Biodiversität: Vergessene Körner
An einem heißen Sommertag im Jahr 1991 untersuchte ich in stundenlanger Arbeit die Biodiversität "heiliger Haine" im Süden des indischen Bundesstaats Westbengalen. Um mich auszuruhen, ging ich zur Hütte eines jungen Mannes vom Santal-Stamm, Raghu Murmu. Im Schatten eines riesigen Mangobaums genoss ich kaltes Wasser und aus Reis hergestellte Süßigkeiten. Seine schwangere Frau sah ich eine rötliche Flüssigkeit trinken. Dabei handle es sich um Stärke, die beim Kochen von Reis der Sorte Bhutmuri frei werde, erklärte Raghu. "Bei Frauen, die während der Schwangerschaft und nach der Geburt unter Blutarmut leiden, unterstützt das die Blutbildung", erläuterte er mir. Vermutlich auf Grund seiner rotbraun gefärbten Deckspelze trägt diese Sorte den Namen Geisterkopf-Reis.
Wie ich später herausfinden sollte, gehört Bhutmuri zu einer von mehreren einheimischen Reissorten in Südasien, die reich an Eisen sind und bestimmte B-Vitamine enthalten. Paramai-sal-Reis wiederum beherbergt große Mengen an Antioxidanzien, Mikronährstoffen und löslicher Stärke, die rasch in Energie umgewandelt werden kann. Damals waren mir solche ungewöhnlichen Reissorten mit ihren eindrucksvollen Namen und volksmedizinischen Anwendungen neu. Zurück in Kalkutta, führte ich eine Literaturrecherche zur genetischen Vielfalt von indischem Reis durch und stellte fest, dass meine Begegnung mit Raghu ein Glücksfall gewesen war. Bauern wie er, die alte Reissorten anbauen und deren Wert zu schätzen wissen, sind sehr selten – und die Reissorten gefährdet …
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