zu bewerten. Die Meßdauer war dabei allerdings auf etwa fünf Minuten beschränkt – die Zeit, in der sich die Raketen vor ihrem Rücksturz zur Erde oberhalb der Atmosphäre aufhielten.

Immerhin konnte ich anschließend ein Projekt leiten, das den Einsatz eines – nach heutigem Standard sehr einfachen – EUV-Teleskops während des ersten amerikanisch-sowjetischen Raumfluges vorsah. Die NASA wählte unseren Vorschlag aus, und so führte im Juli 1975 die Kapsel Apollo 18, die insgesamt neun Tage im Orbit blieb und vier Tage mit Sojus 19 verbunden war, das Instrument mit.

Wir fanden vier Quellen von EUV-Strahlung: Zwei erwiesen sich als heiße Weiße Zwerge und eine als Stern mit einer aktiven Korona; die vierte war das Doppelsternsystem SS Cygni, ein kataklysmischer Veränderlicher, dessen Helligkeit gelegentlich um das Fünf- bis Hundertfache anschwillt. Da die Weißen Zwerge und SS Cygni 100 bis 200 Lichtjahre von der Erde entfernt sind, war das Experiment ein Beleg dafür, daß EUV-Strahlung zumindest in einigen Richtungen das interstellare Medium über astronomische Distanzen hinweg zu durchdringen vermochte.

Dieses Ergebnis brachte uns ein großes Stück weiter. Auf die Ankündigung eines amerikanischen Forschungssatellitenprogramms reichten wir einen Antrag zur Entwicklung von Instrumenten ein, mit denen sich der gesamte Himmel im extrem ultravioletten Spektralbereich durchmustern lassen konnte. Die NASA stimmte zu, und so begann die Arbeit bis hin zum Einsatz des Extreme Ultraviolet Explorer.

Nicht alle Hindernisse waren technischer Art. Anfangs bekamen wir nur wenig finanzielle Unterstützung; und trotz des Erfolgs bei der Apollo-Sojus-Mission empfahl 1979 ein Bericht der Nationalen Akademie der Wissenschaften der USA, das EUVE-Projekt abzubrechen – mit dem Hinweis, es würden vermutlich weniger als ein Dutzend EUV-Quellen entdeckt werden können. Wir haben es der NASA zu verdanken, daß wir unsere Forschungen fortsetzen konnten.

Entwicklung der Komponenten

Fokussierung, Nachweis und Analyse der hochenergetischen EUV-Strahlung erfordern Geräte, die sich wesentlich von den herkömmlichen optischen Instrumenten unterscheiden. Wollte man beispielsweise für die Abbildung ein gewöhnliches Spiegelteleskop benutzen, bei dem die Lichtstrahlen sehr steil auf die reflektierende Oberfläche auftreffen, würde der Strahlungsanteil mit Wellenlängen unter etwa 50 Nanometern vom Spiegel absorbiert.

Bei streifendem Einfall jedoch wird auch kurzwellige Strahlung reflektiert. Derartige Teleskope, bei denen der Einfallswinkel – der sogenannte Glanzwinkel – sehr klein ist, wurden erstmals für die Röntgenastronomie entwickelt. Sie gehen auf eine Erfindung des Kieler Physikers Hans Wolter aus dem Jahre 1951 zurück. Auch extremes Ultraviolett läßt sich mit den nach ihm benannten Instrumenten fokussieren (Bild 3). Allerdings ist die Herstellung der Spiegel sehr schwierig, weil ihre Oberflächen äußerst präzise geschliffen und poliert sein müssen. Nur wenige der vergleichsweise einfachen und preiswerten Verfahren, die man für die Herstellung optischer Fernrohre verwendet, lassen sich für Wolter-Teleskope einsetzen.

Für ein Forschungsgebiet, das seine Berechtigung erst noch beweisen mußte, wären die Herstellungskosten für einen geeigneten Spiegel aus Glas unakzeptabel hoch gewesen. Mit dreien meiner Doktoranden entwickelte ich dehalb metallene: Aluminium, das sorgfältig in die erforderliche Form gebracht worden war, überzogen wir mit Nickel, um die Oberfläche gut polieren zu können, und dampften anschließend noch eine dünne Goldschicht zur Optimierung des Reflexionsvermögens auf.

