Soziale Wahrnehmung: Emotionaler Ausnahmezustand
Menschen mit Borderline-Persönlichkeitsstörung haben häufig eine lange Geschichte von unglücklichen Liebesbeziehungen, Trennungen und Versöhnungen hinter sich. Auch ihre Freundschaften laufen nach einem ähnlichen Muster ab: Mal stehen sie einer bestimmten Person sehr nahe, verbringen viel Zeit mit ihr und idealisieren sie, dann wiederum verkrachen sie sich so sehr, dass die Freundschaft in die Brüche geht.
Schwierigkeiten im Umgang mit anderen Menschen sind das hartnäckigste Symptom der Borderline-Persönlichkeitsstörung (BPS). Laut einer Längsschnittstudie von John Gunderson und seinen Kollegen von der Harvard University erfüllten nach zehn Jahren 85 Prozent der Patienten die Diagnose nicht mehr. Wirklich gesund waren sie leider trotzdem nicht: Die Mehrheit hatte immer noch große Probleme in Partnerschaften, Freundschaften, mit der Familie oder Kollegen.
Die Beziehungsprobleme hängen damit zusammen, dass Menschen mit Borderline-Persönlichkeitsstörung sehr intensive Gefühle erleben: Schon Kleinigkeiten können bei ihnen große Angst, Schuld, Scham, Wut, Traurigkeit oder ausgeprägten Selbsthass hervorrufen. Solche Emotionsausbrüche treten mehrmals täglich auf und wechseln sich oft sehr schnell ab. Sie sind nicht nur stärker als die von gesunden Menschen, sondern halten auch länger an, weswegen sie sich mitunter überlagern und aufaddieren. Dadurch gelangen die Betroffenen in einen höchst unangenehmen Zustand diffuser Anspannung, den sie keinem bestimmten Gefühl mehr zuordnen können – und so schnell wie möglich beenden möchten.
In einer 2016 veröffentlichten Metaanalyse gingen wir der Frage nach, inwiefern das Gehirn von Menschen mit Borderline-Persönlichkeitsstörung emotionale Reize anders verarbeitet als das von Gesunden. Gemeinsam mit Lars Schulze von der Freien Universität Berlin werteten wir 19 Studien mit funktioneller Magnetresonanztomografie aus. Das Ergebnis: Die linke Amygdala der Patienten reagiert stärker auf negative Bilder, Wörter und Gesichter als die von gesunden Probanden. Diese Hirnregion arbeitet entscheidend an der Entstehung von Gefühlen mit. Zusätzlich weisen die Betroffenen im Vergleich zu Gesunden einen weniger aktiven dorsolateralen präfrontalen Kortex auf, der bei der Regulation von Gefühlen eine Schlüsselrolle einnimmt. Das könnte erklären, weshalb es ihnen nur schlecht gelingt, adäquat mit ihrer Anspannung und ihren starken Emotionen umzugehen ...
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