Auch der Südhimmel gleicht einem kosmischen Schwamm
Anfang der achtziger Jahre vermaßen John P. Huchra, Valerie de Lapparent und Margaret J. Geller vom Harvard-Smithsonian-Zentrum für Astrophysik in Cambridge (Massachusetts) die genauen Positionen und Entfernungen von mehr als 1000 Galaxien in einem keilförmigen Ausschnitt des Nordhimmels von 120 mal 6 Grad Ausdehnung. Es war die bis dahin umfassendste Durchmusterung dieser Region des Universums, und sie bestätigte, was frühere Untersuchungen von kleineren Gebieten bereits nahegelegt hatten: Die großräumige Struktur des Kosmos ist äußerst inhomogen; zwischen sogenannten Superhaufen, schichtartigen Zusammenballungen von Galaxien mit 10 bis 15 Millionen Lichtjahren Dicke, erstrecken sich gewaltige Leerräume, und diese Weltraum-Blasen erreichen sogar Durchmesser von 40 bis 150 Millionen Lichtjahren.
Obwohl am Nordhimmel inzwischen gut 10000 Galaxien vermessen worden sind, hat sich am Bild der ungleichmäßigen Galaxienverteilung nichts geändert: im Gegenteil – es kamen sogar noch ungewöhnlichere Strukturen zum Vorschein. Die wohl spektakulärste wurde als Große Mauer bekannt: eine schichtartige Anordnung von Galaxien, die sich über 500 Millionen Lichtjahre hinzieht.
Da sich die meisten Observatorien auf der Nordhalbkugel befinden, blieb der Südhimmel bei diesen Durchmusterungen bisher weitgehend ausgeklammert. Andererseits war kaum zu erwarten, daß er sich wesentlich von den schon vermessenen Himmelsbereichen unterschiede. Trotzdem verschafften sich Huchra und Geller in einer dreijährigen Untersuchung zusammen mit Luis Nicolaci da Cost vom Brasilianischen Nationalobservatorium nun Gewißheit ("Astrophysical Journal", 20. März 1994). Und tatsächlich sieht ihre Karte des "südlichen" Universums mit mehr als 3600 Galaxien der vom Norden frappierend ähnlich. Man erkennt nicht nur die gleiche schwammartige Struktur mit sich weithin wölbenden Superhaufen und riesigen Blasen, sondern ebenfalls spektakuläre Einzelgebilde, darunter auch eine Art gigantische Mauer (Bild auf Seite 31).
Was die Astronomen fasziniert, ist den Kosmologen allerdings ein Ärgernis. Keines ihrer Modelle, mit denen sie die Entwicklung des Weltalls seit dem Urknall nachzuvollziehen suchen, ergibt ein derart grobstrukturiertes Universum. Zwar hat man in der kosmischen Hintergrundstrahlung, die als Relikt des Urknalls die Materieverteilung am Beginn der Welt dokumentiert, inzwischen minimale Inhomogenitäten gefunden. Sie reichen jedoch nicht aus, daß sich daraus in der seither vergangenen Zeit allein durch Schwerkraftwirkung die beobachteten großräumigen Strukturen hätten bilden können. (G. T.)
Aus: Spektrum der Wissenschaft 6 / 1994, Seite 31
© Spektrum der Wissenschaft Verlagsgesellschaft mbH
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