Dabei unterstützte uns das wenige Kilometer östlich von Berkeley gelegene Lawrence-Livermore-Nationallaboratorium mit Diamant-Drehmaschinen, die ursprünglich für die Herstellung von Nuklearwaffen entwickelt worden waren. So konnten wir Spiegel fertigen, die nahezu so gut waren wie der Glasspiegel, der 1978 in dem Einstein-Röntgensatelliten eingesetzt wurde, aber fast das Dreißigfache gekostet hatte.

Des weiteren entwarfen wir verschiedene Detektoren für die EUV-Strahlung. Sie alle beruhen auf einem Prinzip: Einfallende Photonen schlagen aus einer Oberfläche ein Elektron frei, das in einem haardünnen Röhrchen – von denen viele in einem Bündel zusammengefaßt sind – beschleunigt wird und beim Auftreffen auf eine Elektrode weitere Elektronen herauslöst. In nachfolgenden Beschleunigungsstufen steigt deren Zahl immer weiter an, bis am Ende dieser Kaskade mehrere Millionen Elektronen entstehen, die in ein Signal umgesetzt werden.

Während dieses Prinzip der Bildverstärkung zum Beispiel in Nachtsichtgeräten schon lange realisiert ist, mußten wir für unsere Anwendungen noch spezielle Erfordernisse erfüllen. Wegen der geringen Intensität der EUV-Quellen brauchten wir ein Gerät, das selbst noch ein einzelnes Photon nachzuweisen vermag. Gleichzeitig mußte das unvermeidliche Hintergrundrauschen extrem niedrig sein. Und schließlich benötigten wir noch ein Verfahren, die Elektronenkaskade in ein elektrisches Signal umzuwandeln, welches das vom Teleskop erzeugte Bild getreulich reproduziert.

Michael Lampton, damals mein erster promovierter Mitarbeiter und heute mein Kollege, ersann dafür verschiedene Methoden. Der für EUVE entwickelte Detektor enthält 2048 mal 2048 Bildelemente; er weist ein sehr geringes Eigenrauschen auf und ist nahezu unempfindlich für die längerwellige ultraviolette Strahlung (siehe Lamptons Beitrag "Künstliche Facettenaugen zur Bildverstärkung", Spektrum der Wissenschaft, Januar 1982, Seite 44).

Nun war zu erwarten, daß spektroskopische Untersuchungen, also die Analyse der registrierten Strahlung bei verschiedenen Wellenlängen, ebenso wichtig werden würde wie in allen anderen Teilgebieten der Astronomie. Deshalb machte sich ein weiteres Team daran, EUV-Spektrometer zu entwerfen. Das Kernstück des Instruments, das wir schließlich entwickelten, ist ein Strichgitter mit besonders angeordneten Rillen: Anders als sonst üblich nimmt ihr Abstand von einem zum anderen Gitterrand zu. Dieses Gitter beugt die kurzwellige elektromagnetische Strahlung so, daß das Spektrometer eine hohe Lichtausbeute hat, kompakt ist und sich leicht an verschiedene Teleskope anpassen läßt.

Alle unsere Geräte hatten wir ursprünglich für den Einsatz in Höhenforschungsraketen entworfen. Für EUVE mußten sie erst weltraumtauglich gemacht werden. Die NASA akzeptierte meinen Mitarbeiter Roger F. Malina als Leiter einer Gruppe von Wissenschaftlern und Ingenieuren, die eigens die strengen Maßgaben der Behörde umzusetzen hatte.

In der Zwischenzeit hatten die Apollo-Sojus-Beobachtungen auch andernorts das Interesse an der Extrem-Ultraviolett-Astronomie geweckt. Eine Gruppe britischer Astrophysiker unter der Leitung von John Pye von der Universität Leicester entschloß sich, ein Instrument für eine Himmelsdurchmusterung im kurzwelligen Bereich des EUV-Spektralbandes – zwischen etwa 6 und 30 Nanometern – zu bauen. Ihre Großfeldkamera sollte quasi huckepack mit ROSAT gestartet werden. (Die wichtigste Aufgabe dieses im Rahmen des deutschen Weltraumprogramms entwickelten Satelliten war die erste vollständige Durchmusterung des Himmels mit einem abbildenden Röntgenteleskop, die mittlerweile abgeschlossen ist; siehe den Zusatzbeitrag von John Pye auf Seite 46.)

