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Biologie: Auf dem Weg zur Unsterblichkeit?

Seit Mitte des 19. Jahrhunderts steigt die jeweils höchste Lebenserwartung unter Industrienationen linear an: jedes Jahr um knapp drei Monate, innerhalb von vier Jahren also um fast ein ganzes Jahr. Der Rostocker Demografieforscher Jim Vaupel hat das in den schönen Satz gefasst: "Lebe neun Monate und erhalte drei gratis dazu."

Die instinktive Reaktion der meisten Menschen ist, dies könne eigentlich nicht sein. Aber noch jede Vorhersage über den Zeitpunkt, an dem die steil nach oben weisende Lebenserwartungskurve endlich abflachen würde, hat sich als falsch erwiesen. Wir werden älter und älter. Dass das, wie die Überschrift suggeriert, stracks in die Unsterblichkeit führe, bleibt natürlich reine Provokation.

Das in diesem Zusammenhang unverzichtbare Woody-Allen-Zitat lautet: "Ich möchte nicht durch meine Werke unsterblich werden, sondern dadurch, dass ich nicht sterbe." Die wenigsten werden seine Meinung teilen, wenn sie darüber nachdenken. Schon das heutige Methusalemalter von 100 oder gar 120 Jahren kann eine höchst zweischneidige Angelegenheit sein. Der Lehrsatz der Alternsforschung lautet denn auch, dass es nicht darauf ankomme, Jahre zum Leben, sondern Leben zu den Jahren hinzuzufügen. König Amfortas im Parsifal hat unser Mitleid, wenn er die Erlösung sucht, endlich sterben zu dürfen. Mit der Verlängerung des Lebens erhält auch der Tod mitunter eine veränderte Qualität.

Insofern kann es eigentlich nicht Aufgabe der Wissenschaft sein, nur nach Mitteln und Wegen zu suchen, wie wir immer noch älter werden könnten. In der Regel ist die höhere Lebenserwartung auch nur mittelbare Konsequenz anderer Fortschritte, zum Beispiel in Medizin und Hygiene. Mit dem unbestrittenen Gewinn an Leben durch verringerte Sterblichkeit in jungen Jahren haben wir uns schwierige Jahre gegen sein Ende hin eingekauft – so mag es zumindest erscheinen.

Aber wie steht es mit den im Alter gewonnenen Jahren wirklich? Sind sie von einem stetig voranschreitenden Verlust geprägt, so dass sich, zumindest unter Umständen, auch das Leiden nur verlängert? Oder ist nicht doch die Zahl der guten Jahre unter den zusätzlichen überproportional hoch? Letzteres nennt man das Konzept der "komprimierten Morbidität": eine Verdichtung des Verfalls auf eine verhältnismäßig kürzere Zeit am Ende, so dass bei verlängertem Leben in der Tat die Chance auf mehr gute als schlechte Jahre bestünde. Ob das zutrifft, ist sehr schwierig zu untersuchen, und vielleicht stellt das Konzept der komprimierten Morbidität auch eher eine Zielvorstellung dar.

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