Bodenentgiftung mit spezialisierten Pflanzen
Bestimmte Gewächse können Schwermetallverbindungen aufnehmen und anreichern. Sie bieten sich somit zur Entseuchung kontaminierter Böden an.
Bei der Suche nach wertvollen Lagerstätten in geringer Tiefe orientierten sich Erzsucher schon vor Hunderten von Jahren am Vorkommen bestimmter Pflanzenarten, die Metalle wie Kupfer und Blei im Boden weit besser tolerieren als andere Gewächse. Zu diesen wenigen Arten gehören Rassen der Grasnelke, die heute die Abraumhalden früherer Erzbergwerke besiedeln, und das Galmei-Veilchen, das auf zinkreichen Böden vorkommt (Bild auf Seite 20). Diese Pflanzen nehmen giftige Metallverbindungen über die Wurzeln auf und reichern sie bis zu Konzentrationen an, die für andere Gewächse tödlich wären. So fand Garry Brown an der Universität Bonn in älteren Grasnelkenblättern einen Bleigehalt von 3 bis 4 Prozent ihres Trockengewichts, und einige Vertreter tropischer Wolfsmilchgewächse können bis zu 4 Prozent Nickel speichern.
Nun beschränkt sich das Problem der Kontamination mit Metallen keineswegs auf Bergbauhalden. Viele ehemalige Militärgelände sind mit Blei- und Cadmiumverbindungen verseucht, und auf öffentlichen Müllkippen können Kupfer, Quecksilber und Blei eine Gefahr darstellen. Desgleichen enthalten Klärschlämme hohe Konzentrationen an Schwermetallen, und auch landwirtschaftliche Flächen sind zunehmend belastet, seit Quecksilberverbindungen in Beizen für Samen und Zwiebeln zur Bekämpfung von Pilzen und Bakterien verwendet werden.
Bei der gebräuchlichen Sanierungsmethode hebt man metallhaltige Böden aus und erhitzt sie in großen Öfen bis auf 800 Grad Celsius, so daß sie gleichsam verbacken und die Metallbestandteile fest gebunden werden. Dieses Verfahren ist jedoch aufwendig, teuer und allenfalls kleinflächig anwendbar. Außerdem sind die derart behandelten Böden steril und für Pflanzenanbau nicht mehr geeignet, so daß sie deponiert werden müssen.
Vor diesem Hintergrund scheint es eine verlockende Idee, belasteten Böden die Schwermetalle einfach mit Pflanzen zu entziehen. Daß dies im Prinzip möglich ist, belegen inzwischen etliche Untersuchungen und erste Erfolgsberichte.
Eine praktische Bewährungsprobe hat zum Beispiel schon der Sareptasenf (Brassica juncea) bestanden, der im Orient als Gewürzpflanze angebaut wird. Er ist gleichsam ein Multitalent: Außer Blei, Chrom, Cadmium, Nickel, Zink und Kupfer vermag er auch Verbindungen des Nichtmetalls Selen anzureichern. Dieses toxische Element findet sich in ungewöhnlich großen Mengen in den Böden im kalifornischen San-Joa-quin-Tal. Durch die künstliche Bewässerung der Felder, ohne die keine hohen Erträge zu erzielen sind, wurde es allmählich mobilisiert und gelangte über die Drainage in Bachläufe und Brunnen, wo es ein Risiko für Umwelt und menschliche Gesundheit darstellte. Deshalb entschlossen sich die Farmer auf Anraten von Wissenschaftlern aus dem USLandwirtschaftsministerium vor einigen Jahren, als Gegenmaßnahme Sa-reptasenf anzubauen, der auch ohne Bewässerung gedeiht. Inzwischen ist der Selengehalt der Böden bis in einen Meter Tiefe bereits unter die Hälfte des Ausgangswerts abgesunken, und die Farmer werden bald wieder auf profitable Feldfrüchte umschwenken können.
Feldversuche mit anderen schwermetalltoleranten Pflanzen in den USA und Großbritannien verliefen ähnlich vielversprechend. In Deutschland ergaben Untersuchungen von Roland Megnet an der Universität Oldenburg, daß der Riesenknöterich Polygonum sachalinense, der von der russischen Halbinsel Sachalin stammt und zwei bis vier Meter hoch wird, 200 bis 300 Tonnen Biomasse je Hektar bilden und dabei 322 Kilogramm Zink, 24 Kilogramm Blei und 1,3 Kilogramm Cadmium aufnehmen kann. Seinem praktischen Einsatz steht allerdings entgegen, daß er ein gefürchtetes Unkraut ist, das sich schnell überall breitmacht.
