Religion: Christus medicus
Bischof Gregor von Tours (538/539–594), Geschichtsschreiber, Verfasser von Lebensbeschreibungen wichtiger Heiliger und selbst als Heiliger verehrt, berichtete von einem Traum, den er mit etwa acht Jahren hatte. Darin verriet ihm ein Unbekannter, wie die schwere Gicht seines Vaters zu heilen sei. Der Knabe erzählte es seiner Mutter, und die hieß ihn, den Anweisungen zu folgen. Gregor fertigte ein Stöckchen und schrieb mit Tinte »Josua« darauf, dem Alten Testament nach war dies der Heerführer des Moses und dessen Nachfolger gewesen. Das Holz wurde unter das Kissen des Vaters gelegt, und die Heilung trat augenblicklich ein.
Natürlich hatte Gott selbst dem Jungen die Therapie verraten. Im frühen Mittelalter schloss der christliche Glaube offenbar magische Praktiken nicht aus, deren Form mitunter einen Ursprung aus heidnischer Zeit nahelegen. Ein späterer Traum Gregors zum gleichen Krankheitsbild unterstrich dies noch, wurde der neuerliche Gichtanfall doch nun mit dem Rauch verbrennender Fischinnereien bekämpft. Das war ein Verweis auf das biblische Buch Tobit. Nämlicher war erblindet und wurde durch Fischgalle geheilt, die ihm sein Sohn in die Augen träufelte, nachdem er den Vater angehaucht hatte.
Auch im weiteren Verlauf des Mittelalters blieb der Umgang mit Krankheit eine Mischung aus magischen, zum Teil christlich überprägten Handlungen mit antiken Vorstellungen und mit dem Erfahrungswissen der Klostermedizin. Angesichts der Stereotypen eines kirchlich bevormundeten Mittelalters, insbesondere des allgegenwärtigen Themas der Sünde, liefern die Quellen überraschend selten strikte Empfehlungen, denen zufolge Krankheit eine Strafe oder Prüfung Gottes sei, die nur dieser heilen könne, freilich zuvor durch Gebet und Buße gnädig gestimmt …
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