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Beton

Ob Wolkenkratzer, Sporthalle oder kühne Brückenkonstruktion – kein anderes Baumaterial läßt sich so vielgestaltig und dabei wirtschaftlich verwenden wie Beton. In den vergangenen Jahrzehnten entwickelte Zusatzstoffe verändern seine Eigenschaften und erschließen neue Anwendungen.


Beton ist grau und häßlich, ein Synonym für einfallslose Architektur und ungehemmte Bauwut – diese und andere Vorurteile gegen den verbreiteten Baustoff treffen jedoch nicht das Material, sondern vielmehr seine Nutzer. Denn Beton (nach lateinisch bitumen für Erdharz) eröffnet viele Möglichkeiten, wirtschaftlich, sicher und auch ästhetisch zu bauen. Deshalb ist, ungeachtet aller Ressentiments, weltweit nur Trinkwasser gefragter: Jedes Jahr werden mehr als fünf Milliarden Kubikmeter Beton verbaut (Bild 1).

Das Material, das stets aus Füllstoffen und Bindemitteln besteht, erfüllt alle Anforderungen an einen modernen Baustoff: Aufgrund von Normen ist es von gleichbleibender Qualität, und im Gegensatz zu behauenen Bruchsteinen läßt sich der zunächst flüssige Beton mittels entsprechender Verschalungen gut formen. Er oxidiert nicht, ist zuverlässig, so gut wie feuerfest und billig. Der an sich spröde Werkstoff erhält Zugfestigkeit durch Stahleinlagen; mitunter sind diese vorgespannt (Spannbeton). Es gibt weiße, schwarze und farbige Varianten sowie die Möglichkeit, Oberflächen zu strukturieren. Zudem wurden zahlreiche Spezialitäten wie dekorative Polymer- oder besonders säurebeständige Spezialbetons entwickelt. Auch in Zukunft dürfte kaum ein anderer Baustoff so viele gestalterische Möglichkeiten bieten wie eben Beton.

Es gibt historische, ja sogar natürliche Vorläufer: Die Brekzie und der englische Puddingstein bestehen aus eckigen beziehungsweise gerundeten Gesteins- und Mineralstücken in einer feinkörnigen Grundmasse aus Sand. Kieselsäure oder Calcit wirkt dabei als natürliches Bindemittel und verkittet diese Mischung.

Historische Handwerker nutzten Mörtel aus gebranntem Kalk, um Steine oder Ziegel zu verbinden – so etwa um 12000 vor Christus in der heutigen Osttürkei. Phönizier mischten noch vulkanisches Gestein von der Insel Santorin zu, wodurch der Mörtel hydraulisch wurde, also sogar unter Wasser abband; unter anderem diente er ihnen zum Bau von Bewässerungsanlagen.

Römische Baumeister gingen einen Schritt weiter: Sie vermengten Kalkmörtel beispielsweise mit grob zerkleinerten Ziegelsteinen, Tuffsteinen (Puzzolanerde) oder Marmorbrocken. Mit Wasser reagierten die Komponenten zum opus caementicium. Dieser historisch älteste Beton ermöglichte insbesondere den Bau schwieriger Kuppelbauwerke wie des Pantheons (Bild 2). Allerdings entsprach dieses amorphe Material nicht den ästhetischen Idealen der antiken Architektur, so daß man es zunächst für Zweckbauten wie Thermen verwendete und auch meist mit edlerem Gestein verdeckte.

Trotz seiner für Jahrhunderte unübertroffenen Festigkeit und Haltbarkeit geriet Beton im Mittelalter wieder in Vergessenheit. Mörtel für Wehr- und Profanbauten wurde aus Lehm und Kalk oder Sand gemischt; mitunter gab man auch Gips oder Ziegelmehl, ja sogar Essig, Milch oder Wein zu. Niederländer entdeckten im 16. Jahrhundert, daß gemahlener Tuffstein hydraulische Eigenschaften hat, also auch unter Wasser als Bindemittel wirkt. Der Handel damit wurde sogar ein wichtiger Wirtschaftszweig in Europa.

Der Begriff Cement taucht erstmals in einem technischen Handbuch des Jahres 1710 als Bezeichnung für gestoßenen Ziegelstein auf. Der technische Offizier der französischen Armee Bernard Forest de Bélidor verwendet in seinem Werk "Architecture hydraulique" für ein Gemisch aus wasserbeständigem Mörtel und groben Zuschlägen den Namen béton.

