Interview: "Das beste Konversationslexikon"
Viele Forscher nutzen die Onlineenzyklopädie Wikipedia, doch nur wenige geben das offen zu. Immer noch ist die wissenschaftliche Qualität der Artikel umstritten. Im Gespräch mit epoc erklärt der Mittelalterhistoriker Johannes Fried von der Universität Frankfurt, warum er das elektronische Nachschlagewerk genial findet.
epoc: Laut Studie des Londoner Research Information Network nutzen 70 Prozent der britischen Forscher Wikipedia-Artikel – Sie auch, Herr Professor Fried?
Prof. Johannes Fried: Ja natürlich. Es gibt keinen Tag, an dem ich nicht mehrfach dort hineinschaue. Natürlich ist nicht jeder Artikel gut. Aber man kann ja die verschiedenen Wikipedia-Ausgaben vergleichen: die englische, die französische und die italienische. Manchmal sind zum Beispiel die englischen Beiträge wesentlich ausführlicher als die deutschsprachigen.
Wie beurteilen Sie die Qualität der deutschen Wikipedia-Einträge?
Nicht alle Einträge erfüllen stets wissenschaftliche Kriterien, das liegt in der Natur der Sache. Die Onlineenzyklopädie ist ja ein unendlich großes Lexikon. Die Autoren können zunächst einmal alles in das Nachschlagewerk einstellen. Vor ihrer Veröffentlichung werden die Texte aber von Fachleuten bei Wikipedia kontrolliert. Anschließend können andere Autoren den Eintrag verändern. Wenn dann etwas Falsches eingebaut wird, fällt das wiederum anderen Nutzern sehr schnell auf, so dass der Fehler im Netz allenfalls zwei Stunden sichtbar ist. Das Gelingen dieser Korrekturfunktion hängt somit von engagierten Nutzern ab. Da jeder Autor sein kann, sind kompetente Menschen gefragt, die bereit sind, ihre Fähigkeiten in die Veränderung des Wikipedia-Artikels zu stecken.
Haben Sie selbst schon einen Wikipedia-Beitrag verfasst?
Nein (lacht), das habe ich aus zeitlichen Gründen noch nicht geschafft.
Sie sind Mitglied der Jury, die einmal pro Jahr die Zedler-Medaille (siehe auch Infobox) für herausragende geisteswissenschaftliche Beiträge bei Wikipedia verleiht. Was zeichnet einen guten Artikel aus?
Er muss wissenschaftlich überzeugen, originell und flüssig lesbar sein. Der Text darf nicht zu lang sein, der Leser soll ihn ja bewältigen können. Er muss bis in die Interpunktion und Orthografie hinein korrekt sein. Außerdem erwarten wir ausreichend Quellen- und Literaturangaben sowie möglichst viele funktionierende Links. Bei manchen Themen wünscht sich der Leser Bilder, die wir dann natürlich auch prüfen.
Der Historiker Peter Haber von der Universität Basel findet, dass sich Wikipedia-Artikel nicht unbedingt dazu eignen, um sich einen Überblick über ein komplexes Thema zu verschaffen. Wie sehen Sie das?
Das ist das Problem aller Lexikonartikel. Kein Beitrag kann ein Gesamtphänomen umfassend beschreiben. Bei einem elektronischen Wörterbuch gelangt der Nutzer mit Hilfe der Links sofort zum nächsten Artikel. Es ist daher das schnellste und auch umfassendste Hilfsmittel. Natürlich war ich auch schon mal von Beiträgen enttäuscht, aber dann hätte ich die Texte ja ändern können. In zehn Jahren wird Wikipedia das schnellste, aktuellste und präziseste Nachschlagewerk weltweit sein – in meinen Augen ist es schon heute das beste Konversationslexikon. Ich halte es für eine geniale Idee.
Was ich bei Wikipedia noch nicht in ausreichender Zahl finde, sind sehr spezifische Artikel: Wie schnell konnten zum Beispiel die Kavallerien im deutsch-französischen Krieg von 1870/71 vorrücken? Um diese Frage zu beantworten, muss ich alte Militärhandbücher zu Rate ziehen. Wir können nicht die gesamte Komplexität von historischen Entwicklungsprozessen in einem Lexikon darstellen, das geht nur scheibchenweise. Aber bei manchen Themen, wie etwa Detailfragen zur mittelalterlichen Liturgie, kommt man aufgrund der Verlinkung schon heute sehr weit – und die Perfektion von Wikipedia wächst mit jedem Tag.
Wer entscheidet bei dem Wettbewerb über die Preisträger?
