Bakterien in heißem Erdöl
Bei der Ölförderung aus rund 3000 Metern Tiefe unter dem Boden der Nordsee sowie unter dem Dauerfrostboden auf dem North Slope von Alaska kommen hitzeliebende Archäbakterien und Echte Bakterien zur Oberfläche, die teilweise mit Formen identisch sind, wie sie in heißen unterseeischen Quellen gedeihen. Dies hat die Arbeitsgruppe von Karl O. Stetter an der Universität Regensburg jüngst festgestellt ("Nature", Band 365, Heft 6448, Seite 743). Da in den geprüften Öllagerstätten außer hohem Druck auch Temperaturen zwischen 71 und 110 Grad Celsius herrschen, hatten die Fördergesellschaften es eigentlich für ausgeschlossen gehalten, daß Bakterien die beobachtete Versauerung des Rohöls verursachen könnten.
Bei allen geprüften Beispielen stammt das Rohöl aus porösem Gestein, aus dem es mit aufbereitetem Meerwasser unter hohem Druck herausgepreßt wird (es handelt sich also um eine Sekundärförderung). Die Förderflüssigkeit ist dann ein Gemisch aus Wasser, Gasen und Öl.
Die Proben von der Thistle-Ölplattform bei den Shetland-Inseln lieferten unter anderem rundliche, unregelmäßige Archäbakterien, die ohne Sauerstoff leben, Sulfat zu Schwefelwasserstoff reduzieren und in ihrer Erbsubstanz mit bekannten hyperthermophilen Arten der Gattung Archaeglobus und Thermococcus aus unterseeischen heißen Quellen übereinstimmen. Darunter war auch eine neue Spezies der Gattung Archaeglobus (vorgeschlagener Name: A.Iithotrophicus TF2; Bild).
Die Zellen zeigen unter dem Mikroskop häufig extrem flache, flügelartige Auswüchse, die – da sie die Zelloberfläche vergrößern – möglicherweise den Gasaustausch dieser wasserstoffnutzenden Art verbessern. In Gegenwart von Schwefel und Nährstoffextrakten aus Hefe und bei Temperaturen bis 103 Grad Celsius reicherte sich im Labor eine neue Art der Gattung Pyrococcus an. Andere, scheibenförmige Zellen vermochten in Abwesenheit von Sauerstoff mit Rohöl als alleiniger Nährstoffquelle zu wachsen, und das bei Temperaturen von 85 Grad.
Insgesamt kamen auf einen Liter geförderte Flüssigkeit 10|||000 bis 10 Millionen Bakterienzellen; demnach gelangen mit dem rückgeführten Wasser bei Thistle 3 bis 16 Kilogramm Bakterienmasse täglich ins Meer zurück. Eine der geförderten Arten, Archaeoglobus fulgidus TF2, wuchs in Kultur noch bei 90 Grad Celsius und 420 Atmosphären Druck – ein Beweis, daß sie unter solch extremen Bedingungen, wie sie im Thistle-Reservoir herrschen (85 Grad und 350 Atmosphären), wirklich zu gedeihen vermag. Ähnliche Organismen lieferten die geprüften Ölfelder in Alaska, wo man Wasser aus der Beaufort-See entnimmt und in den Untergrund preßt. In der natürlichen Umgebung enthält sogar das kalte Meerwasser bereits die fraglichen Bakterien, allerdings in sehr geringen Konzentrationen. Sie lassen sich aber bei 85 Grad Celsius in Kultur anreichern.
All diesen Befunden zufolge erscheint es als wahrscheinlich, daß hyperthermophile Arten über das Seewasser in die Ölfelder gelangt sind. Immerhin werden diese mit 40|||000 bis 127|||000 Kubikmeter Meerwasser täglich geflutet. Man versetzt das injizierte, von Sauerstoff gereinigte Wasser zwar mit abtötenden Chemikalien, doch die sind nicht hundertprozentig wirksam. (I. H.)
Aus: Spektrum der Wissenschaft 2 / 1994, Seite 20
© Spektrum der Wissenschaft Verlagsgesellschaft mbH
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