Chronische Schmerzen: Leben mit ständiger Qual
Philip Kass verbringt 90 Prozent seines Tages auf einem Bett in einem spärlich eingerichteten Zimmer, das früher seiner Nichte gehörte. Die Mahlzeiten nimmt er hauptsächlich liegend ein, auf der Brust balanciert er den Teller. Meistens sieht er fern, Lesen ist zu anstrengend. »Ich lebe kaum noch«, sagte er mir an einem warmen Abend im Juni 2022. Seit einer Rückenverletzung vor 23 Jahren bestimmen die Schmerzen sein Leben. Sie haben ihm seine Karriere, seine Beziehungen, seine Bewegungsfreiheit und seine Unabhängigkeit genommen. Heute ist Kass 55 Jahre alt und lebt bei seiner Schwester und ihrer Familie in San Francisco. Gelegentlich isst er mit ihnen zu Abend – im Stehen. Und einmal am Tag versucht er, um vier oder fünf Blocks in der Nachbarschaft zu spazieren. Stets muss er befürchten, dass die Aktivität – sei es schnelles Gehen oder aufrechtes Sitzen für mehr als ein paar Minuten – einen weiteren Schub an Qualen auslöst, der Tage, manchmal Wochen andauert.
Einiges von dem, was Philip Kass beschreibt, ist mir bekannt. Ich bin schon mehrmals vor Schmerzen in der Wirbelsäule zu Boden gegangen. In meinen Zwanzigern war ich drei Monate lang bewegungsunfähig. In meinen Dreißigern und Vierzigern dauerte jede Episode mit starken Schmerzen mehr als ein Jahr. Mindestens ein weiteres halbes Jahrzehnt verbrachte ich damit, bei Besprechungen, Mahlzeiten und Filmen zu stehen oder auf und ab zu gehen – aus Angst, dass mehrere Minuten im Sitzen zu wochenlanger Pein führen würden. Um mein Leiden zu verstehen, las ich alles, was man dazu finden konnte.
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