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Entwicklungsbiologie: Ausgezeichnet: Von Antennenbeinen und Augengenen



Auf seinen Nasen schreitet einher das Nasobem, von seinem Kind begleitet. Es steht noch nicht im Brehm." An diesen Reim von Christian Morgenstern erinnerte sich der Schweizer Biologe Walter Gehring, als er eine Drosophila-Mutante entdeckte, die an Stelle von Antennen Beine an ihrem Kopf trug. Nasobemia nannte er diese fehlgebildete Taufliege. Ihr hat der Forscher eine Entdeckung zu verdanken, für die er nun den Balzan-Preis erhielt. Denn auf der Suche nach der Ursache für die Fehlbildung identifizierte Gehring 1984 ein DNA-Motiv, das als zentraler Schalter für die korrekte Entwicklung von Drosophila dient: die Homöobox (siehe Spektrum der Wissenschaft 12/1985, S. 148).

Zu den Genen, die das 180 Nukleotide lange DNA-Fragment enthalten, gehören vor allem die homöotischen Gene, die für die geordnete Differenzierung der einzelnen Körpersegmente zuständig sind. Des Weiteren ist es Bestandteil der Gene, die beispielsweise die Segmentierung der Taufliege steuern. Das Genprodukt der Homöobox, die Homöodomäne, koordiniert die Entwicklung, indem es an die DNA bindet und dadurch die Bildung bestimmter Proteine aktiviert. Mittlerweile weiß man, dass es solche regulatorischen DNA-Fragmente nicht nur in Drosophila gibt, sondern auch in höheren Lebewesen. Säugetiere bis hin zum Menschen haben zum Beispiel Hox-Gene, die daran mitwirken, Segmenten von Hirn, Skelett und anderen Geweben eine Identität zu verleihen.

Eine weitere bahnbrechende Entdeckung machte Gehring 1995, als er das Gen pax6 isolierte, das bei Drosophila – und möglicherweise in der gesamten Tierwelt – für die Entwicklung des Auges zuständig ist. Auch pax6 ist ein regulatorisches Gen, allerdings mit besonderem hierarchischem Stellenwert: Es kontrolliert das Funktionieren von etwa 2000 weiteren Genen – gerade so, als ob durch Betätigen eines zentralen Schalters alle Lichter in einem Haus angingen.

Gehring promovierte an der Universität Zürich. Nach einem Forschungsaufenthalt in den USA wurde er 1972 am Biozentrum der Universität Basel Professor für Entwicklungsbiologie und Genetik. Den Balzan-Preis erhält er "für seinen grundlegenden Beitrag zur Entdeckung des universellen Prinzips, das dem Körperbau und der Entwicklung des Auges bei Metazoen zugrunde liegt". Der Preis ist mit einer Million Schweizer Franken dotiert und fließt zur Hälfte in die Förderung von Forschungsprojekten junger Wissenschaftler. Die Internationale Balzan-Stiftung fördert weltweit Leistungen in den Bereichen Kultur, Geistes- und Naturwissenschaft, sowie humanitäre Verdienste für Frieden und Brüderlichkeit unter den Völkern.

Aus: Spektrum der Wissenschaft 12 / 2002, Seite 98
© Spektrum der Wissenschaft Verlagsgesellschaft mbH

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