Das britische Experiment wurde zwar erst 1980, also vier Jahre nach EUVE, formal genehmigt; es startete aber bereits am 1. Juni 1990 gemeinsam mit ROSAT – zwei Jahre früher als unser Satellit. Mit der Kamera wurden 350 Quellen extrem kurzwelliger Ultraviolettstrahlung gefunden. Diese hat man nicht nur katalogisiert, sondern aus ihrer Beobachtung auch wichtige astrophysikalische Erkenntnisse gewonnen.

Ursprünglich hatten wir geplant, während der Meß- und Auswertungsphase unseres Projekts die in Berkeley bereits vorhandene Infrastruktur zu nutzen. Aber Ende der achtziger Jahre wurde deutlich, daß weder das Personal noch die zur Verfügung stehenden Einrichtungen reichen würden. Die Universität war schließlich bereit, ein spezielles Institut zu gründen. Am Zentrum für Extrem-Ultraviolett-Astrophysik (Center for Extreme Ultraviolet Astrophysics, CEA) überwachen nun Wissenschaftler und Ingenieure die Instrumente, steuern sie vom Boden aus und analysieren die Daten aus der ersten Beobachtungsphase; sie unterstützen auch Gastforscher aus aller Welt, denen das Spektrometer für besondere Untersuchungen dienlich ist.

Der Satellit

Das Instrumentarium von EUVE besteht aus vier Teleskopen (siehe Kasten auf Seite 40 und Bild 6). Drei weisen zur Durchmusterung des Himmels jeweils in dieselbe Richtung. Ursprünglich wollten wir jedes mit einem separaten Filter für einen bestimmten Wellenlängenbereich ausstatten. Doch ersannen wir dann noch einen weiteren Filter; durch eine geschickte Anordnung und Anpassung der Teleskope können wir nun in vier statt in drei Bändern des extremen Ultravioletts beobachten.

Der Satellit rotiert um eine Achse, die in der Ekliptik – der Ebene der Erdumlaufbahn – liegt und deren eine Verlängerung auf die Sonne weist. Weil die Blickrichtung der drei Durchmusterungsteleskope senkrecht auf dieser Achse steht, erfassen sie mit jeder Umdrehung von EUVE einen scheibenförmigen Ausschnitt des Himmels. Nach und nach aber, weil das System der Bewegung der Erde um die Sonne folgt, wird das gesamte Firmament in jeweils sechs Monaten einmal abgetastet.

Das vierte, das Deep-survey-Teleskop, ist parallel zur Drehachse orientiert und weist stets von der Sonne weg. Es benötigt darum ein Jahr, um einen schmalen Himmelsstreifen in der Ekliptik abzusuchen. Der Vorteil dieser Anordnung liegt in der längeren Belichtungszeit: Die Empfindlichkeit des Instruments wird gesteigert, und es lassen sich schwächer erscheinende Quellen nachweisen. Jedoch wird nur die Hälfte der einfallenden Strahlung für die Durchmusterung genutzt; die andere Hälfte dient der spektroskopischen Untersuchung. Weil ein Gitter nur die Strahlung solcher Wellenlängen wirksam reflektieren kann, die sich um nicht mehr als einen Faktor zwei bis drei unterscheiden, sind insgesamt drei Spektrometer erforderlich, um das gesamte EUV-Band abzudecken.

Im Januar 1993 hatte EUVE die erste Durchmusterung beendet (Bild 1). Bei der Verarbeitung der enormen Datenmengen mußten wir uns mit einem vielfach auftretenden Problem auseinandersetzen: Die uns interessierenden Signale waren in einem Hintergrundrauschen versteckt, das kosmische Strahlung und geladene, im Erdmagnetfeld eingeschlossene Teilchen in den Detektoren hervorrufen.

Es gelang uns aber, zuverlässige Algorithmen zu entwickeln, mit denen sich echte EUV-Photonentreffer von dem störenden Rauschen unterscheiden lassen. Die damit durchgeführte vorläufige Auswertung der Daten hat mehr als 400 einzelne Quellen von extremer Ultraviolettstrahlung ergeben. Für den nächsten Durchlauf, der bei Erscheinen dieses Artikels bereits abgeschlossen sein sollte, haben wir die Analysetechnik noch verfeinert; wir erwarten, bis zu 1000 Quellen zu finden.

