Max-Born-Preis: Ausgezeichnet: Kritische Phänomene in Filmen
Wenn ein Fremdkörper im Auge auf die Tränendrüse drückt, der Motor wie geschmiert läuft oder ein Rührei auf der Ölschicht in der Pfanne brutzelt, sind flüssige Filme auf festen Oberflächen im Spiel.
Zu beschreiben, wie sich solche Grenzflächen zwischen Flüssigkeiten und Festkörpern verhalten, gehört zum Arbeitsgebiet von Siegfried Dietrich. Der Physiker erhält den Max-Born-Preis 2002 für seine Beiträge zur Theorie der Benetzungsphänomene.
Der Preis erinnert an Max Born, einen der Pioniere der Quantenmechanik und Nobelpreisträger des Jahres 1954, der in den 1930er Jahren nach Großbritannien emigrierte und bis 1953 in Edinburgh lehrte. Der nicht teilbare Preis wird dabei abwechselnd an einen deutschen und einen britischen Physiker verliehen und gilt – auch wenn er nur mit 2000 Mark dotiert ist – als hochrangige Auszeichnung.
Dietrich war zehn Jahre Professor an der Bergischen Universität Wuppertal. Seit August 2000 hat er den Lehrstuhl für Theoretische Festkörperphysik an der Universität Stuttgart inne und ist Direktor am dortigen Max-Planck-Institut für Metallforschung.
Eine Flüssigkeit wird unter gewissen Umständen auf einer festen Oberfläche zu einem dünnen Film und benetzt den Festkörper. Die damit verbundenen Phänomene werden zwar bereits seit langem studiert, doch erst in neuester Zeit konnten Methoden entwickelt werden, die einen quantitativen Vergleich zwischen Messung und Theorie erlauben. Eine Frage dabei ist, welche "Phasenübergänge" die Grenzschichten durchlaufen, wobei sie andere und völlig neue Eigenschaften aufweisen können als kompakte Materialien.
Mit den Mitteln der "Dichtefunktionaltheorie" gelingt es Dietrich, die charakteristischen Größen solcher Grenzschichtstrukturen auf atomarem Maßstab zu berechnen. Besonders interessant sind dabei "kritische Punkte", an denen sich Materie in einem eigentümlichen Zustand befindet: Lokale Störungen, etwa durch veränderten Druck an einem Ort, breiten sich dann viel weiter aus, als es die Reichweite der molekularen Wechselwirkungen erwarten ließe. Im Extremfall reagiert eine Probe als Ganzes auf kleinste Änderungen.
Ein Anwendungsbeispiel, bei dem Grenzflächenphänomene eine zentrale Rolle spielen, ist das Verhalten von Flüssigkeiten auf so genannten chemischen Chips, mit denen etwa wertvolle biologische Materialien analysiert werden können. Anders als bei den Mikrochips der Halbleiterindustrie wird hier die Miniaturisierung nicht von Quantenfluktuationen begrenzt, sondern durch die Temperatur- und Druckschwankungen der Flüssigkeitsstrukturen.
Aus: Spektrum der Wissenschaft 3 / 2002, Seite 103
© Spektrum der Wissenschaft Verlagsgesellschaft mbH
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