Breite Verwendung findet dieses Material ins-besondere dank der Erfindung des "Portlandzements" 1824 durch den Maurer Joseph Aspdin. Man erhält das noch heute gebräuchliche Bindemittel aus einer Mischung von kalk-, silicium- und aluminiumhaltigem Gestein, die bei 1450 Grad Celsius gebrannt wird (daraus hergestellte künstliche Steine glichen dem Kalkstein, der auf der Halbinsel Portland an der englischen Kanalküste abgebaut wird). Das erste deutsche Zementwerk wurde 1855 gegründet, und bereits 1878 führten Deutschland und Österreich Normen ein, die internationale Gültigkeit erlangten.

Die Produktion von Zement als Bindemittel ist ein wichtiger Wirtschaftsfaktor. Weltweit dominieren die asiatischen Länder mit der Volksrepublik China an der Spitze – das Land stellt etwa ein Drittel des Zements her; 1997 waren es 492,6 Millionen Tonnen. Es folgen Japan und – nach den USA auf Platz Drei – Indien, Südkorea und Thailand; Deutschland steht mit einer Jahresproduktion von 31,3 Millionen Tonnen im Jahre 1997 an zehnter Stelle.

Den Hauptbestandteil des Betons nach Volumen und Gewicht bildet freilich der sogenannte Zuschlagstoff – meist ein natürliches oder künstliches Gestein, in Sonderfällen auch ein Metall, das vom Zement verkittet wird. So kann Schwerstbeton Schwerspat (BaSO4), Magnetit (Fe3O4), Schwermetallschlacken oder Stahlschrot und -späne enthalten, Normalbeton hingegen Splitt, Kies, Sand, Schotter, Metallschlacken, Klinkerbruch, Glas-, Stahl- oder Kohlenstofffasern; Leichtbeton ist mit Feinsand, Lavakies, Lavasand, Bimsstein, Tuff, Kieselgur, Holzfasern, -spänen, -wolle und -mehl oder Blähtonen, aber auch mit Müllschlacke, Schaumstoff oder Flugasche gefüllt.

Das Gemisch enthält aber noch zahlreiche weitere Beimengungen. So geben die in großen Mengen beigemischten Zusatzstoffe ebenfalls Volumen; haben sie hydraulische Eigenschaften, ersetzen sie auch einen Teil des Zements. Die wirtschaftlich wichtigsten sind mineralischen Ursprungs: Gesteinsmehle, Hochofenschlacken, Flugasche oder Bentonite, die durch Verwitterung von Tuff entstehen. Organische Zusatzstoffe wie Kunststoffe oder Bitumen machen den Beton elastischer, Pigmente wie Eisen-, Chrom-, Titandioxid oder Ruß färben ihn.

Hingegen haben sogenannte Zusatzmittel nur einen Anteil von weniger als zwei Prozent am Betonvolumen. Sie verändern vor allem physikalische und chemische Eigenschaften, so daß sich der Baustoff der geplanten Anwendung entsprechend besser verarbeiten oder auf die Einsatzbedingungen optimaler zuschneiden läßt. Dazu ge-hören etwa Betonverflüssiger, Erstarrungsverzögerer und Luftporenbildner.

Schließlich muß außer der Zusammensetzung auch der Einfluß des formge-benden Verfahrens bedacht werden. Befördert mit Transportmischern (im Falle von Fertigbeton) und vor Ort durch spezielle Pumpen geleitet, wird das Material entweder gegossen oder gespritzt. Um den frischen Beton vor ungewollter Austrocknung zu schützen, deckt man ihn beispielsweise mit Folien ab oder besprüht ihn mit Wasser. Eine nachträgliche Glättung der Oberfläche, Abgleichen, Nivellieren oder Planieren genannt, verändert nicht nur die ästhetische Wirkung, sondern verringert auch die Empfindlichkeit gegen Witterungseinflüsse.

