Direkt zum Inhalt

Gesundheit: Um den Schlaf gebracht

Warum unsere innere Uhr immer schlechter funktioniert.

Viele Blinde, erfahren wir in diesem Buch, leiden unter Schlafstörungen, weil ihre innere Uhr schlecht funktioniert. Denn die Ausschüttung des "Schlafhormons" Melatonin, das im menschlichen Körper den Tag-Nacht-Rhythmus steuert, werde von Lichtsensoren in der Netzhaut reguliert, die auf die Bewertung von Helligkeitsunterschieden spezialisiert sind. Bei mehreren Formen der Blindheit falle dieser Mechanismus aus, wodurch der Melatoninhaushalt durcheinander gerate.

Doch auch bei Menschen mit intakter Netzhaut könne es zu melatoninbedingten Schlafstörungen kommen. Dann nämlich, wenn sie – wie vielfach der Fall – tagsüber nur winzige Dosen Sonnenlicht empfangen, abends und nachts hingegen gleißendem Kunstlicht ausgesetzt sind. Wie der Wissenschaftsjournalist Peter Spork in seinem Buch schreibt, sei dann die Gefahr groß, dass die "Hauptuhr" im Zwischenhirn aus dem Takt gerate und der Körper seine inneren Abläufe nicht mehr mit denen in der Außenwelt synchronisieren könne. In diesem Zustand hätte unser Organismus keinen Anhaltspunkt mehr, ob es gerade Morgen, Mittag, Abend oder Nacht sei.

Eigentlich – behauptet Spork – "weiß" der menschliche Körper ziemlich genau, welche Tageszeit gerade herrscht und wann welche physiologischen Funktionen Vorrang haben. Dieses intuitive Programm laufe allerdings ab, ohne dass es uns bewusst werde. Und die innere Uhr, die ein Überbleibsel aus der Steinzeit sei, müsse anhand bestimmter Stimuli aus der Außenwelt immer wieder neu gestellt werden.

Der Autor benennt Probleme, die seiner Meinung nach auftreten, wenn die innere Uhr falsch geht. So habe der übliche Schulbeginn zwischen 7 und 8 Uhr zur Folge, dass die allermeisten Kinder und Jugendlichen permanent mit zu wenig Schlaf auskommen müssten. Spork vermutet, dieser chronische Schlafmangel lasse viele Heranwachsende an ADHS oder Fettsucht erkranken. In seinen Augen ist es zwingend erforderlich, Erkenntnisse aus der Chronobiologie zu berücksichtigen und den Unterricht für die Mittelstufe frühestens um 9 Uhr, denjenigen für die Oberstufe gegen 10 Uhr beginnen zu lassen.

Es gebe Länder, in denen das – allerdings unfreiwillig – bereits heute zum Teil umgesetzt sei. In Kroatien, Island, Tansania oder Jamaika herrsche ein solcher Mangel an Lehrkräften oder Schulen, dass man sich nicht anders zu helfen wisse, als die eine Hälfte der Schüler vormittags, die andere nachmittags und abends zu unterrichten. Jeweils nach einer Woche würden die Gruppe getauscht. Dieses rotierende System bringt den Schülern laut Spork den Vorteil, viel öfter ausschlafen zu können.

Nicht nur Kindern und Jugendlichen, sondern dem Großteil der Bevölkerung werde in den westlichen Staaaten ein Zeitregime aufgezwungen, das sich rücksichtslos über die innere Uhr hinwegsetze, meint der Autor. Zahlreiche Indizien sprächen dafür, dass dies Stoffwechselstörungen, Diabetes, Fettsucht, Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Krebs begünstige. Auch Depressionen, Süchte und Burnout-Störungen könnten aus der unnatürlichen Lebensweise resultieren. Als Gegenmaßnahmen fordert Spork unter anderem, die Sommerzeit sofort abzuschaffen, Schicht- und Nachtarbeit so weit wie irgend möglich einzuschränken und tagsüber nur noch kaltweiße, abends und nachts dagegen ausschließlich warmgelbe Leuchtmittel zu verwenden.

Sporks Argumente wirken plausibel. Allerdings neigt er dazu, nur solche Forschungsergebnisse zu zitieren, die seine Hypothesen bestätigen. Trotz dieses Mankos ist "Wake up" ein lesenswertes Buch – eine Warnung davor, es werde sich früher oder später rächen, ständig die Nacht zum Tage und den Tag zur Nacht zu machen.

Kennen Sie schon …

Spektrum der Wissenschaft – Altern - Was uns länger leben lässt

Menschen altern unterschiedlich – abhängig vom Lebensstil, der Ernährung, dem Stresspegel oder dem sozialen Umfeld. Mit zunehmendem Lebensalter steigt auch das Risiko für Demenzerkrankungen wie Alzheimer. Ein wirksames Mittel gegen dieses Leiden ist immer noch nicht gefunden, neue Erkenntnisse aus der Forschung lassen jedoch hoffen. Die weltweit alternden Gesellschaften fordern aber nicht nur die Medizin heraus, sondern auch unsere Sozialfürsorge. Letztlich bleibt das wichtigste Ziel, möglichst lange gesund und agil zu bleiben.

Spektrum - Die Woche – Seelische Not wie nie zuvor

Der dritthäufigste Grund für Krankmeldungen in Deutschland sind psychische Erkrankungen. Expertinnen und Experten beobachten diesen Trend mit Sorge. In der aktuellen Woche beleuchten wir, welche Ursachen hinter den neuen Rekordzahlen liegen könnten.

Gehirn&Geist – Aus Fehlern lernen

Missgeschicke gehören zum Leben dazu. Unser Gehirn bemerkt sie oft blitzschnell. Wie registriert unser Gehirn, wenn wir uns irren, wie reagiert es darauf und warum lernt das Gehirn nicht immer aus den Fehlern? Daneben berichten wir, aus welchen Gründen manche Kinder den Kontakt zu ihren Eltern abbrechen und wie eine Annäherung vielleicht gelingen kann. Therapien von Morbus Alzheimer konzentrierten sich auf die Bekämpfung der Amyloid-Plaques. Doch man sollte dringend die Ablagerungen des Tau-Proteins stärker in den Blick nehmen. Die Folgen des hybriden Arbeitens rücken zunehmend in den Fokus der Forschung. Es führt zu einer höheren Zufriedenheit bei den Angestellten. Allerdings gibt es auch Nachteile. Bremst das Homeoffice die Kreativität? Daneben gehen wir der Frage nach, ob Tiere empathisch sind.

Schreiben Sie uns!

Beitrag schreiben

Wir freuen uns über Ihre Beiträge zu unseren Artikeln und wünschen Ihnen viel Spaß beim Gedankenaustausch auf unseren Seiten! Bitte beachten Sie dabei unsere Kommentarrichtlinien.

Tragen Sie bitte nur Relevantes zum Thema des jeweiligen Artikels vor, und wahren Sie einen respektvollen Umgangston. Die Redaktion behält sich vor, Zuschriften nicht zu veröffentlichen und Ihre Kommentare redaktionell zu bearbeiten. Die Zuschriften können daher leider nicht immer sofort veröffentlicht werden. Bitte geben Sie einen Namen an und Ihren Zuschriften stets eine aussagekräftige Überschrift, damit bei Onlinediskussionen andere Teilnehmende sich leichter auf Ihre Beiträge beziehen können. Ausgewählte Zuschriften können ohne separate Rücksprache auch in unseren gedruckten und digitalen Magazinen veröffentlicht werden. Vielen Dank!

Bitte erlauben Sie Javascript, um die volle Funktionalität von Spektrum.de zu erhalten.