Zunächst trifft ein Gremium bei Wikimedia aus den eingereichten Texten eine Vorauswahl. Die zehn bis zwölf Artikel der geisteswissenschaftlichen Kategorie sendet es an die Akademie der Wissenschaften und der Literatur in Mainz, eine Vereinigung von Wissenschaftlern und Literaten, die sich der Förderung der Kultur verschrieben haben, und die unter anderem für die Bewertung der geisteswissenschaftlichen Beiträge zuständig ist. Abhängig von den Themen sitzen in der Jury Germanisten, Juristen, Historiker, Kunsthistoriker und andere Philologen.
Wie beurteilen Sie die wissenschaftliche Qualität der historischen Wettbewerbsartikel?
Wir haben aus einem breiten, thematischen Spektrum ganz hervorragende Artikel bekommen und ausgezeichnet: 2008 den Beitrag von Marcus Cyron über die "Schwarzfigurige Vasenmalerei" in der griechischen Antike. Ein Text, der so viel Material enthält, dass es für ein kleines Buch reichen würde. Die Auszeichnung eines so langen Artikels war eine absolute Ausnahme. Aber wir waren so begeistert von dessen Qualität, dass wir das für gerechtfertigt hielten. Ein anderer herausragender Artikel ist ein Porträt über den Philosophen Ludwig Feuerbach von Josef Winiger, der 2007 die Zedler-Medaille gewann. 2010 haben wir den Artikel über Dagobert Duck von Tobias ausgewählt – ein Thema, das in die Populärkultur hineinragt. Zum Teil stammen die Beiträge von echten Kennern der Materie.
Mittlerweile empfehlen Professoren ihren Studenten Wikipedia sogar als Einstiegslektüre in ein Thema. Wann wird es wissenschaftlich anerkannt sein, diese Artikel auch zu zitieren?
Selbstverständlich kann man Wikipedia-Beiträge in wissenschaftlichen Arbeiten zitieren. Aber man muss sie vorher prüfen – wie alle anderen Bücher und Aufsätze, mit denen wir arbeiten, auch. Ist die Annahme, von der die Literatur ausgeht, zutreffend? Die Autoren haben ihre Artikel in der Regel nach bestem Wissen und Gewissen verfasst, aber jedem kann ein Fehler unterlaufen. Wir müssen den Studenten und anderen Nutzern die Botschaft weitergeben: Benutzt Wikipedia, zitiert Wikipedia – aber prüft, ob die Artikel auch richtig sind! Das Problem bei der Online-Enzyklopädie ist, dass die Artikel und Änderungen anonym verfasst werden. Der Nutzer kann also nicht unbedingt sofort erkennen, ob der Text seriös ist. Das birgt eine gewisse Gefahr. In den Fußnoten können Studenten also nur angeben, an welchem Tag und zu welcher Uhrzeit sie den Text abgerufen haben, das mache ich gelegentlich auch.
Wikipedia wird vorgeworfen, Inhalte verzerrt darzustellen. Es gebe eine Tendenz, Kuriositäten zu stark zu betonen und Grundlegendes zu vernachlässigen. Trifft diese Kritik zu?
Solche pauschale Kritik ist unakzeptabel. Das kann in einzelnen Artikel natürlich einmal zutreffen. Aber es kommt immer darauf an, wessen Interesse sich in einem Artikel manifestiert. Wenn ein Beitrag gut ist, hat er oftmals viele Autoren. Dann schlagen sich auch unterschiedliche Schwerpunkte darin nieder. Ein Artikel, der viele kuriose Details aufgeführt, ist nicht per se schlecht. Für diejenigen, die Detailforschung betreiben, ist das manchmal sogar sehr hilfreich. Als Mediävist werde ich oft gefragt, was ich von Mittelaltermärkten halte. Da kann ich nicht einfach sagen: "Das ist alles Mumpitz!" – selbst wenn ich mich selbst nicht als mittelalterlicher Kaufmann verkleide und bei einem solchen Spektakel Pfeffernüsse verkaufe. Ich kann das nur als ein Signal für ein gesellschaftliches Bedürfnis betrachten, das man auch befriedigen darf. Die Besucher solcher Märkte wollen wissen, wie ein Schwert aussah und wie es hergestellt wurde; ob der römische Helm Ohrenschutz- oder Seitenklappen hatte. Ähnlich ist es bei einigen detaillierten Wikipedia-Artikeln.
Die Historikerin Maren Lorenz von der Universität Hamburg kritisiert, dass Wikipedia ein männlich geprägtes Geschichtsbild verbreite, das vor allem ereignis- und militärgeschichtliche Sichtweisen repräsentiere. Sie führt das auf die überwiegend männlichen Editoren zurück. Auch Peter Haber befürchtet, dass das Geschichtsbild "Große Männer machen Geschichte" durch Wikipedia wieder salonfähig werden könnte. Sehen Sie diese Gefahr auch?