Aus dem Gemisch entsteht der Festbeton durch das sogenannte Abbinden. Der Zement ist dabei das aktive Element des Gemenges, ein Pulver aus verschiedenen Calciumsilicaten (Silicate sind mineralische Verbindungen mit anioni-schen SiO4-Gruppen), Calciumaluminat und aus eisenhaltigem Calciumaluminat (Aluminate sind Verbindungen mit anionischen AlO4-Gruppen). Beim Anrühren mit Wasser entsteht Zementleim, der die Zuschlagstoffe umhüllt. Dabei lösen sich die genannten Verbindungen an den Oberflächen der Zementteilchen zunächst auf, um dann mit Wasser chemisch zu reagieren und wasserunlösliches Calciumsilicathydrat zu bilden. Dieses fällt aus und bildet Kristalle – der Zement bindet ab. (Zwischen Auflösen und Abbinden vergehen je nach Zementtyp zwischen einigen Minuten und mehreren Stunden, in denen die Masse ihre Formbarkeit behält, so daß man sie beispielsweise in Schalungen füllen kann.)

Die zunächst kleinen Calciumsilicathydrat-Kristalle wachsen und durchdringen einander, so daß sie ein durchgängiges Gerüst ausbilden. Es durchzieht den gesamten Baustoff und umspannt dessen Komponenten wie ein Netzwerk (Bilder 3 und 4). Das zunächst gebildete Calciumsilicathydrat besteht jeweils aus Wasser, CaO6-Oktaedern und drei oder vier verketteten SiO4-Tetraedern. Allmählich verlängern sich diese Ketten. Dabei werden Wassermoleküle abgespalten, die sich an andere, bisher wasserfreie Silicate binden und so die Hydratations-Reaktion fortsetzen. Der gesamte Prozeß verlangsamt sich, sobald fast alles Wasser chemisch gebunden ist.

Im Verlauf dieser Aushärtung, die unter Wasser ebenfalls funktioniert, schrumpft der Abstand zwischen allen Komponenten der Mischung und damit das Gesamtvolumen (der Rauminhalt des fertigen Baustoff ist um zehn Prozent kleiner als die Summe der Volumina aller Bestandteile). Auch dadurch verfestigt sich die Zementmasse immer stärker: Während die bei der Hydratation – also dem Einbau von Wasser in die Kristallstruktur – freiwerdende Wärme zunächst die Viskosität erhöhte, bindet der Beton jetzt immer stärker ab und entwickelt die gewünschte Festigkeit.

Wenn das zunächst noch lückenhafte Hydratgitter aufgefüllt ist, pendelt sich ein Gleichgewicht zwischen der Feuchte der umgebenden und der noch im Beton eingelagerten Luft ein. Dabei verdunstet das Restwasser mehr oder weniger schnell durch die Poren, der Beton trocknet weiter, und seine Festigkeit nimmt zu. Zudem arbeitet man in der Praxis meist mit erheblichem Wasserüberschuß, so daß beim Verdunsten ein Kanalsystem offener Poren entsteht, über die der Beton später seine Feuchte mit der Umgebung ausgleicht (bei Unter-Wasser-Anwendungen bleiben diese Hohlräume wassergefüllt).

Die entscheidenden Reaktionen lassen sich mit Zusatzmitteln steuern und verändern. So versucht man, den Anteil des während der Hydratation ebenfalls entstehenden Portlandit (Calciumhydroxids, Ca(OH)2) niedrig zu halten, weil dessen Kristalle kein Gerüst ausbilden und somit nicht zur Stabilität des Baustoffes beitragen.

Obwohl der Abbindeprozess seit etwa einem Jahrhundert untersucht wird, kann man ihn noch nicht lückenlos erklären. Das liegt nicht allein an der Komplexität der chemischen Prozesse selbst, sondern auch daran, daß sich die Rohstoffe oft stark unterscheiden. Häufig stammen sie nämlich aus der Umgebung der Produktionsstandorte und enthalten Verunreinigungen, die nicht nur die Hydratation beeinflussen, sondern durch chemische Reaktionen auch mechanische Festigkeit oder Haltbarkeit beeinträchtigen können. Sind im Wasser beispielsweise zu viele Sulfate gelöst, bilden sich innerhalb des Calciumsilicat-hydrat-Gitters auch Calciumaluminiumsulfathydrate, die mehr Volumen beanspruchen; das Gitter braucht dann insgesamt mehr Platz, dehnt sich aus, und das Material platzt.