Normalerweise sind schwermetalltolerante Pflanzen dagegen eher kleine Gewächse, die nur wenig Biomasse bilden und folglich auch keine allzu großen Mengen Metall aus dem Boden zu entfernen vermögen. Deshalb bemüht man sich derzeit, ihre Aufnahmefähigkeit für die Schadstoffe gentechnisch zu steigern.
Allerdings wird dies noch durch viele Wissenslücken erschwert. So ist bisher erst teilweise bekannt, wie die Pflanzen Metalle anreichern. Der Sareptasenf und einige andere Gewächse produzieren dazu eigens sogenannte Phytochelatine. Diese kleinen Peptidmoleküle binden die Metall-Ionen in Form eines Komplexes, der wiederum durch ein spezielles Protein in die Vakuole, den zentralen Saftraum der Pflanzenzellen, transportiert und dort in unschädlicher Weise gespeichert wird. Die genetische Steuerung des gesamten Vorgangs ist freilich so komplex, daß sie mit gentechnischen Methoden bisher nicht gezielt beeinflußt werden konnte.
Aus diesem Grunde verfolgen Richard B. Meagher und seine Kollegen an der Universität von Georgia in Athens einen anderen Ansatz. Sie haben das Gen für ein bakterielles Enzym, welches hochgiftige Quecksilberverbindungen in relativ harmlose überführt, in leicht modifizierter Form auf Pflanzen übertragen ("Proceedings of the National Academy of Sciences USA", Band 93, Seiten 3182 bis 3187). Diese wurden dadurch tolerant für das Schwermetall: Sie wuchsen im Labor auf Medien, die mit Verbindungen des zweiwertigen Quecksilbers wie Quecksilberchlorid versetzt waren, wohingegen nicht manipulierte Vergleichspflanzen abstarben. Das bakterielle Enzym in den transgenen Gewächsen reduziert das aufgenommene Quecksilberchlorid zu weit weniger giftigem elementarem Quecksilber. Dieses ist relativ flüchtig und entweicht als Dampf – allerdings nur in so minimalen Mengen, wie sie auch aus Amalgam-Zahnfüllungen freigesetzt werden. In der Luft wird der Quecksilberdampf zudem schnell verdünnt und verdriftet.
Einen ähnlichen Weg beschritt eine Forschergruppe an der Universität Victoria (kanadische Provinz British Columbia). Sie führte in Raps und Tabak tierische Gene für Metallothionine ein – kleine schwefelreiche Proteine, die in der Leber von Wirbeltieren Metalle wie Cadmium und Quecksilber abfangen. Die transgenen Pflanzen und ihre Nachkommen wuchsen auf cadmiumhaltigen Medien deutlich besser als die Wildtypen. Vermutlich kommen Metallothionine in Pflanzen auch natürlicherweise vor; ob sie bei der Anreicherung von Schwermetallen eine Rolle spielen, wird derzeit erforscht.
Selbstverständlich birgt der großflächige Anbau von schwermetalltoleranten Pflanzen auch Probleme. So läßt sich derzeit kaum abschätzen, inwieweit die pflanzenfressende Kleintierwelt und ihre Vertilger geschädigt werden. Außerdem erhebt sich die Frage nach dem Verbleib der schwermetallverseuchten Pflanzenmasse. Verbrennung und Rückgewinnung der angereicherten Schadstoffe lohnt sich wohl nur bei wertvollen Metallen wie Kupfer und Nickel. Ansonsten müssen die Pflanzen getrocknet und sicher deponiert werden, wie das auch mit kontaminierten Böden geschieht. Ihre viel geringere Masse macht die Lagerung jedoch einfacher und billiger. Insgesamt dürften die Vorteile einer wirtschaftlichen Nutzung von Pflanzen als Bodenentgifter die Nachteile überwiegen.
Aus: Spektrum der Wissenschaft 5 / 1997, Seite 19
© Spektrum der Wissenschaft Verlagsgesellschaft mbH
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