Das Anwendungspotential der Pflanzengenomik
Die Pflanzengenomik steckt gegenwärtig noch immer in den Anfängen. So ist es in vielen Fällen lediglich möglich, monogene Veränderungen etwa nach dem Schema "ein Protein inaktiviert ein Herbizid" vorzunehmen. Intensive Forschungen werden erforderlich sein, um komplexe Eigenschaften zu verstehen, agronomisch sinnvoll zu verändern und zur Nutzung damit ausgestattete transgene Kulturpopulationen heranzuziehen. Zudem dürften heutige Forschungsergebnisse wohl erst in zehn bis fünfzehn Jahren in der landwirtschaftlichen Praxis umgesetzt werden können.
Indes hat sich auf diesem Tätigkeitsfeld doch schon ein recht breites Anwendungspotential entwickelt (Bild 1). Vermutlich bietet es die einzige Möglichkeit, die weiterhin wachsende Erdbevölkerung ausreichend zu ernähren, ohne die Umwelt noch stärker als bisher zu strapazieren und den Zusammenbruch regionaler Ökosysteme mit katastrophalen Folgen zu riskieren.
Steigerung und Sicherung von Agrarerträgen
Als Ertrag versteht man in erster Linie das Verhältnis von geernteten zu nicht nutzbaren Teilen einer Pflanze (fachsprachlich Harvest-Index genannt). Im Falle der Kartoffel beispielsweise sind schlichtweg die Knollen und das Sproßmaterial zu vergleichen.
Ertragssteigerungen, wie die klassische Züchtung sie hervorgebracht hat, sind in erheblichem Maße auf Verbesserungen im Harvest-Index zurückzuführen. Auch die moderne Pflanzengenomik setzt hier an, indem sie versucht, mittels molekularbiologischer Techniken Stoffwechsel und Entwicklung der Pflanze so auszurichten, daß sie möglichst effektiv Samen, Knollen oder andere verwertbare Teile oder Inhaltsstoffe bildet.
Nun hängen Ernteerträge auch wesentlich von der Vitalität der Kulturpflanzen ab. Außer abiotischen Faktoren wie Trockenheit, starke Sonneneinstrahlung, Kälte oder Salzgehalt des Bodens, beeinflussen Pathogene und die von ihnen hervorgerufenen Krankheiten in erheblichem Maße das Wachstum. Mithin liegt es nahe, Pflanzen zu erzeugen, die eben gegen jene Stressfaktoren weniger empfindlich oder gänzlich widerstandsfähig sind.
Bei Resistenzen gegenüber abiotischen Faktoren handelt es sich in der Regel um polygene (durch mehrere Gene vermittelte) Merkmale, deren Wechselwirkungen allerdings erst noch in ihren Grundlagen erforscht werden müssen, bevor man sie gentechnisch zu beeinflussen vermag. Immerhin waren in jüngster Zeit schon beachtliche Teilergebnisse zu verzeichnen. Ein Beispiel sind Tabakpflanzen, die nach Transformation mit einem Gen aus dem Darmbakterium Escherichia coli sowohl den Zuckeralkohol Mannitol vermehrt bilden als auch zusätzlich auf versalztem Boden besser gedeihen. Einer anderen Arbeitsgruppe gelang die Herstellung transgener Pflanzen mit erhöhter Kälteresistenz, wiederum durch Expression eines bakteriellen Gens (also durch Produktion des entsprechenden Proteins).
In anderen Projekten sucht man hohe Ertragssicherheit bei Pathogenbefall zu erzielen. Biotische Stressoren sind so unterschiedliche Organismen wie Viren, Bakterien, Pilze, Insekten und Fadenwürmer, für die jeweils spezifische Ansätze zur Vermittlung einer Resistenz zu entwickeln und zu verfolgen sind. Weil klassische Züchtung selten und allenfalls nach langwierigem Experimentieren hilft, müßten ohne gentechnische Verfahren in den meisten Fällen weiterhin Pestizide eingesetzt werden, was ökologisch vielfach bedenklich oder problematisch ist.