Die mechanischen Eigenschaften des Betons sind um so besser, je kompakter sein Mineralskelett ist. Weil die Zuschlagstoffe 60 bis 80 Prozent des Gesamtvolumens ausmachen, müssen ih-re Körner unterschiedliche Durchmesser haben, denn nur dann können sich kleinere in die von größeren gebildeten Hohlräume einlagern. Deshalb mischt man Fein- und Grobsande mit einem Durchmesser von höchstens etwa vier Millimetern mit Split oder Kies mit einem Durchmesser von fünf bis dreißig Millimetern. Gute Zuschlagstoffe sind indes immer schwieriger zu finden, da der Abbau von potentiellen Rohstoffdepots durch Umweltschutzvorschriften eingeschränkt wird.

Wasser ist nicht allein für die Hydratbildung wichtig, es macht den Beton auch form- und durchmischbar. Je höher sein Anteil aber ist, desto poröser wird das Material, und um so geringer ist seine Festigkeit.

Daß auch Luft ein Bestandteil von Beton ist, wird oft übersehen, obwohl sie im allgemeinen etwa drei Prozent ausmacht. Weil sie die Anfälligkeit gegen Frost verringert – sofern die Poren kleiner als 0,3 Millimeter groß sind – , erhöht man diesen Anteil in Ländern mit strengen Wintern beim Anrühren sogar auf vier bis acht Prozent – der Preis ist allerdings wieder eine stärkere Porosität.

Zusatzstoffe helfen, die Herstellungskosten zu verringern oder bestimmte Eigenschaften zu erzielen. Dazu bieten sich vor allem Reststoffe aus anderen Industrieproduktionen als Ersatz oder Ergänzung an, solange sie Wasser zu binden vermögen.

Gemahlene Hochofenschlacken – Verbindungen aus Kieselerde, Kalk, Aluminium und etwas Eisen – senken die Hydratationswärme, was das Risiko der Rißbildung beim Aushärten mindert. Man verwendet dieses – mittlerweile allerdings sehr teure – Material als Zusatz zum Portlandzement für Fundamente und andere massige Bauteile. Weitere Zusätze sind die aus den Verbrennungsgasen von Steinkohlekraftwerken gefilterte Flugasche (mit einem größeren Anteil an Siliciumdioxid, aber einem geringeren Anteil an Calcium als Portlandzement) und bestimmte vulkanische Schlacken.

Zwar lassen sich diverse Neben- und Abfallprodukte als Zusatzstoffe verwerten, doch können sie die Viskosität beeinträchtigen, die Hydratationswärme verringern oder die Empfindlichkeit gegenüber aggressiven chemischen Agentien vergrößern.

Nur in geringen Mengen verwendet man die erwähnten Zusatzmittel, um die Eigenschaften des noch flüssigen und des ausgehärteten Betons zu beeinflussen. So verhindern Stoffe wie Lignosulfonate, ein Nebenprodukt der Papierindustrie, bereits in kleinen Dosen die Aggregation von Zementkörnern, und das Bindemittel bleibt längere Zeit flüssig. Organische Polymere mit hohem Molekülgewicht wie Naphthasulfonate oder synthetische Makromoleküle erhöhen die Fließfähigkeit beziehungsweise ermöglichen, gegebenenfalls den Wasseranteil zu verringern.

Wenn der Beton über weite Strecken transportiert werden muß, wenn seine Ausbringung schwierig ist oder wenn er bei hohen Umgebungstemperaturen verarbeitet werden soll, helfen Abbindeverzögerer wie Sulphon- und Oxycarbonsäuren, Phosphate und Borate sowie Zinkoxid. Die Moleküle verringern die Konzentration an freien Calcium-Ionen und verlangsamen dadurch die Hydratation des Silicats.

Im Gegensatz dazu beschleunigt beispielsweise Calciumnitrat das Abbinden, indem es Calcium-Ionen freisetzt: Im Winter oder beim Fertigteilbau erhöhen solche Stoffe das Arbeitstempo auf der Baustelle. Mehrere Forschungseinrichtungen untersuchen derzeit den Beschleunigungsmechanismus. Offenbar schirmt das an der Kornoberfläche des Zements gebildete Calciumsilicathydrat Wassermoleküle ab, die dann nur langsam an die Körner gelangen können. Aus bislang noch nicht vollständig geklärten Gründen verbessern Chlorid- und Nitrat-Ionen diese Diffusion des Wassers und begünstigen damit eine Volumenzunahme des Calciumsilicathydrats.

