Wissenschaftsgeschichte: Augenweide
Kaum eine europäische Forschungsexpedition des 18. und 19. Jahrhunderts verzichtete auf einen professionellen Zeichner. Es galt, fremde Länder, Menschen und Kulturen, Pflanzen und Tiere wirklichkeitsgetreu und zugleich kunstvoll zu dokumentieren. Das war auch bei den Expeditionen Alexander von Humboldts so. Der Forscher (1769 – 1859) war nicht nur als Naturwissenschaftler und Anthropologe, sondern auch als talentierter und fähiger Reisezeichner unterwegs. Dank einer verlegerischen und herausgeberischen Meisterleistung ist Humboldts grafisches Gesamtwerk nun erstmals in einem Band versammelt.
In den mehr als sieben Jahrzehnten seines Schaffens hat Humboldt eine beispiellose wissenschaftliche Leistung erbracht. Er genoss schon zu Lebzeiten als "Wissenschaftsfürst" höchstes Ansehen, galt als "neuer Aristoteles" und wegen seines Hauptwerks – dem Bericht über die große Amerikareise von 1799 bis 1804 – als "zweiter Kolumbus" beziehungsweise als "wissenschaftlicher Wiederentdecker Amerikas".
Mehrjährige Forschungsreisen führten ihn nach Lateinamerika, in die USA sowie nach Zentralasien. Seine Beschreibungen haben wesentlich dazu beigetragen, die Geografie zu einer empirischen Wissenschaft zu machen – auch weil sie so exzellent bebildert sind. Wie Herausgeber Oliver Lubrich, Professor für Neuere deutsche Literaturwissenschaft und Komparatistik an der Universität Bern und (Mit-)Herausgeber weiterer humboldtscher Werke, in der Einführung verdeutlicht, waren Humboldts Zeichnungen einerseits typisch für die damalige Zeit, andererseits einzigartig. Denn dem Universaltalent gelangen darstellerische Innovationen, die bis heute nachwirken. Zu ihnen gehören diagrammatische Gebirgsprofile, die mit der Schichtung von Vegetationszonen kombiniert wurden. Zudem war Humboldt der Erste, der geografische Zonen gleicher Durchschnittstemperatur mit isothermen Linien kennzeichnete – so wie auf heutigen Wetterkarten allgemein üblich. ...
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