Chemie: Atmende Kristalle
Feste Stoffe, die ihr Volumen drastisch ändern können, sind selten. Schwämme und Lungengewebe gehören dazu. Sie können quellen oder sich aufblähen und dabei ihren Rauminhalt um 50 Prozent oder mehr vergrößern. Allerdings handelt es sich dabei um amorphe Stoffe, bei denen die Atome nicht in einem regelmäßigen Gitter angeordnet sind. Gibt es auch kristalline Festkörper mit demselben Ausdehnungsvermögen? Bis zum Jahr 2002 lautete die Antwort Nein.
In jenem Jahr stellten meine eigene Arbeitsgruppe und das Team von Susumu Kitagawa an der Universität Kyoto (Japan) gleichzeitig die ersten flexiblen kristallinen Festkörper her. Bei diesen neuartigen porösen Materialien – es handelt sich um so genannte metallorganische Gerüstverbindungen oder kurz MOFs (nach englisch: metal organic frameworks) – sind anorganische und organische Einheiten in einzigartiger Weise miteinander verknüpft. Die Substanzen enthalten regelmäßig angeordnete Hohlräume, sind also eine Art Emmentaler auf molekularer Ebene. Je nachdem ob die Löcher weniger als 2, zwischen 2 und 50 oder mehr als 50 Nanometer messen, spricht man von mikro-, meso- oder makroporösen Materialien.
Zwar sind auch die meisten MOFs starr, aber einige bilden spektakuläre Ausnahmen: Sie können ihr Volumen um bis zu 200 Prozent ändern, ohne dass dabei auch nur eine einzige chemische Bindung aufbricht. Galt dieses faszinierende Phänomen anfangs noch als reine Laborkuriosität, hat es sich seither zu einem bedeutenden Forschungsgegenstand in der Werkstoffchemie entwickelt – verspricht es doch Anwendungen in so unterschiedlichen Bereichen wie der Energietechnik, dem Umweltschutz und nicht zuletzt der Medizin. ...
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