Erste Ergebnisse der spektrometrischen Messungen

Die meisten der bisher entdeckten EUV-Quellen sind der Aufschlüsselung zufolge Sterne mit aktiven Koronen und heiße Weiße Zwerge, die restlichen so unterschiedliche Objekte wie kataklysmische Veränderliche, extragalaktische Quellen, Supernova-Überreste und Neutronensterne.

Im Januar 1993 trat EUVE in seine zweite Betriebsphase ein: das intensive Studium ausgewählter Quellen mit den Spektrometern. An diesen Untersuchungen sind mehrere Gastwissenschaftler beteiligt. Jeder beobachtet sein ausgewähltes Objekt zwischen zehn und hundert Stunden während der Zeit, in der die Erde den Satelliten von der Sonnenstrahlung abschirmt. EUVE vermag während seines Bahnumlaufs seine Rotationsachse mit einer besseren Genauigkeit als 10 Bogensekunden auf einen Punkt am Himmel auszurichten – diesen Winkeldurchmesser hätte eine Zehn-Pfennig-Münze in 400 Metern Entfernung.

Einer Gruppe unter Leitung von Arieh Königl von der Universität Chicago (Illinois) ist eine der aufregendsten Beobachtungen gelungen. Von der elliptischen Galaxie PKS 2155-304 – die Bezeichnung gibt die Objektnummer in dem Katalog an, der mit dem Parkes-Radioteleskop in Australien erstellt worden ist – geht ein extrem heller Jet heißer Materie aus, der direkt auf die Erde gerichtet zu sein scheint; seine Strahlung im extremen Ultraviolett übertrifft jede andere der Galaxie bei weitem.

Solche sogenannten BL-Lacertae-Objekte leuchten gewöhnlich in nahezu allen Wellenlängen vom Röntgen- bis zum Radiobereich. Eines ihrer markanten Merkmale ist, daß die Spektren praktisch strukturlos sind und man darum nur wenig über die physikalischen Zustände in ihnen erfahren kann. Wie die Spektroskopie mit EUVE zum einen zeigt, ist PKS 2155-304 selbst im sehr kurzwelligen Bereich bei 12 Nanometern Wellenlänge zu identifizieren – ein Beleg dafür, daß EUV-Strahlung entgegen der früheren Annahme sogar intergalaktische Distanzen überwinden kann. Zum anderen und noch wichtiger: Das EUV-Spektrum weist eine Reihe von Absorptionsstrukturen auf, aus deren Untersuchung sich wesentliche Erkenntnisse über die Vorgänge in derartigen Objekten gewinnen lassen sollten. Möglicherweise könnte man daraus sogar lernen, wie Materie, die auf ein Schwarzes Loch im Zentrum der Galaxie zustürzt, schließlich in den sich mit relativistischen Geschwindigkeiten bewegenden Jet übergeht.

Die Sterne mit aktiven Koronen, die EUVE entdeckt hat, befinden sich in unserem Milchstraßensystem. Eine Korona, die äußere Atmosphäre eines Sternes, ist normalerweise eine ausgedehnte Hülle aus verdünntem Plasma (ionisiertem Gas). Die aus den tiefer gelegenen dichteren und kühleren Schichten herauftransportierte Energie heizt die Korona in noch unbekannter Weise auf – bei der Sonne beispielsweise auf ein bis zwei Millionen Grad. Zwischen der sichtbaren Oberfläche des Sterns, der Photosphäre, und seiner Korona befindet sich eine Übergangszone, in der die Temperatur abrupt ansteigt und die hauptsächlich extreme Ultraviolett- und Röntgenstrahlung aussendet. Weil das Gas in dieser Zone aber sehr dünn ist, entspricht die aus ihr abgestrahlte Energie nur einem Millionstel der aus der Photosphäre kommenden.

Bei einigen Sternen emittiert die Korona jedoch viel mehr Energie. Zudem ist das Plasma bei ihnen zumeist noch heißer. Durch die Beobachtung solcher aktiven äußeren Sternatmosphären kann man viel über die Korona und die Übergangszone selbst in sonnenähnlichen Sternen erfahren.

