CHIP, TIP und PIP - Proteine für Wasserkanäle undZellmembranen
Aquaporine, kleine porenbildende Proteine, lassen nur Wasser, aber keine anderen Moleküle oder Ionen passieren. Vor allem in Membranen von Zellen mit größerem Flüssigkeitsdurchsatz hat man sie entdeckt, zunächst bei Tieren, inzwischen auch bei Pflanzen.
Zellen bestehen hauptsächlich aus Wasser, und bei vielen physiologischen Vorgängen strömt es durch die äußere Zellmembran ein oder aus. In kleinen Mengen geschieht das einfach durch Diffusion in Richtung des herrschenden Konzentrationsgefälles; denn die fettartige Lipid-Doppelschicht der Membran ist für Wassermoleküle bis zu einem gewissen Grade durchlässig, für viele andere Stoffe dagegen eine Barriere.
Je nach Zelltyp unterscheidet sich aber die Wasserleitfähigkeit der Plasmamembran erheblich; ungewöhnlich hoch ist sie beispielsweise bei roten Blutkörperchen und bei gewissen Zellen der Nierenkanälchen. Bereits vor mehr als 30 Jahren hat man deshalb spezielle Proteinporen oder -kanäle postuliert, die einen schnellen und dennoch selektiven Durchtritt von Wasser erlauben. Ihre Existenz war auch daraus zu erschließen, daß bestimmte organische Quecksilberverbindungen die selektive Passage reversibel hemmten, während die diffusionsbedingte davon unbeeinflußt blieb.
Erst in jüngster Zeit gelang es jedoch, solche Wasserschleusen in Zellmembranen bei Säugetieren und schließlich auch bei Blütenpflanzen eindeutig nachzuweisen und ihren Aufbau aus besonderen Proteinen – treffend Aquaporine genannt – zu klären. Dies ist besonders das Verdienst der Arbeitsgruppen um Peter Agre von der Johns-Hopkins-Universität in Baltimore (Maryland) und Maarten J. Chrispeels von der Universität von Kalifornien in San Diego.
CHIP
Das erste identifizierte Aquaporin entstammt der Plasmamembran von roten Blutkörperchen und bestimmten Nierenzellen. Es erhielt das Kürzel CHIP (für englisch channel-forming integral protein, kanalbildendes Integralprotein). Sein Gen wurde isoliert und seine Aminosäuresequenz, die Abfolge der Bausteine des Proteins, entschlüsselt.
Für den experimentellen Nachweis, daß man das richtige unter den verschiedenen anderen häufigen Membranproteinen solcher Zellen herausgepickt hatte, bekamen Eizellen von Krallenfröschen der Gattung Xenopus die entsprechende Boten-RNA injiziert. Das ist gewissermaßen die Abschrift eines Gens, nach dessen Anweisung ein Protein zusammengebaut wird. Die sehr großen, leicht handhabbaren Eizellen dieser Frösche lesen fremde RNA wie eigene, und tatsächlich fand sich das danach hergestellte Protein in ihrer äußeren Membran wieder. Deren Durchlässigkeit für Wasser stieg gegenüber der einer unveränderten Eizellmembran bis auf das Zwanzigfache. Die inzwischen identifizierten Aquaporine anderer Herkunft haben denselben Effekt.
Diese Proteine kommen nur bei Geweben und Zelltypen vor, bei denen man sie aufgrund ihrer Funktion als selektive Poren für Wasser erwarten würde. Besonders eindrucksvoll ließ sich dies mit Hilfe entsprechender Antikörper für die Säugerniere belegen.
Der aus dem Blut filtrierte Primärharn wird im vorderen Abschnitt der Nierenkanälchen durch Rückresorption von Wasser drastisch eingedickt. Bei den Zellen, die diesen Abschnitt als dünne Wand auskleiden, bildet CHIP an ihrem Scheitel die Eintrittspforten für Wassermoleküle und am Gegenpol die Austrittspforten. Die Wandzellen im Endabschnitt der Nierenkanälchen dagegen sind wasserundurchlässig und entsprechend frei von CHIP.
In den sich anschließenden Sammelgängen der Niere wird der Harn weiter eingedickt. Hier steuert das antidiuretische Hormon Vasopressin die Wasserdurchlässigkeit der Wandzellen, und diese tragen ein anderes Aquaporin: WCH-CD (für englisch water channel of collecting duct, Wasserkanal der Sammelrohre). Die Zellen enthalten in ihrem Inneren zahlreiche kleine, menbranumhüllte Bläschen mit vorgeformten Wasserschleusen auf Vorrat. Das bei Flüssigkeitsmangel von der Hirnanhangdrüse ausgeschüttete Vasopressin veranlaßt diese Vesikel, zur Zelloberfläche zu wandern und mit der Plasmamembran zu verschmelzen. Daraufhin steigt die Durchlässigkeit für Wasser aus dem Harn auf das zwanzigfache und mehr.
