Interview: Besser spät als nie
Auf der Isle of Man startet das erste UMTS-Mobilfunknetz.
Katerstimmung begleitet die Einführung von UMTS. Zu den hohen Kosten für Lizenzen und Netzaufbau gesellen sich technische Schwierigkeiten, auch bei den Endgeräten. So hat Nokia verlauten lassen, dass UMTS-Handys erst im dritten Quartal 2003 in größerer Stückzahl vorhanden sein werden, und manche Analysten glauben, dass selbst dies noch optimistisch ist. Wegen mangelnder Stabilität und Software-Problemen verschob die japanische Firma NTT DoCoMo den Start ihres Netzes, und auch in Europa erfolgten die Tests mit zwei Monaten Verspätung. Doch immerhin: Ende Juli meldete Manx Telecom, Tochter der British Telecom, einen "Data Call" – also den mobilen Internet-Zugang – im ersten UMTS-Netz Europas auf der Isle of Man. Dort arbeiten zwanzig Spezialisten von Siemens, der japanischen Firma NEC und Manx Telecom rund um die Uhr, um Funktürme und Basisstationen zu installieren, die Software zu testen und das Netz schließlich zum Laufen zu bringen. Zu den Zielen und Problemen befragte Spektrum der Wissenschaft den Siemens-Projektleiter Rudolf Siegert.
Spektrum der Wissenschaft: Warum wurde ausgerechnet die Isle of Man ausgewählt?
Rudolf Siegert: Die Insel ist klein und überschaubar, ein Funknetz lässt sich hier leicht aufbauen. Außerdem ist sie politisch autonom und hat einen Sonderstatus in der Europäischen Union. Das ermöglichte der Regierung, sehr früh eine gebührenlose UMTS-Lizenz zu vergeben, ohne gegen EU-Wettbewerbsregeln zu verstoßen. Manx Telecom wollte seinerseits schnell Erfahrungen sammeln und die zugehörigen Dienste entwickeln.
Spektrum: Der Start des UMTS-Netzes war für Mai 2001 vorgesehen. Warum die Verschiebung?
Siegert: Wir wollten im Mai mit der Sprach- und Live-Bild-Übertragung starten, doch die Videoübertragung hat erst im Juni geklappt. Der limitierende Faktor sind aber immer noch die Endgeräte. Bisher hat sich noch kein Hersteller auf Auslieferungstermine festgelegt.
Spektrum: Von wem stammen dann die Handys, die Sie für die Premiere nutzen?
Siegert: Von NEC, es sind aber Vorserienmodelle, per Hand gefertigt.
Spektrum: Ein deutsches, ein britisches und ein japanisches Unternehmen arbeiten Hand in Hand. Eigentlich sind Sie aber doch Konkurrenten, wie klappt die Zusammenarbeit?
Siegert: NEC und Siemens entwickeln in einer ersten Phase die Infrastruktur, also Antennen, Basisstationen und Steuerelektronik gemeinsam. Der britische Partner übernimmt später das Netz und die Kundenbetreuung.
Spektrum: Auf der Insel leben 75000 Menschen. Wie viele werden am Test teilnehmen?
Siegert: Rund zweihundert.
Spektrum: Welche Dienste werden Sie ihnen anbieten?
Siegert: Beispielsweise ortsbezogene Services wie Restaurant-, Pub-, Hotel-Finder und einen virtuellen Fremdenführer. Oder auch das mobile Büro. Ein Angestellter schließt sein Notebook an das UMTS-Gerät an und greift von außerhalb auf Firmendaten zu. Er wird mit 384 Kilobit pro Sekunde Informationen empfangen, das ist um das 40-fache schneller als mit GSM-Handys. Auch Bank- und Börsengeschäfte sind damit möglich.
Spektrum: Was wäre in der Endstufe die maximale Datenrate?
Siegert: Für die Dauer des Tests bleiben wir bei diesen Leistungswerten, der Ausbau auf maximal zwei Megabit pro Sekunde ist nicht vorgesehen.
Spektrum: Und was ist mit der viel gerühmten Videokonferenz?
Siegert: Die lässt sich durchaus realisieren, wenn auch das Bild vielleicht ein bisschen ruckelt und nicht sehr fein aufgelöst sein wird.
Aus: Spektrum der Wissenschaft 10 / 2001, Seite 82
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