Größere Erfolge hat es in den letzten Jahren insbesondere bei der Abwehr von Viren gegeben. So ließ sich in vielen Fällen durch Expression von viralem Hüllprotein in der Pflanze die Vermehrung der Pathogene stark verzögern.
Als sehr wirksame Strategie gegen Insekten hat sich die Expression für sie giftiger Proteine, der Bt-Toxine, aus dem Bacillus thuringiensis in transgenen Pflanzen erwiesen. Auf diese Weise konnten insektenresistente Linien verschiedener wichtiger Nutzpflanzen, unter anderem des Mais, hergestellt werden.
Gegen Pilze führt man unter anderem Gene für Enzyme ein, etwa für Chitinase oder Beta-1,3-Glucanasen, welche die Zellwände der Erreger degradieren. Aber auch durch gentechnisch vermittelte Synthese fungitoxischer Substanzen – etwa einer Stilbensynthase aus Erdnuß in Tabak – können Pflanzen gegen Pilzbefall resistent gemacht werden.
Allerdings sind bisher in den wenigsten Fällen, außer beim Schutz vor Viren und Insekten, weitreichende agrartechnische Erfolge erkennbar. Zumeist handelt es sich bei der gentechnischen Verbesserung der Ertragssicherheit noch um Laborexperimente.
Erschließung von nachwachsenden Rohstoffen
Unmittelbar einsichtig ist der Nutzen von Pflanzen oder Pflanzenteilen, die als Nahrungsmittel beziehungsweise als Material für zahlreiche technische Anwendungen dienen wie Holz oder die Fasern der Baumwolle. Weniger bewußt und weithin gar nicht bekannt ist, wie viele Substanzen aus Pflanzen extrahiert und weiterverarbeitet werden. Stärke, Cellulose und Öle, die etwa als Massenprodukte für die Papierherstellung oder als Schmierstoffe gebraucht werden, sind nur die geläufigsten Beispiele, weitere die zahlreichen pharmakologisch interessanten Substanzen wie das in der Krebsbehandlung eingesetzte Taxol aus der Pazifischen Eibe.
Allerdings produzieren die Pflanzen solche Inhaltsstoffe oft nicht in Mengen, die für eine kommerzielle Nutzung ausreichen. Hier versuchen wiederum klassische Züchtung und moderne Molekulargenetik nachzuhelfen. Die Pflanzengenomik ermöglicht gezielt Eingriffe, wodurch ausgewählte arteigene Enzyme vermehrt anfallen oder fremde hergestellt werden. Damit vermag man im Prinzip in jeden Stoffwechselweg der Pflanze einzugreifen. Der amerikanischen Firma Monsanto gelang es beispielsweise, durch Expression eines Escherichia-coli-Proteins in transgenen Kartoffelpflanzen die Stärkebildung in den Knollen zu erhöhen.
In den vergangenen Jahren sind so Veränderungen in vielen unterschiedlichen Stoffwechselwegen erzielt worden. Dies betrifft zum einen Metabolite, also Substanzen, die wie Zucker, Aminosäuren und Öle als Glieder von Reaktionsketten im primären Stoffwechsel vorkommen, zum anderen sekundäre Inhaltsstoffe wie Blütenfarbstoffe, Lignine (Holzstoffe) oder die große und wichtige Gruppe der Flavonoide (wiederum Farbstoffe, darunter Muttersubstanzen von Gerbstoffen und solche Verbindungen, von denen sich natürliche Insektizide ableiten). Häufig werden Proteine bakteriellen oder pilzlichen Ursprungs in Pflanzen zur Expression gebracht. Dies hat den Vorteil, daß Enzyme ausgewählt werden können, die nicht unbedingt pflanzeneigenen Regulationsmechanismen unterliegen; auf diese Weise vermag man Stoffwechselschritte gezielt in die gewünschte Richtung zu lenken.
