Chip im Briefumschlag
Qualität im Zustelldienst – ob bei Brief- und Paketpost oder im Lieferservice – bedeutet, daß alle Sendungen ihren Empfänger zuverlässig und schnell erreichen. Schwachstellen auf den Wegenetzen und Knotenstationen aufzuspüren erforderte bislang langwierige Beobachtungen durch erfahrene Mitarbeiter. Ein von der AEG Electrocom entwickeltes Qualitätstestsystem erledigt dies nun schneller, genauer, preiswerter und vor allem objektiv.
Kernstück des Systems sind elektronische Meßbriefe, die sich äußerlich nicht von gewöhnlichen Kompaktbriefen unterscheiden: Format 152 mal 108 mal 5 Millimeter, Gewicht unter 50 Gramm. In dem Standardumschlag befindet sich aber ein Hochleistungs-Chip, der Beschleunigungen mißt und samt den zugehörigen Zeiten speichert; zudem toleriert er auch Sortier- und Stempelmaschinen.
Die Frequenzspektren der Meßsignale ermöglichen, unterschiedliche Phasen der Beförderung zu unterscheiden: Leeren des Briefkastens, Fahrten mit Auto oder Bahn, eventuell Flug, insbesondere aber Liegezeiten; so lassen sich selbst Fahrzeugwechsel, die Aufenthalte von Zügen in Bahnhöfen und kurze Unterbrechungen beim Einsammeln, Sortieren und Zustellen der Briefe erkennen.
Im allgemeinen folgt der Postransport Standardrouten, sozusagen logischen beziehungsweise chronologischen Ketten. Mit ihnen entsprechenden Referenzkurven lassen sich die Frequenzspektren des Meßbriefs vergleichen (Bild); Abweichungen sind so leicht zu identifizieren.
Will man die Genauigkeit des Verfahrens erhöhen und Schwachstellen einkreisen, werden einfach mehrere Meßbriefe auf die Reise geschickt. Sollen weit voneinander entfernte Sortierzentren überprüft werden, wertet man Zustellzyklen an mehreren Stationen aus. Weil Aufgabe- und Zielort eingespeichert sind, die gesamte Meßzeit maximal 20 Tage beträgt und die Daten für weitere 20 Tage gespeichert bleiben, läßt sich so das gesamte Postnetz überprüfen.
Das Testsystem der AEG Electrocom soll nicht allein für die Deutsche Post verwendet werden. Weil auch der Versand per Flugzeug oder Schiff charakteristische Signale ergibt, ist der Meß-Chip für weltweite Zustelldienste aller Art geeignet. Damit ließe sich eine qualitätsabhängige Bezahlung von Transportdiensten einführen.
Aus: Spektrum der Wissenschaft 1 / 1997, Seite 104
© Spektrum der Wissenschaft Verlagsgesellschaft mbH
Schreiben Sie uns!
Beitrag schreiben