Nein. Es kann natürlich sein, dass sich ein Nutzer bewusst oder unbewusst eine bestimmte Auswahl an Artikeln anschaut. Mir ist zum Beispiel aufgefallen, dass die englischen Artikel immer sehr ausführlich die strategische und taktische Seite von Schlachten beleuchten – jede einzelne Waffengattung und militärische Abteilung. Deutsche Artikel sind da viel oberflächlicher. Ich sehe bei den Artikeln aber keine männliche Dominanz. Dass es relativ wenige Informationen über die Frauen in der Vergangenheit gibt, liegt an der Quellenlage: Wir wissen oft den Namen der Frau eines Königs, aber ansonsten nichts. Manchmal lassen sich die verwandtschaftlichen Beziehungen dieser Frauen rekonstruieren, dann können wir etwas über die politische Potenz einer solchen Ehe sagen. Aber je weiter zurück wir in die Vergangenheit schauen, umso schwieriger werden solche Aussagen. Was die Gegenwart betrifft: Da habe ich nicht den Eindruck, dass Frauen weniger präzise beschrieben werden als Männer. Wenn eine Wissenschaftlerin in diesem Bereich ein Defizit erkannt hat, kann sie die entsprechenden Beiträge in Wikipedia veröffentlichen.
Prof. Johannes Fried: Ja natürlich. Es gibt keinen Tag, an dem ich nicht mehrfach dort hineinschaue. Natürlich ist nicht jeder Artikel gut. Aber man kann ja die verschiedenen Wikipedia-Ausgaben vergleichen: die englische, die französische und die italienische. Manchmal sind zum Beispiel die englischen Beiträge wesentlich ausführlicher als die deutschsprachigen.
Wie beurteilen Sie die Qualität der deutschen Wikipedia-Einträge?
Nicht alle Einträge erfüllen stets wissenschaftliche Kriterien, das liegt in der Natur der Sache. Die Onlineenzyklopädie ist ja ein unendlich großes Lexikon. Die Autoren können zunächst einmal alles in das Nachschlagewerk einstellen. Vor ihrer Veröffentlichung werden die Texte aber von Fachleuten bei Wikipedia kontrolliert. Anschließend können andere Autoren den Eintrag verändern. Wenn dann etwas Falsches eingebaut wird, fällt das wiederum anderen Nutzern sehr schnell auf, so dass der Fehler im Netz allenfalls zwei Stunden sichtbar ist. Das Gelingen dieser Korrekturfunktion hängt somit von engagierten Nutzern ab. Da jeder Autor sein kann, sind kompetente Menschen gefragt, die bereit sind, ihre Fähigkeiten in die Veränderung des Wikipedia-Artikels zu stecken.
Haben Sie selbst schon einen Wikipedia-Beitrag verfasst?
Nein (lacht), das habe ich aus zeitlichen Gründen noch nicht geschafft.
Sie sind Mitglied der Jury, die einmal pro Jahr die Zedler-Medaille (siehe auch Infobox) für herausragende geisteswissenschaftliche Beiträge bei Wikipedia verleiht. Was zeichnet einen guten Artikel aus?
Er muss wissenschaftlich überzeugen, originell und flüssig lesbar sein. Der Text darf nicht zu lang sein, der Leser soll ihn ja bewältigen können. Er muss bis in die Interpunktion und Orthografie hinein korrekt sein. Außerdem erwarten wir ausreichend Quellen- und Literaturangaben sowie möglichst viele funktionierende Links. Bei manchen Themen wünscht sich der Leser Bilder, die wir dann natürlich auch prüfen.
Der Historiker Peter Haber von der Universität Basel findet, dass sich Wikipedia-Artikel nicht unbedingt dazu eignen, um sich einen Überblick über ein komplexes Thema zu verschaffen. Wie sehen Sie das?
Das ist das Problem aller Lexikonartikel. Kein Beitrag kann ein Gesamtphänomen umfassend beschreiben. Bei einem elektronischen Wörterbuch gelangt der Nutzer mit Hilfe der Links sofort zum nächsten Artikel. Es ist daher das schnellste und auch umfassendste Hilfsmittel. Natürlich war ich auch schon mal von Beiträgen enttäuscht, aber dann hätte ich die Texte ja ändern können. In zehn Jahren wird Wikipedia das schnellste, aktuellste und präziseste Nachschlagewerk weltweit sein – in meinen Augen ist es schon heute das beste Konversationslexikon. Ich halte es für eine geniale Idee.
