Louis-Jeantet-Preis für Medizin: Ausgezeichnet: Der molekularen Ursache von Krebs auf der Spur
Eines der Proteine, die dazu beitragen, dass sich gesunde Zellen in Krebszellen umwandeln können, ist das Enzym "Ras". Dieses Molekül übernimmt in der komplizierten Kommunikationskette zwischen den etwa 10E13 Zellen des menschlichen Körpers die wichtige Rolle eines Schalters: In der Ein-Position sorgt es dafür, dass auf einen gewissen äußeren Reiz hin ein bestimmtes Signal weitergeleitet werden kann, in der Aus-Position unterbricht es die Signaltransduktion. Um in die Ein-Position zu gelangen, bindet das "Ras"-Protein ein Molekül namens GTP; das Signal kann dann durch Wechselwirkung mit anderen Proteinen weitergeleitet werden. In die Aus-Position schaltet "Ras", indem es eine Phosphatgruppe abspaltet. Aus dem GTP (Guanosintriphosphat) wird dann GDP (Guanosindiphosphat). In dieser GDP-gebundenen Form ist eine Signalweiterleitung nicht möglich.
Enthält das "Ras"-Protein eine gewisse Mutation, kann es die Phosphatgruppe nicht mehr abspalten. Der Schalter ist somit ständig in Ein-Position, und das Signal wird ununterbrochen weitergeleitet. Dadurch kann zum Beispiel die Zelle kontinuierlich zur Teilung angeregt werden – dieses unregulierte Zellwachstum bedeutet Krebs. Weil in etwa 30 Prozent aller Tumoren beim Menschen "Ras"-Mutationen zu finden sind, erhoffen sich die Krebsforscher neue Therapieansätze, wenn es gelingt, die Wirkung der Mutationen und die molekularen Mechanismen des Ein-Aus-Schalters im Detail zu verstehen.
Der Biochemiker Alfred Wittinghofer vom Max-Planck-Institut für molekulare Physiologie in Dortmund hat nun mit seiner Arbeitsgruppe die genaue räumliche Struktur des "Ras"-Proteins aufgeklärt und die Wirkung von Mutationen auf dessen Funktion untersucht. Die Arbeiten, für die technische Innovationen in der Analyse von Proteinen erforderlich waren, haben gezeigt, dass "Ras" alleine ein unvollständiger Schalter ist: Für das Abspalten der Phosphatgruppe ist die Hilfe eines weiteren Proteins, GAP genannt, vonnöten.
Nur mit dessen Unterstützung also kann "Ras" das GTP zu GDP umwandeln und sich selbst deaktivieren. Wie dies geschieht und warum mutierte "Ras"-Proteine selbst in Gegenwart von GAP nicht in die Aus-Position schalten können, hat die Dortmunder Forschungs-gruppe herausgefunden. Damit ist sie den molekularen Ursachen von Krebs ein weiteres Stück auf die Spur gekommen.
Für diesen Fortschritt hat die "Fondation Louis-Jeantet" in Genf Alfred Wittinghofer einen Teil des diesjährigen Louis-Jeantet-Preises für Medizin zugesprochen. Mit diesem Preis ehrt die Stiftung Wissenschaftler, die hervor-ragende biomedizinische Forschung in Europa betreiben.
Aus: Spektrum der Wissenschaft 7 / 2001, Seite 105
© Spektrum der Wissenschaft Verlagsgesellschaft mbH
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