Durch Expression pflanzenfremder Gene lassen sich prinzipiell auch Proteine herstellen, die von Natur aus in der Pflanze gar nicht vorkommen und die etwa der Herstellung chemischer Bausteine oder Baugruppen biologisch abbaubarer Kunststoffe dienen. Derartige Substanzen werden normalerweise von verschiedenen Bakterienarten produziert. Für einen großtechnischen Einsatz eignen sich die bakteriellen Polyhydroxyalkanoate jedoch nicht, weil die erforderlichen Fermentationsverfahren sehr teuer sind. Von entsprechend gentechnisch veränderten Pflanzen erhofft man sich eine wesentliche Verbilligung. Samen oder Kartoffelknollen werden derzeit als mögliche Produktionsorgane für Bio-Kunststoff erprobt; allerdings dürfte es noch mehrere Jahre dauern, bis sie ausreichende Mengen erzeugen. Auch auf diesem Arbeitsgebiet ist noch weitgehend Grundlagenforschung zu treiben.
Was in näherer Zukunft zu erreichen sein wird läßt sich an der Manipulation der Stärkeproduktion erkennen. Dieser sehr komplexe, hochmolekulare Inhaltsstoff wird in Blättern und Speicherorganen gebildet. Die Form der Stärkekörner, die Anteile der Komponenten Amylose und Amylopektin sowie der Phosphorylierungsgrad variieren jedoch stark bei verschiedenen Pflanzenarten. Weil für die Nutzung relevante Eigenschaften dieses Bio-Polymers weitgehend von diesen Faktoren abhängen, sucht man gentechnisch regulierend einzugreifen. Mit der Antisense-Technik gelang es unserer Arbeitsgruppe, gezielt die Wirkung einzelner Enzyme des Stärke-Biosyntheseweges in Kartoffelknollen zu unterdrücken. Die transgenen Pflanzen produzieren nun Stärken unterschiedlicher Zusammensetzung mit chemischen und physikalischen Eigenschaften, die neue Anwendungsfelder eröffnen und nachträgliche chemische Modifikationen überflüssig machen.
Verfehlte und überzogene Kritik an der Pflanzengenomik
Die Pflanzengenomik wird in der Öffentlichkeit vielfach beargwöhnt und teilweise rigoros abgelehnt, weil man Risiken für die menschliche Gesundheit und für die Umwelt befürchtet. Tatsächlich kann sich ein mögliches – wenn auch sehr geringes – Gefährdungspotential entweder aus der Toxizität der durch Einbringen von fremden Genen erzeugten Proteine oder aus einer Veränderung von Stoffwechselwegen ergeben.
Allerdings sind überhaupt nur sehr wenige toxische Proteine bekannt. Hinzu kommt, daß lediglich Pflanzen der Sicherheitsstufe S1 (bei denen nach Paragraph 7, Absatz 1 des Gentechnikgesetzes "nicht von einem Risiko für die menschliche Gesundheit und für die Umwelt auszugehen ist”") als Nahrungsmittel in Frage kommen. Auch läßt sich ein Protein schon vor Einbringen des codierenden Gens in die Pflanze auf Toxizität testen; das Darmbakterium Escherichia coli und die Bäckerhefe (Saccharomyces cerevisiae) sind dafür gut geeignet.
Viel Unsicherheit erweckt sicherlich, daß die gentechnischen Verfahren neu, komplex und mithin für Laien schwer verständlich sind. Dabei ist es bereits seit Jahrhunderten ein Ziel der klassischen Züchtung, Stoffwechselwege zu modulieren. Die Farbgebung einer reifen Kirsche von gelb über rot bis fast schwarz ist ein Beispiel für einen solchen Erfolg; der Züchter hat direkt auf das Charakteristikum Fruchtfarbe (und weitere wie Geschmack) selektiert.
