Bildwelten: Dürers Spiel mit dem Feuer
Kurz bevor Dürer 1528 starb, sprach ihm der berühmteste Gelehrte seiner Zeit, Erasmus von Rotterdam, höchstes Lob aus: Er bewundere das Können des Künstlers, nicht nur die Gesichtszüge, sondern auch "die Sinne, alle Gefühle, endlich die Seele des Menschen" im Bild einzufangen. Besonders verblüffte ihn aber, dass es dem Nürnberger sogar gelänge, mit den schwarzen Linien seiner Druckgrafiken das Wesen einer Person sichtbar zu machen – während selbst die namhaftesten Maler der Antike dazu Farben benötigt hätten. Für seine Lobrede bediente sich der Gelehrte literarischer Formeln, wie sie schon der römische Schriftsteller Plinius der Ältere vor fast 1500 Jahren in seiner "Naturgeschichte" verwendet hatte. Doch ging Erasmus über die üblichen Floskeln hinaus. Priesen Humanisten wie er sonst meist die Fähigkeit eines Künstlers, die Natur täuschend echt nachzuahmen, könne Dürer nach seiner Ansicht selbst das Undarstellbare ins Bild bannen: "Was malt er nicht alles, auch was man nicht malen kann, Feuer, Strahlen, Donner, Wetterleuchten, Blitze und Nebelwände."
Was Erasmus für undarstellbar hielt, sind allesamt kurzlebige Erscheinungen, die zudem einem ständigen Formwandel unterliegen – buchstäblich unfassbare Phänomene, die Dürer dennoch im Bild festzuhalten vermochte. Zum eigentlichen Lob avanciert die Aussage aber erst durch ihren Widersinn: Weil er malt, was nicht gemalt werden kann, muss er wahrlich ein Genie sein. So zumindest suggeriert es die Behauptung des Gelehrten ...
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