Weitere Zusatzmittel haben ästhetische Funktion: Dem Frischbeton beigemischte Pigmente färben die gesamte Masse dauerhaft. Allerdings beeinflussen diese Substanzen – wie auch die zuvor beschriebenen – zuweilen die Abbindereaktion. Beispielsweise adsorbiert Gasruß genannter fast reiner Kohlenstoff andere Zusätze und hebt deren Wirkung auf. Man muß dann entweder seine Menge reduzieren oder die anderen Zusätze überdosieren.

Um eine spezielle Struktur zu erhalten, trägt man auf der Oberfläche einen Verzögerer auf, der die Erstarrung der äußeren Schicht verhindert. Hat der Beton dann abgebunden, wäscht man sie aus, um die speziell wegen ihrer ästhetischen Eigenschaften ausgewählten Zuschlagstoffe freizulegen; ein Beispiel dafür sind die bekannten Waschbeton-Platten (Bild 5).

Es gibt verschiedene Meßverfahren, um die Qualität von Frisch- oder Festbeton zu prüfen. Wenn beispielsweise die Mischung überwässert ist, kann sich der Zuschlag in der Schalung absetzen und der Zementleim aufschwimmen. Das läßt sich anhand der Konsistenz feststellen. Dazu wird das Gemisch auf einem Tisch aufgehäuft und dieser mehrfach angehoben. Der Frischbeton läuft dabei zu einem Kuchen auseinander, dessen Durchmesser nun einen bestimmten Wert haben muß; an ihm kann man zudem den Grad der Entmischung erkennen.

Das Fließverhalten ist auch ein geeigneter Indikator für die Genauigkeit der Wasserdosierung beim Anrühren. Um das sogenannte Setzmaß zu ermitteln, wird ein Kegelstumpf aus Blech mit Frischbeton gefüllt, gestürzt und dann entfernt, so daß die Betonmasse unter ihrem eigenen Gewicht zusammensinkt. Gemessen wird dann der Abstand zwischen dem gesetzten Beton und der Oberkante des Stumpfes als Maß der Verdichtung.

Um den Luftgehalt zu messen, wird Frischbeton in einem undurchlässigen Behälter mit Druck beaufschlagt. Dabei sinkt das Gesamtvolumen in Abhängigkeit vom Luftgehalt. Mit diesem Verfahren ist allerdings nur eine indirekte Bewertung des potentiellen Frostwiderstands möglich, da dieser in erster Linie vom mittleren Abstand zwischen den einzelnen Luftporen und nicht allein vom Gesamtvolumen der eingelagerten Luft abhängt.

Nach dem Betonieren ist die Messung der Druckfestigkeit ein möglicher Test, der etwas über die Qualität des Festbetons aussagt. Man verwendet dazu Proben genormter Dimension und bestimmt den Quotienten aus der für einen Bruch erforderlichen Kraft und der Querschnittfläche. Je nach Land werden Proben in Form eines Zylinders oder eines Quaders benutzt. Ihre Abmessungen variieren entsprechend den gültigen Normen, doch wird die Druckfestigkeit fast überall nach 28tägigem Erhärten unter Wasser oder in gesättigter Atmosphäre bei Standardtemperatur (in der Regel 20 Grad Celsius) gemessen. Andere Tests messen beispielsweise die Biegezugfestigkeit, den Verschleißwiderstand, die Eindringtiefe von Wasser oder – durch Auszählen am Anschliff – Größe und Dichte der Luftporen.

Doch auch bei bester Qualität gilt: Einmal verbaut, unterliegt Beton den Einflüssen seiner Umgebung, erwärmt sich und kühlt ab, wird naß und trocknet, wird von Chlor und Salzen angegriffen oder von Mikroorganismen besiedelt. Er verwittert deshalb wie natürliches Gestein, und Bauwerke daraus "funktionieren" 50 oder 100 Jahre. Mitunter werden aber schon zu einem früheren Zeitpunkt Schäden deutlich, deren Ausmaß Sanierung oder gar Abriß erforderlich machen.

Die häufigste Schadensursache bei Bauwerken aus bewehrtem Beton ist die Korrosion der Stahleinlagen. Normalerweise schützt sie ein pH-Wert von mehr als 13, denn Stahl korrodiert erst ab einem pH-Wert von weniger als neun. Doch Kohlendioxid aus der Atmosphäre kann langsam, etwa um einen Millimeter pro Jahr, in den Beton eindringen und dort mit dem bei der Hydratation abgelagerten Calciumhydroxid reagieren. Dabei entsteht Calciumcarbonat, und der pH-Wert sinkt. Auch in Meerwasser und Tausalz enthaltene Chlorid-Ionen dringen ein und fördern die Korrosion der Stahlelemente.