Häufig wird auch befürchtet, Nahrungsmittel aus gentechnisch veränderten Pflanzen hätten ein höheres allergenes Potential als solche aus traditionell gezüchteten. Als Paradebeispiel führen Genomik-Gegner die Sojabohne an, der man das Gen für ein Speicherprotein der Paranuß eingebaut hatte. Aber selbst in diesem Falle haben eigentlich die Befürworter die besseren Argumente: Seit langem war bekannt, daß Paranüsse Allergien auslösen können; allerdings hatte man den dafür verantwortlichen Inhaltsstoff bis dahin nicht isoliert. Die transgene Sojabohne gab nun den – freilich etwas unkonventionellen – Anlaß, das allergene Protein zu identifizieren.
Daraus lassen sich gewiß keine generellen Schlüsse ziehen. Über die Entstehung von Allergien und speziell über Allergien auslösende Struktrumerkmale von Proteinen ist bislang recht wenig bekannt. Die Beurteilung eines möglichen allergenen Potentials der Produkte hängt von der Art der Veränderung ab und muß individuell beurteilt werden. Aber auch das betrifft nicht die Pflanzengenomik allein. So reagieren manche Menschen nur gegen bestimmte Apfelsorten, nicht jedoch gegen andere allergisch. Die Gentechnik spielte bei der Züchtung der verschiedenen Sorten aber noch keine Rolle.
Kaum vorstellbar ist das Auftreten von Allergien dann, wenn Gene aus gängigen Gemüsepflanzen, etwa aus Spinat, in andere Kulturpflanzen eingeführt werden, etwa in die Kartoffel. Auch beim Übertragen von Genen der Bäckerhefe in Pflanzen wird man damit kaum zu rechnen haben; schließlich ist die Hefe selbst ein wichtiger Bestandteil unserer Nahrung. Mittels Pflanzengenomik kann sogar die Bildung allergener Proteine vermindert oder unterbunden werden, beispielsweise mit der erwähnten Antisense-Technik. Japanischen Wissenschaftlern gelang auf diese Weise, bei einer Reispflanze ein typisches Allergen stark zu reduzieren.
Besorgnisse werden des weiteren geäußert, weil transgene Pflanzen auch Marker wie ein Antibiotikum-Resistenzgen in ihr Genom integrieren. Vielfach herrscht die falsche Vorstellung, daß sie deshalb das Antibiotikum selbst enthielten – Resistenz wird einfach mit Wirkstoff verwechselt.
In diesem Zusammenhang gibt es auch Befürchtungen, daß resistenzverleihende Gene in Nahrungsmitteln nach Aufnahme in den menschlichen Organismus auf Bakterien des Magen-Darm-Traktes übertragen werden könnten und damit im schlimmsten Falle die Behandlung von Infektionskrankheiten mit einem entsprechenden Antibiotikum unwirksam sein würde. Dagegen spricht jedoch, daß in der Natur und damit auch in der Nahrung, die wir täglich zu uns nehmen, Bakterien mit Antibiotikaresistenzen ohnehin vorhanden sind – Bakterien tauschen diese Gene sogar häufig aus – und dennoch der Mensch mit geeigneten Antibiotika im Falle einer Infektion behandelt werden kann.
Der Anbau gentechnisch veränderter Pflanzen auf dem Feld wiederum wird aus ökologischen Gründen häufig abgelehnt. Auch hier sind aus unserer Sicht verschiedene Aspekte differenziert zu betrachten. So ist der vertikale Gentransfer durch Pollenverbreitung nach neueren Erkenntnissen für Kartoffelpflanzen nahezu bedeutungslos, wohingegen er im Falle von Raps bei verwandten Arten durchaus in Betracht gezogen werden muß. Für einen horizontalen Transfer von Genen, beispielsweise von der Pflanze auf Bodenbakterien, gibt es derzeit nur wenig gesicherte Beweise (siehe hierzu jedoch den folgenden Beitrag). Details wie mögliche Verwilderung transgener Pflanzen, die Forderung nach gänzlichem Verzicht auf Herbizide von Vertretern des ökologischen Landbaus sowie besondere Probleme in der Dritten Welt sind unter anderem im FORUM "Welternährung und Artenvielfalt" (Spektrum der Wissenschaft, November 1996, Seite 74) angesprochen worden.