Andrea K. Dupree vom Harvard-Smithsonian-Zentrum für Astrophysik in Cambridge (Massachusetts) und ihre Kollegen haben mit den EUVE-Instrumenten das extrem ultraviolette Spektrum von Capella, dem hellsten Stern im Sternbild Auriga (Fuhrmann) untersucht. Dieses etwa 45 Lichtjahre entfernte Doppelsystem besteht aus zwei gelben Riesensternen mit aktiven Koronen. Die Messungen ergaben starke Emissionslinien, die von hochionisierten Eisenatomen stammen – den Atomen fehlen zwischen 14 und 23 ihrer insgesamt 26 Elektronen. Damit ist erstmals gezeigt, daß das System Plasma mit Temperaturen zwischen einigen Zehntausend bis zu vielen Millionen Grad enthält. Überraschenderweise gibt es jedoch kaum ionisiertes Gas mit einer Temperatur von nahe einer Million Grad. Bisher weiß man nicht, was die Ursache dafür sein könnte; denn in dieser Hinsicht unterscheidet sich das Capella-System sehr von der Sonne, die einen Überschuß an Plasma dieser Temperatur aufweist, wofür man auch eine gute Erklärung zu haben meint.

Capella enthält statt dessen einen beträchtlichen Überschuß von etwa sechs Millionen Grad heißem Plasma. Wie das Gas derart erhitzt wird, ist ebenfalls noch unbekannt. Womöglich stammt die Energie aus der Verschmelzung von Atomkernen: In der Nähe einer oder beider Sternkomponenten könnten in dem Plasma, das durch Magnetfelder zusammengehalten wird, Fusionsreaktionen stattfinden. Oder das Aufheizen erfolgt durch irgendeine Art Wechselwirkung zwischen beiden Komponenten. Vielleicht kommt man dem Verständnis näher, wenn sich zeitliche Veränderungen im EUV-Spektrum von Capella feststellen lassen.

In weiterer Hinsicht unterscheiden sich Sterne mit aktiver Korona von der Sonne: Plötzliche Strahlungsausbrüche, sogenannte Flares, im extremen Ultraviolett- oder Röntgenbereich sind auf ihnen viel heftiger. Knapp sechs Wochen nach dem Start von EUVE haben wir zwei starke Flares auf dem Stern AU Microscopii, der etwa 30 Lichtjahre von der Erde entfernt ist, registriert. Während des ersten Ausbruchs stieg die Helligkeit im EUV-Bereich innerhalb weniger Minuten auf das Zwanzigfache an und sank dann während einiger Stunden auf ihren normalen Wert zurück. Bei der spektralen Analyse bemerkten wir erhebliche Unterschiede zwischen der ruhigen und der aktiven Phase (Bild 4). Mit weiteren Beobachtungen hoffen wir, diese heftigen, zeitweise auftretenden Phänomene besser verstehen zu können.

Bei der Durchmusterung überraschte, daß sich Epsilon Canis Majoris, ein junger, sehr massereicher heißer Stern im Sternbild Großer Hund, als bei weitem hellste EUV-Quelle am Himmel präsentierte – trotz der Entfernung von 600 Lichtjahren. John Vallerga und seine Mitarbeiter von unserem Institut erfaßten diesen Stern im langwelligen EUV-Bereich. In diesem Band ist die Absorption durch die interstellare Materie am stärksten. Dies bedeutet, daß in der Richtung von Epsilon Canis Majoris weniger als 0,002 Wasserstoffatome pro Kubikzentimeter vorhanden sein müssen – etwa ein Tausendstel des Mittelwerts für die Dichte der interstellaren Materie in unserer Galaxis.

Das EUV-Spektrum von Epsilon Canis Majoris ist mit keiner der Vorstellungen, die wir über die Atmosphäre von heißen jungen Sternen haben, übereinzubringen. Aus Röntgenuntersuchungen weiß man, daß von diesen Objekten Materie in den umgebenden Raum abströmt. Joseph P. Cassinelli von der Universität von Wisconsin in Milwaukee und seine Kollegen haben nun diesen Stern im extremen Ultraviolett analysiert, um solche Sternwinde besser zu verstehen. Dabei kamen sie zu dem unerwarteten Befund, daß nicht nur diese Winde EUV-Strahlung aussenden, sondern auch die Photosphäre des Sterns.

Dutzende von Untersuchungen, die an Epsilon Canis Majoris im fernen Ultraviolett, im sichtbaren Licht und im Infraroten durchgeführt worden sind, haben die gegenwärtigen Modelle für diese Sternklasse bestätigt. Der starke EUV-Strahlungsfluß aus der stellaren Photosphäre aber paßt nicht in dieses Bild: Er übertrifft die Vorhersagen um das Dreißigfache. Bisher haben die Astrophysiker noch keine allgemein akzeptierte Erklärung dafür.