Die Bewehrung korrodiert deshalb vorzeitig, wenn der Beton zu durchlässig ist, wenn sich die Stahleinlagen zu nahe an der Oberfläche befinden oder wenn die Umweltbedingungen falsch eingeschätzt worden sind. Rost erhöht dann das Volumen der eingelegten Eisenstücke, und die Schicht über der Bewehrung bricht auf. Zwar gibt es verschiedene präventive Maßnahmen, doch die einfachste Lösung ist immer noch, den Stahl durch eine dickere Betonschicht zu schützen.

Die Bewehrung ist aber nicht das einzige bedrohte Element von Betonbauten, denn verschiedene Verbindungen können durch die Poren eindringen und mit dem Calciumsilicathydrat oder den Mineralien der Zuschlagstoffe reagieren. Beispielsweise wandern mit aufsteigender Feuchtigkeit Schwefelsalze aus sulfathaltigem Boden ein und bilden zersetzende Verbindungen.

Wenn der Zuschlagstoff kristalline Kieselsäure in einer speziellen, leicht löslichen Form und der Beton einen großen Anteil an basischen Verbindungen enthält (hauptsächlich Natriumoxid oder Kaliumoxid) und das Milieu überdies über längere Zeit sehr feucht ist, entsteht langsam ein voluminöses alkalisches Calciumsilicatgel, das den Beton zunächst quellen und dann bersten läßt. In Staudämmen gefährden Risse dann die Stabilität des Damms. Die genannten Reaktionen können sich aber über Jahrzehnte hinziehen, so daß man erst heute dadurch verursachte Schäden an Bauten der Nachkriegszeit feststellt. Einige kritische Zuschlagstoffe wurden mittlerweile identifiziert und Gegenmaßnahmen erkundet. Beispielsweise kann man einige Reaktionen theoretisch durch Trocken-legen stoppen oder Verbindungen wie Lithiumsalze einführen, deren überaus hohe Wirksamkeit noch weiter erforscht werden muß.

Tiefe Temperaturen verursachen mitunter ebenfalls Schäden. Im südlichen Europa sind Gebäude vor Temperaturen unter dem Gefrierpunkt recht sicher, doch in Ländern mit sehr strengen Wintern können zum einen die Chlorid-Ionen der Tausalze die Bewehrung korrodieren lassen, zum anderen entstehen im Material Mikrorisse, die den gesamten Beton in Mitleidenschaft ziehen. Lange Zeit glaubte man, daß letztere durch die Ausdehnung des gefrierenden Wassers verursacht würden. Diese Annahme ist jedoch falsch. Vermutlich verdrängt das sich bildende Eis noch flüssiges Wasser im Kapillarnetz. Der Druck in den Kapillaren wächst, und der Beton kann platzen. Das erklärt die positive Wirkung eines höheren Luftanteils: Luft in unzähligen kleinen Luftporen fängt das durch Frost verdrängte Wasser auf.

Verschiedene Forschungszentren suchen Baustoffe mit immer besseren Eigenschaften zu entwickeln, die kaum noch etwas gemein haben mit dem grauen Gestein der Nachkriegszeit. Während damals das Streben nach Ästhetik im Hintergrund stand, bemühen sich heutige Architekten und Bauherren um ein gefälliges Äußeres (Bild 5 und Kasten auf Seite 93). Mit dem modernen Beton wird die Schalung gleichsam zur Gußform und der Baustoff zum Abguß. Der Ausdruck "Fassadenbild" ist das Motto für Architekten, Designer und Hersteller. Die einen verwenden weißen Zement, die anderen färben den Beton. Beton ist heute schön anzusehen, und man muß schon ganz genau hinschauen, wenn man den Baustoff hinter der Fassade erkennen will.

Gleichzeitig ist Beton heute dank des technischen Fortschritts – das Ergebnis von hundert Jahren Forschung – zehnmal stärker als früher (Bild 6). Bewehrt man ihn mit Glasfasermatten, lassen sich sogar nur wenige Millimeter starke Fertigteile daraus herstellen – Beton wird zweifellos auch in Zukunft ein gefragter Baustoff sein.


Aus: Spektrum der Wissenschaft 11 / 1998, Seite 90
© Spektrum der Wissenschaft Verlagsgesellschaft mbH

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