Aquaporine hat man auch bei anderen Säugerzellen nachgewiesen, die begrenzende Schichten bilden und an einem Flüssigkeitstransport beteiligt sind, etwa in denen, welche die Hirn-Rückenmark-Flüssigkeit abgeben, oder solchen der Lebergallengänge und der Gallenblase, wo sie bei der Sekretion und Konzentration der Gallenflüssigkeit mitwirken. In der Blutkapillarwand scheinen diese Proteine am Aus- und Eintritt der Zwischenzellflüssigkeit beteiligt zu sein, und in den Lungenbläschen könnten sie für das Befeuchten der Atemwege nötig sein. In manchen Zelltypen kommen Aquaporine immer vor, in anderen nur während bestimmter Entwicklungsstadien.
TIP und PIP
Bei Pflanzen konnten nun Chrispeels und seine Mitarbeiter ebenfalls Aquaporine nachweisen ("Plant Physiology", Band 106, Seiten 1325 bis 1333). Bevor neugebildete Pflanzenzellen sich auf bestimmte Funktionen spezialisieren, vergrößern sie sich stark und nehmen dabei viel Wasser auf. In ihrem Inneren entsteht so ein zentraler Zellsaftraum, Vakuole genannt; eine eigene Membran trennt ihn vom umliegenden Zellplasma. Das erste identifizierte Pflanzen-Aquaporin kommt ausschließlich in dieser sogenannten Tonoplasten-Membran vor und erhielt danach das Kürzel TIP (englisch tonoplast intrinsic protein, tonoplasten-eigenes Protein). Seine Bildung geht mit der Phase der starken Zell- und Vakuolenvergrößerung einher (Bild 1).
Eine Pflanze nimmt Wasser aus dem Boden auf und verdunstet es vor allem über die regelbaren Spaltöffnungen ihrer Blätter. Für den Flüssigkeitsdurchsatz durch ihr lebendes Gewebe gibt es zwei Wege: Der eine führt nur durch die wassergängigen Zellwände, die hauptsächlich aus Cellulose aufgebaut sind, der andere – interessantere – durch die Zellen selbst.
Wasser nimmt den Weg des geringsten Widerstands. Die äußere Plasmamembran würde deshalb zum ersten Hindernis auf dem Weg in die Zelle, gäbe es nicht auch hier ein spezielles Aquaporin; durch PIP (englisch plasma membrane intrinsic protein, plasmamembran-eigenes Protein) können der Ein- und Austritt von Wasser wesentlich erleichtert und der transzelluläre Durchsatz reguliert werden. Die Aquaporine in der Tonoplasten-Membran tragen ebenfalls da-zu bei, indem sie es den Wassermolekülen ermöglichen, gewissermaßen auf breiter Front die Zelle zu passieren, also auch durch den zentralen Saftraum und nicht nur durch den recht schmalen Plasmasaum. Mit Hilfe von Aquaporinen können Pflanzen den Wasserfluß bedarfsgerecht steuern. Wie sie dies im einzelnen bewerkstelligen ist allerdings noch unklar.
Alle bekannten Aquaporine sind, wie sich zeigte, miteinander verwandt und aus einer ähnlichen Zahl von Aminosäuren aufgebaut. Ihre Aminosäurekette quert mehrfach mäanderartig die Lipid-Doppelschicht der Membran (Bild 2). Jeweils vier sind – ähnlich wie bei ei-nem Glückskleeblatt – aneinandergelagert und geben sich so gegenseitig Halt, jedoch bildet jede einen eigenen Kanal. Ein Aquaporin-Molekül gleicht räumlich am ehesten einer Eieruhr mit einer Porenweite an der engsten Stelle, die ziemlich genau dem Durchmesser eines Wassermoleküls entspricht. Vermutlich werden die Wassermoleküle einzeln wie im Gänsemarsch durchgeschleust.
Warum der Aquaporinkanal nur Wasser und keine anderen kleinen Moleküle oder Ionen durchläßt, ist noch ungeklärt. Man weiß inzwischen lediglich, daß Quecksilberverbindungen den Wassertransport hemmen, indem sie sich an einen der Cystein-Reste im Protein heften, und daß mutierte Aquaporine, die anstelle dieses Cysteins eine andere Aminosäure tragen, kein Wasser mehr durchschleusen.
Aus: Spektrum der Wissenschaft 2 / 1996, Seite 24
© Spektrum der Wissenschaft Verlagsgesellschaft mbH
Schreiben Sie uns!
Beitrag schreiben