In diesem Zusammenhang sollte nicht vergessen werden, daß die für den Anbau landwirtschaftlicher Nutzpflanzen verfügbaren Flächen kaum noch ausgedehnt werden können. Zudem wächst die Weltbevölkerung, selbst wenn alle Gegenmaßnahmen griffen, Jahrzehnte weiter; und überdies dürfte der Lebensstandard in vielen Ländern künftig noch zunehmen. Eine weitere Intensivierung der Landwirtschaft wird darum unumgänglich sein. In der Vergangenheit wurde sie außer durch Zuchterfolge durch zunehmenden Einsatz von Dünger, Maschinen sowie Herbiziden und Pestiziden erreicht. Die Gentechnik versucht, diesem Trend zur Technisierung und massiven Anwendung chemischer Produkte entgegenzuwirken, indem sie direkt an der Kulturpflanze ansetzt, um sie robuster, anspruchsloser und trotzdem ertragreicher zu machen.
Schließlich ist die wachsende wirtschaftliche Bedeutung der Pflanzengenomik nicht außer acht zu lassen. Gerade jungen sowie etablierten kleinen und mittleren Unternehmen eröffnen sich damit Entwicklungsmöglichkeiten, auch in der Zusammenarbeit mit großen, zum Teil international operierenden Konzernen, die vermehrt einzelne Arbeiten nach außen vergeben. Für die Durchsetzung spezialisierter Betriebe ist die öffentliche Akzeptanz gentechnisch veränderter Pflanzen als Ausgangsmaterial für Nahrungsmittel und andere weiterverarbeitete Produkte sicherlich ebenfalls ein wesentlicher Faktor.
Kasten: Die Herstellung transgener Pflanzen
In der Pflanzengenomik können drei Arbeitsschritte unterschieden werden|: die Konstruktion eines chimären Gens, dessen Transfer in die pflanzliche Zelle und die Integration in das Genom der Zelle (was der eigentliche gentechnische Eingriff ist) sowie die Regeneration einer intakten Pflanze aus dieser Zelle. Prinzipiell stehen auf allen Stufen vielfältige Möglichkeiten des Vorgehens zur Auswahl.
Stufe 1: In seiner Grundform besteht ein Gen aus zwei wesentlichen Bausteinen, dem sogenannten Promotor und der eigentlichen informationstragenden Einheit, die auch als codierende Region bezeichnet wird. Der Promotor ist gewissermaßen ein regulatorisches Element: Er legt fest, zu welchem Zeitpunkt und in welchem Gewebe einer Pflanze das Gen aktiviert werden soll. Die informationstragende Einheit definiert das Produkt, also was in der transgenen Pflanze gebildet wird; in der Regel handelt es sich dabei um ein Protein, das enzymatische Funktion hat. Ein wesentlicher und bei der öffentlichen Diskussion oft übersehener Aspekt ist nun, daß die informationstragende Einheit sozusagen richtig und verkehrt herum mit dem Promotor fusioniert werden kann. Bei der Sense-Orientierung (vorwärts) ist sie ordnungsgemäß abzulesen. Auf diese Weise können für Enzyme oder sonstige Proteine codierende Regionen aus fremden Organismen stabil in das Genom einer Pflanzenzelle eingeschleust werden. Pflanzen lassen sich dadurch mit Eigenschaften versehen, die sie zuvor nicht hatten, wie etwa mit der Fähigkeit, neue beziehungsweise veränderte Inhaltsstoffe zu produzieren oder der, Herbizide mittels ihres Stoffwechsels zu inaktivieren. Hingegen verwendet man bei der Antisense-Orientierung in der Regel eine informationstragende Einheit aus der Pflanze selbst, die gentechnisch