Brain-Reading: Der Traum vom Gedankenlesen
Woran, meinen Sie, hat die Person gedacht, als sie im Hirnscanner lag und das Bild »Sprache des Gehirns« gemessen wurde? Zugegeben, diese Frage ist gemein. Denn auch ich (John-Dylan Haynes) als Hirnforscher kann sie trotz jahrelanger Erfahrung nicht durch einen Blick auf das Muster beantworten. Die Bilder der Hirnaktivität müssen mit Hilfe von Computern ausgewertet werden. Dies erklärt auch die Enttäuschung einer Journalistin, die vor ein paar Jahren in unserem MRT-Labor im Berliner Bernstein Center der Charité zu Besuch war. Sie kam mit der Vorstellung zu uns, wir könnten die fMRT-Aufnahmen interpretieren wie ein Kunsthistoriker ein Gemälde in einem Museum. Sie glaubte, wir würden die MRT-Bilder an die Wand im Labor hängen und so lange darüber sinnieren, bis schließlich klar wäre, welche Botschaften sie enthielten. Der Forschungsalltag sieht allerdings anders aus. Die Information, die in den fMRT-Bildern relevant ist, lässt sich nicht mit bloßem Auge erkennen. Wir müssen dafür Computern beibringen, nach dem Gedankencode im Gehirn zu suchen. Aber eine Frage müssen wir uns vorher stellen: Was genau ist der Code der Gedanken?
Um einen solchen Code zu entschlüsseln, muss man sich erst einmal die Daten genau anschauen. Das Hirn erzeugt bei jedem Auftreten eines Gedankens jeweils ein präzises und wiederholbares Aktivitätsmuster. Wir können dies sehr vereinfacht mit einer CD vergleichen. So wie ein Musikstück auf einer CD durch ein spezifisches Muster von Vertiefungen codiert ist, werden im Hirn die verschiedenen Gedanken im Muster der neuronalen Aktivität codiert. Wann immer man die CD, auf die vielleicht eine Aufnahme von Beethovens Pathétique gepresst ist, in den Slot des Gerätes schiebt, erklingt genau diese und keine andere Klaviersonate, weil das Rillenmuster unverwechselbar ist. Ähnlich ist es bei den Gedanken im Gehirn: So wie man die CD als Trägermedium der Musik verstehen kann, fungiert das Gehirn als Trägermedium der Gedanken ...
Schreiben Sie uns!
Beitrag schreiben