Biologie: Darwins Affe. Sternstunden der Biologie
C. H. Beck, München 2000. 167 Seiten, DM 17,90
Peter Düweke, Biologe und Wissenschaftsjournalist aus Bonn, schildert in diesem Buch die Lebensläufe von elf "sehr unterschiedlichen Forschungscharakteren und [die Wege] zu ihren bahnbrechenden Erkenntnissen". Es sind überragende Menschen, die zum Teil ganz neue Fachrichtungen begründeten, geschickt ausgewählt aus dem Zeitraum vom 17. bis zum 20. Jahrhundert. Persönlichkeit und wissenschaftliche Glanzleistung so weniger Menschen ergeben zwar noch keine geschlossene Geschichte der Biologie, wohl aber eine lebendig geschriebene, manchmal tragische, manchmal komische Erzählung über das, was heute wie selbstverständlich in jedem Lehrbuch steht.
Das Buch – erschienen in der Reihe "Sternstunden" – ist eine sehr preiswerte Informationsquelle zur Geschichte des Faches. Umfangreichere Werke sind rar und teuer, und unter den "Biografien" bei Spektrum der Wissenschaft ist aus der Biologie bisher nur Charles Darwin dabei.
Der ist in diesem Buch natürlich auch vertreten, der Reigen beginnt jedoch mit einem Vertreter der Epoche, als die neuzeitliche Wissenschaftsmethode die Medizin und damit die Biologie erreichte: mit Marcello Malpighi (1628–1694), dem Begründer der mikroskopischen Anatomie. Damals wurde man noch vom Adel gefördert, aber auch schon – wie zu allen Zeiten – von den Vertretern der alten Lehre angegriffen und geschmäht. Obwohl er eigentlich Mediziner war, befasste sich Malpighi mit ganz anderen Themen, zum Beispiel mit dem Seidenspinner und den verschiedenen Teilen des Pflanzenstängels und seiner Leitungsbahnen. Seine Bedeutung blieb den Zeitgenossen nicht verborgen, sodass er schließlich Leibarzt des Papstes wurde. Viele seiner Werke gingen verloren, als seine Frau eine brennende Kerze im Wäscheschrank vergaß und damit einen größeren Brand auslöste.
Es folgt Maria Sibylla Merian (1647–1717). Es ist an sich schon bemerkenswert, dass in der damaligen Zeit eine Frau wissenschaftliche Forschung betrieb, aber sie war auch darüber hinaus eine bemerkenswerte Frau. In ihrem biologisch und künstlerisch einmaligen Werk räumte sie mit den mittelalterlichen Vorstellungen von Insekten als Teufelsbrut und Gottesstrafe auf und zeigte stattdessen deren herbe Schönheit. "Ich entzog mich der menschlichen Gesellschaft und beschäftigte mich mit diesen Untersuchungen", schrieb sie über das Erforschen der Metamorphose von Insekten, deren Studium auch sie (schon als 13-Jährige) am Seidenspinner begonnen hatte.
Barbara McClintock (1902–1992) ist die zweite Frau, deren Lebensweg hier geschildert wird. Die sehr späte Ehrung mit dem Nobelpreis 1983 für die Entdeckung der "springenden Gene" aus den vierziger Jahren (Spektrum der Wissenschaft 5/1993, S. 32) wird einer Persönlichkeit zuteil, an der sich bis heute die Geister scheiden. Die einen sagen, ihre Entdeckung sei ohne große Bedeutung, die anderen, sie sei "die Begründerin einer neuen, feiner und komplizierter gebauten Genetischen Theorie".
Von den Alten sind noch dabei: Carl von Linné (1707–1778), der schon erwähnte Charles Darwin, Louis Pasteur (1822–1895) und Gregor Mendel (1822–1884). Mit Santiago Ramón y Cajal (1852–1934) sind wir im 20. Jahrhundert. Ihm folgen Konrad Lorenz, Barbara McClintock und das Duo James Watson und Francis Crick: alles Menschen, welche die Biologie zur "Jahrhundertwissenschaft" machten.
Unter vielen geläufigen Geschichten finden sich auch für den Kenner noch allerlei Bonbons. Besonders fesselnd fand ich die mehr oder weniger liebenswerten Charakterzüge mancher Personen, schwankend zwischen Überheblichkeit und Bescheidenheit oder Dienst an der geliebten Wissenschaft und Menschenverachtung. So steht Konrad Lorenz’ Methode der intuitiven Gestaltwahrnehmung im krassen Gegensatz zu seinem bereits früh (und danach immer wieder) vertretenen Erklärungsmuster für die Krankheiten der Kultur ("Zivilisationspathologie und Kultur", 1974). Bei Haustieren auftretende Domestikationserscheinungen wie "maßlosen Fress- und Geschlechtstrieb" diagnostiziert er auch beim Menschen und spricht von "Verhausschweinung" und "Vulgarisation". Die sehr frühen Artikel von 1940 und 1943, die in den sechziger Jahren heftige Diskussionen hervorriefen, werden kritisch betrachtet und nicht ausgespart.
Der Titel des Buches ist mir ein Rätsel geblieben. In seinem "Notizbuch M" vermerkte Darwin: "Plato sagt im Phaedon, dass unsere ,eingebildeten Ideen‘ von der Präexistenz unserer Seele herrühren, nicht aus der Erfahrung hergeleitet werden können". Darwin schrieb an den Rand: "lies Affen für Präexistenz". Hat der Autor einen von denen gemeint?
Aus: Spektrum der Wissenschaft 12 / 2000, Seite 112
© Spektrum der Wissenschaft Verlagsgesellschaft mbH
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