verändert werden soll. Sie wird gewissermaßen falsch orientiert hinter dem Promotor eingebaut. Die Folge ist, daß das normalerweise von diesem Gen codierte Protein nicht mehr gebildet wird. Auf diese Weise können Stoffwechselprozesse an ausgewählten Stellen blockiert werden. Bei der häufig angeführten sogenannten Antimatsch-Tomate zum Beispiel ist die Produktion eines Enzyms reduziert, das in normalen Mengen zum Erweichen der Zellwand während der Fruchtreifung beiträgt; so behält die Frucht ihre Festigkeit. In anderen Fällen gelang durch Antisense-Technik, einzelne Schritte der Stärke-Biosynthese in der Kartoffel gezielt zu unterdrücken, so daß Varianten der Speichersubstanz mit neuen, erwünschten Eigenschaften produziert werden. Bei der Herstellung chimärer Gene bedient man sich weitverbreiteter Techniken. Sie sind in keiner Weise spezifisch für die Pflanzengenomik, sondern werden ebenso in der medizinisch-molekularbiologischen Forschung oder in der Mikrobiologie angewendet.
Stufe 2: Auch für die Integration des chimären Gens in das Genom der Pflanze stehen zahlreiche Verfahren zur Verfügung. In vielen Fällen wird dabei die Fähigkeit des Bodenbakteriums Agrobacterium tumefaciens genutzt, das von Natur aus eigene DNA – also eigene Erbinformation – in pflanzlichen Zellen einschleusen kann, wo sie in deren Chromosomen integriert wird. Im Labor verändert man zunächst das Agrobakterium selbst: Man bringt es mit dem DNA-Fragment aus Promotor und informationstragender Einheit zusammen, das in eine bestimmte DNA des Bakteriums eingebaut wird. Bei der anschließenden Ko-Inkubation mit pflanzlichen Gewebeteilen – etwa kleinen Blattstückchen – überträgt das Bakterium die DNA über einen komplizierten und noch nicht in allen Einzelheiten verständlichen Prozeß in die Pflanzenzelle; es bringt also als lebender Transporteur die chimären Gene an den Zielort, nämlich das pflanzliche Genom. Stufe 3: Im Prozeß der Regeneration entwickelt sich aus einer gentechnisch veränderten Zelle ein ganzer Organismus neu. Durch gezielte Anwendung ausgewählter Nährstoffe, Hormone und Wachstumsbedingungen gelingt es gewöhnlich innerhalb einiger Wochen, eine transgene Pflanze heranzuziehen. Ein wichtiger Aspekt dabei ist, daß viele pflanzliche Zellen noch totipotent sind, sich also wieder zu allen möglichen Zelltypen differenzieren können. Damit man nun während der Regeneration eine transgene von einer unveränderten Pflanze zu unterscheiden vermag, wird bei der Transformation (Stufe 2) außer dem chimären Gen, auf das es einem eigentlich ankommt, ein weiteres chimäres Gen für eine Antibiotikum- oder Herbizidresistenz simultan in das pflanzliche Genom eingebaut. Läßt man das Gemisch behandelter Zellen in Anwesenheit des entsprechenden Antibiotikums oder Herbizids regenerieren, können nur solche Pflanzen heranwachsen, die das entsprechende Resistenzgen (und so auch das interessierende Gen) tatsächlich aufgenommen haben, mithin das Resistenzprotein – auch Marker genannt – produzieren. Ohne einen solchen Marker ließe sich die Herstellung transgener Pflanzen nur schwer handhaben.
Aus: Spektrum der Wissenschaft 7 / 1997, Seite 34
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