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Blick ins Innere von Dinosaurier-Eiern

Fossile Eier von Dinosauriern wurden mikroskopisch und computertomographisch untersucht. Dabei erwiesen sie sich entgegen dem äußern Anschein als nicht mehr intakt.Dennoch erlauben solche Untersuchungen eine Typisierung und sogar Schlüsse auf das Verhalten der Jungtiere.


Die Dinosaurier faszinieren Laien und Experten gleichermaßen. Besucher von Museen und Ausstellungen staunen vor allem über die imposanten fossilen Skelette und die daraus abgeleiteten, mehr oder weniger naturgetreuen Rekonstruktionen. Lange haben sich die Paläontologen vorwiegend auf das Knochenmaterial gestützt und daraus nicht nur den Körperbau abgeleitet, sondern auch Rückschlüsse auf die Lebensweise der Riesenechsen gezogen, die als erfolgreichste Gruppe landbewohnender Wirbeltiere im Mesozoikum (dem 250 bis 65 Millionen Jahre zurückreichenden Erdmittelalter) dominierten und an der Wende zum Tertiär ausstarben.

In den letzten Jahren hat man jedoch zunehmend erkannt, daß andere fossile Zeugnisse gleichfalls wichtige Informationen bergen: Außer teils noch gut erhaltenen Fußspuren (Spektrum der Wissenschaft, März 1983, Seite 68) sind dies insbesondere Eischalenreste und sogar ganze Gelege ( Spektrum der Wissenschaft, Juni 1984, Seite 130).

Dinosaurier-Eier waren bereits im vergangenen Jahrhundert in Frankreich entdeckt worden. Große Publizität erlangten dann Exemplare, die 1922 in der Wüste Gobi gefunden wurden. Doch erst Mitte der sechziger Jahre gingen einige Forscher daran, diese Relikte zu röntgen sowie mittels Licht- und Rasterelektronenmikroskopie eingehender zu analysieren.

Dabei zeigte sich, daß sich die Schalen nicht nur in Größe und Form, sondern auch in ihrer Struktur deutlich unterscheiden. Im wesentlichen bestehen sie aus winzigen Kegeln des Kalkminerals Calcit, deren Spitzen nach innen weisen. Außerdem sind sie von einem System aus Poren oder Kanälen durchzogen, durch die Atemluft zum Embryo gelangte. Anhand der variierenden Gestalt der Calcit-Kegel sowie der Zahl und Größe der Poren hat man bisher sechs Bautypen (Morphotypen) von Dinosaurier-Eiern unterschieden; die drei wichtigsten werden als Dendro-, Faveolo- und Spheroolithidae bezeichnet.

Eine Zuordnung dieser Gruppen zu bestimmten Dinosauriern ist jedoch problematisch, weil man die Gelege kaum je gemeinsam mit den Skeletten von Elterntieren vorfindet; deshalb konnte bisher nur in Einzelfällen zweifelsfrei festgestellt werden, zu welcher Art ein Ei gehört. Genauere Aufschlüsse versprechen hier moderne Röntgenmethoden wie die Computer-Tomographie – ermöglichen sie doch, den versteinerten Ei-Inhalt sichtbar zu machen, ohne daß man das wertvolle Fossil zerstören müßte. Insbesondere hofft man, eventuell noch vorhandene Reste des Embryos aufzuspüren und von ihnen auf die Elterntiere schließen zu können.

In letzter Zeit wurden – wohl wegen des gesteigerten allgemeinen Interesses an dem Thema durch den Film "Jurassic Park" – deutschen Museen und Forschungseinrichtungen zu Preisen zwischen 1000 und 3000 Mark vermehrt Dinosaurier-Eier angeboten. So haben auch das Dinosaurier-Freilichtmuseum Münchehagen (Kreis Nienburg) 20 erst kürzlich in der chinesischen Provinz Henan entdeckte Exemplare mit einem Alter von ungefähr 100 Millionen Jahren (obere Unterkreide) und das Roemer- und Pelizaeus-Museum Hildesheim ein als Protoceratops-Ei beschriebenes Fossil aus der Mongolei erworben, das etwa 75 Millionen Jahre alt ist (obere Oberkreide). Wir erhielten Gelegenheit, diese Funde auf ihre Schalenstruktur hin zu analysieren und den Inhalt computer-tomographisch zu untersuchen.