Die EUV-Daten von Epsilon Canis Majoris tragen auch zum besseren Verständnis der Ionisation der interstellaren Materie bei. Absorbiert ein Atom im interstellaren Raum ein hinreichend energiereiches Photon, wird eines der Elektronen aus der Atomhülle herausgeschlagen – ein positiv geladenes Ion (im Falle des Wasserstoffs ein Proton) und ein freies Elektron entstehen. Die EUV-Strahlung dieses Sternes ist nun so intensiv, daß er in seiner weiteren Umgebung die dominante Ursache für die Ionisation ist. Ausgehend von dieser neuen Erkenntnis werden gegenwärtig die Eigenschaften des interstellaren Mediums ausführlich untersucht.

Das bei der Ionisation absorbierte extreme Ultraviolett fehlt nun im Spektrum des strahlenden Objekts, was sich als dunkle Linien oder als Absorptionskante bemerkbar macht. Daraus lassen sich die Temperatur des interstellaren Mediums sowie Dichte und Ionisationsgrad der darin enthaltenen Elemente bestimmen. Wasserstoff sowie neutrales und einfach ionisiertes Helium sind die wichtigsten Absorber extrem ultravioletter Strahlung. Meine Arbeitsgruppe hat nun das EUV-Absorptionsspektrum eines heißen Weißen Zwergs, GD 246, auf diese Absorption hin untersucht und dabei festgestellt, daß entlang der Sichtlinie zu diesem etwa 200 Lichtjahre entfernten Stern im Mittel etwa 0,04 Wasserstoffatome pro Kubikzentimeter vorhanden sind und ungefähr 25 Prozent des Heliums ionisiert ist.

Die kontinuierlichen Spektren von heißen Weißen Zwergen eignen sich ideal für derartige Untersuchungen. Wir haben bis jetzt etwa ein Dutzend solcher Sterne in verschiedenen Himmelsrichtungen dahingehend beobachtet. Eine Auswertung wird Details über den allgemeinen Ionisationszustand der interstellaren Materie ergeben. Erst wenn man ihn kennt, kann man die Entwicklung dieses Mediums verstehen. Letztlich sollten wir dadurch auch erfahren, wie es zu Verdichtungen im interstellaren Gas kommt und wie daraus neue Sterne entstehen.


Unerwarteter Aufbau der Atmosphären Weißer Zwerge

Wie erwähnt, bilden heiße Weiße Zwerge die zweithäufigste Klasse von EUV-Quellen, und sie bieten ihrerseits Überraschungen. Die gemessenen EUV-Spektren vieler dieser Objekte sind nämlich viel schwächer als theoretisch erwartet, was uns zwingt, unsere Vorstellungen über ihre Atmosphären zu revidieren. Worauf ist diese Diskrepanz zurückzuführen?

Ein Weißer Zwerg ist etwa so groß wie die Erde, enthält aber ungefähr die Masse der Sonne; deswegen sind die Gravitationskräfte auf seiner Oberfläche typischerweise 100000mal stärker als auf unserem Planeten. Infolgedessen wiederum sollte – so dachten die Theoretiker seit fünfzig Jahren – die Atmosphäre eines solchen Zwergsterns aus Schichten unterschiedlicher Zusammensetzung bestehen: Die schwersten Elemente wären abgesunken, und die äußeren Schichten bildete nahezu reiner Wasserstoff oder – falls dieser fehlt – nahezu reines Helium.

Eine derart strukturierte Atmosphäre sollte eigentlich eine enorme Strahlungsmenge im extremen Ultraviolett abgeben. Aber die Beobachtungen auf Apollo-Sojus, mit EXOSAT (einem von der europäischen Raumfahrtagentur ESA gestarteten Röntgensatelliten, der von 1983 bis 1986 im Einsatz war und auch Messungen im EUV-Bereich durchführen konnte) und jetzt mit EUVE zeigten jedoch, daß der Anteil von Strahlung in diesem Wellenlängenbereich recht gering ist.

Stephane Vennes von unserem Institut hatte schon frühzeitig vermutet, daß manche Weiße Zwerge wenig EUV-Strahlung emittieren. Seiner Hypothese zufolge absorbieren Eisen-Ionen in gewisser Höhe einen Großteil der extrem ultravioletten Strahlung aus der unteren Atmosphäre. Diese schweren Ionen können sich trotz der gewaltigen Gravitation dort aufhalten, weil der enorme Strahlungsdruck, den die EUV-Photonen auf sie ausüben, die Wirkung der Schwerkraft kompensiert.

Des weiteren haben die Daten des Deep-survey-Teleskops Informationen über die diffuse hochenergetische Hintergrundstrahlung geliefert, von der man annimmt, daß sie vom aufgeheizten interstellaren Gas emittiert wird. Herkunft, Stabilität und Eigenschaften dieser heißen Materie sind nicht recht verständlich; ihre charakteristischen Werte sind noch nicht einmal gut bestimmt. Ein Team unseres Instituts hat einen Schatten in dieser Hintergrundstrahlung gefunden. Er entsteht durch eine einzelne zirrusartige Wolke, deren Dichte zwar gering ist, die aber dennoch die EUV-Strahlung von dahinterliegenden Regionen vollständig absorbiert.

Jens Knude von der Sternwarte der Universität Kopenhagen hat ermittelt, daß die Wolke von der Erde 120 Lichtjahre entfernt ist. Die gesamte extrem ultraviolette Strahlung, die wir aus ihrer Richtung empfangen, muß demnach aus einem Raumbereich dieser Tiefe stammen. Mit dieser Information konnten wir unmittelbar den Druck im interstellaren Medium bestimmen: Im Vergleich mit älteren (indirekten) Abschätzungen, die Werte zwischen 700 und 6000 Kelvin pro Kubikzentimeter nahelegten, fanden wir den erstaunlich hohen Wert von 19000. (Nach menschlichen Maßstäben ist dieser Druck äußerst gering: ungefähr ein Millionstel von einem Billionstel des Atmosphärendrucks auf Meereshöhe.)

Selbst auf dem sonst gut erforschten Gebiet der Planetenphysik ergeben sich aus den EUVE-Messungen neue Erkenntnisse. Eine Arbeitsgruppe um H. Warren Moos und Doyle T. Hall von der Johns-Hopkins-Universität in Baltimore (Maryland) hat eindrucksvolle EUV-Aufnahmen von dem Plasma-Ring gemacht, der Jupiter umgibt (Bild 5). Als die Voyager-Sonden den Planeten 1979 passierten, wiesen ihre Instrumente nach, daß der Ring hauptsächlich aus Sauerstoff- und Schwefel-Ionen besteht, welche die Vulkane des Jupitermondes Io ausgeschleudert haben. Die Bilder von Moos und Hall zeigen nun, daß die eine Seite des Rings im EUV-Bereich heller ist als die andere – was bedeutet, daß das Gas sich auf jener Seite in einer heißeren und dichteren Umgebung befindet. Da diese Aufheizung und Verdichtung sehr wahrscheinlich auf die Bewegung des Gases im Jupiter-Magnetfeld zurückzuführen ist, liefern die Beobachtungen des Rings in der Umlaufbahn von Io Aufschlüsse über den Aufbau der Magnetosphäre des Riesenplaneten.

Noch bis Ende 1995 werden die spektroskopischen Messungen mit EUVE andauern; der Satellit selbst wird mindestens bis 1999 weiter in Betrieb bleiben. Falls die NASA einer Verlängerung der Mission zustimmt, werden wir also selbst nach der Jahrtausendwende noch Daten aus einem Wellenlängenbereich empfangen, dessen Erkundung erst begonnen hat.

Literaturhinweise

- Variable Line-Space Gratings: New Designs for Use in Grazing Incidence Spectrometers. Von Michael C. Hettrick und Stuart Bowyer in: Applied Optics, Band 22, Heft 24, Seiten 3921 bis 3924, 15. Dezember 1983.

– Extreme Ultraviolet Explorer Mission. Spezialheft des Journal of the British Interplanetary Association, Band 46, Heft 9, September 1993.

– Astronomy and the Extreme Ultraviolet Explorer Satellite. Von Stuart Bowyer in: Science, Band 263, Seiten 55 bis 59, 7. Januar 1994.


Aus: Spektrum der Wissenschaft 10 / 1994, Seite 38
© Spektrum der Wissenschaft Verlagsgesellschaft mbH

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