Die 20 Eier aus China sind äußerlich vorzüglich erhalten (Bild 1 links oben); sie lassen sich trotz anhaftendem Sediment schon nach ihrer Form unterschiedlichen Morphotypen zuordnen. Bislang haben wir lediglich an einem die Schalenstruktur analysiert. Laut Verkaufszertifikat soll es zum Typ Spheroolithus gehören. Unsere Untersuchungen ergaben jedoch, daß es am ehesten den Dendroolithidae ähnelt, von denen man vermutet, daß sie von großen, vierfüßigen pflanzenfressenden Dinosauriern (Sauropoden) oder aber von Entenschnabel-Dinosauriern (Ornithopoden) stammen. Wahrscheinlich repräsentiert es jedoch einen neuen, bisher unbekannten Typus (Bild 1 links unten).

Die computer-tomographische Röntgenuntersuchung enttäuschte zwar die Hoffnung, Relikte von Embryonen zu finden, lieferte aber andere interessante Ergebnisse. So erwies sich: daß unter dem anhaftenden Sediment jeweils ein großes Stück Schale fehlt (Bild 1 rechts oben); dafür befinden sich im Ei-Inneren auf dem Boden viele kleine Fragmente. Bei einem Exemplar machte die Überlagerung der tomographischen Schnittbilder zum dreidimensionalen Bild der Schale ein großes Loch sichtbar (Bild 1 rechts unten).

Wahrscheinlich sind die Jungtiere also normal geschlüpft, bevor die Eier versteinerten. Später ist durch die Öffnung Sediment in die leere Schale hineingeregnet, wobei Schalenteile vom Rand weggebrochen und in die Sedimentfüllung eingebettet worden sind; ansonsten ist die Eischale weitgehend unversehrt geblieben. Dies deutet darauf hin, daß es sich bei diesen Dinosauriern um Nestflüchter handelte. Nesthocker hätten die Schale in der Zeit nach dem Schlüpfen allmählich zertreten; und wenn sich Nesträuber an den Eiern gütlich getan hätten, wären im Ei-Inneren größere Schalenfragmente zu erwarten gewesen, die dem großen zusammenhängenden Schalenstück direkt aufliegen würden.

Wie erwähnt, wurde das in der Mongolei gefundene Ei (Bild 2 links oben) als das eines Protoceratops – also eines primitiven Horndinosauriers – verkauft. Doch auch hier widerlegte die Analyse der Schale diese Zuordnung. Sie ergab vielmehr, daß das Ei zur Gruppe der Faveoloolithidae gehört, welche vermutlich ebenfalls von Sauropoden gelegt wurden. Darauf deutet schon die ungewöhnliche Schalendicke von ungefähr drei Millimetern gegenüber nur etwa einem Millimeter bei echten Protoceratops-Eiern. Weitere Indizien sind die Form der Calcit-Kegel, die dem sogenannten filisphärulithischen Morphotyp angehören (Bild 2 rechts oben), und die hohe Anzahl von Poren für den Gasaustausch; das für Faveoloolithidae typische multicanaliculate Porensystem zeigt im Tangentialschnitt eine regelrechte Bienenwabenstruktur (Bild 2 rechts unten).

Zu der falschen Zuordnung verführt hatten offenbar die Kleinheit und die länglich schmale Form des fossilen Reliktes. Eine Erklärung dafür lieferten unsere computer-tomographischen Untersuchungen. Danach hat sich entgegen dem äußeren Anschein tatsächlich nur eine halbe Eischale erhalten. Sie ist in zwei größere Teile und viele kleine Fragmente zerbrochen, die beiden größeren Schalenreste wurden bei der Einbettung ins Sediment zusammengeklappt und etwas gegeneinander verschoben (Bild 2 links unten). Ursprünglich war das Ei demnach wesentlich voluminöser und kugelig, wofür auch die ungewöhnliche Schalendicke spricht.

Die Ergebnisse unserer Untersuchungen machen deutlich, wie wenig man sich bei der Zuordnung und Interpretation von Dinosaurier-Eiern auf den bloßen Augenschein verlassen darf. Erst die mikroskopische und röntgentomographische Analyse erlaubt zuverlässige Aussagen. Auf die Entdeckung der ersten fossilen Embryonen darf man weiter gespannt sein.


Aus: Spektrum der Wissenschaft 10 / 1994, Seite 24
© Spektrum der Wissenschaft Verlagsgesellschaft mbH

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