Was ich bei Wikipedia noch nicht in ausreichender Zahl finde, sind sehr spezifische Artikel: Wie schnell konnten zum Beispiel die Kavallerien im deutsch-französischen Krieg von 1870/71 vorrücken? Um diese Frage zu beantworten, muss ich alte Militärhandbücher zu Rate ziehen. Wir können nicht die gesamte Komplexität von historischen Entwicklungsprozessen in einem Lexikon darstellen, das geht nur scheibchenweise. Aber bei manchen Themen, wie etwa Detailfragen zur mittelalterlichen Liturgie, kommt man aufgrund der Verlinkung schon heute sehr weit – und die Perfektion von Wikipedia wächst mit jedem Tag.
Wer entscheidet bei dem Wettbewerb über die Preisträger?
Zunächst trifft ein Gremium bei Wikimedia aus den eingereichten Texten eine Vorauswahl. Die zehn bis zwölf Artikel der geisteswissenschaftlichen Kategorie sendet es an die Akademie der Wissenschaften und der Literatur in Mainz, eine Vereinigung von Wissenschaftlern und Literaten, die sich der Förderung der Kultur verschrieben haben, und die unter anderem für die Bewertung der geisteswissenschaftlichen Beiträge zuständig ist. Abhängig von den Themen sitzen in der Jury Germanisten, Juristen, Historiker, Kunsthistoriker und andere Philologen.
Wie beurteilen Sie die wissenschaftliche Qualität der historischen Wettbewerbsartikel?
Wir haben aus einem breiten, thematischen Spektrum ganz hervorragende Artikel bekommen und ausgezeichnet: 2008 den Beitrag von Marcus Cyron über die "Schwarzfigurige Vasenmalerei" in der griechischen Antike. Ein Text, der so viel Material enthält, dass es für ein kleines Buch reichen würde. Die Auszeichnung eines so langen Artikels war eine absolute Ausnahme. Aber wir waren so begeistert von dessen Qualität, dass wir das für gerechtfertigt hielten. Ein anderer herausragender Artikel ist ein Porträt über den Philosophen Ludwig Feuerbach von Josef Winiger, der 2007 die Zedler-Medaille gewann. 2010 haben wir den Artikel über Dagobert Duck von Tobias ausgewählt – ein Thema, das in die Populärkultur hineinragt. Zum Teil stammen die Beiträge von echten Kennern der Materie.
Mittlerweile empfehlen Professoren ihren Studenten Wikipedia sogar als Einstiegslektüre in ein Thema. Wann wird es wissenschaftlich anerkannt sein, diese Artikel auch zu zitieren?
Selbstverständlich kann man Wikipedia-Beiträge in wissenschaftlichen Arbeiten zitieren. Aber man muss sie vorher prüfen – wie alle anderen Bücher und Aufsätze, mit denen wir arbeiten, auch. Ist die Annahme, von der die Literatur ausgeht, zutreffend? Die Autoren haben ihre Artikel in der Regel nach bestem Wissen und Gewissen verfasst, aber jedem kann ein Fehler unterlaufen. Wir müssen den Studenten und anderen Nutzern die Botschaft weitergeben: Benutzt Wikipedia, zitiert Wikipedia – aber prüft, ob die Artikel auch richtig sind! Das Problem bei der Online-Enzyklopädie ist, dass die Artikel und Änderungen anonym verfasst werden. Der Nutzer kann also nicht unbedingt sofort erkennen, ob der Text seriös ist. Das birgt eine gewisse Gefahr. In den Fußnoten können Studenten also nur angeben, an welchem Tag und zu welcher Uhrzeit sie den Text abgerufen haben, das mache ich gelegentlich auch.
Wikipedia wird vorgeworfen, Inhalte verzerrt darzustellen. Es gebe eine Tendenz, Kuriositäten zu stark zu betonen und Grundlegendes zu vernachlässigen. Trifft diese Kritik zu?
Solche pauschale Kritik ist unakzeptabel. Das kann in einzelnen Artikel natürlich einmal zutreffen. Aber es kommt immer darauf an, wessen Interesse sich in einem Artikel manifestiert. Wenn ein Beitrag gut ist, hat er oftmals viele Autoren. Dann schlagen sich auch unterschiedliche Schwerpunkte darin nieder. Ein Artikel, der viele kuriose Details aufgeführt, ist nicht per se schlecht. Für diejenigen, die Detailforschung betreiben, ist das manchmal sogar sehr hilfreich. Als Mediävist werde ich oft gefragt, was ich von Mittelaltermärkten halte. Da kann ich nicht einfach sagen: "Das ist alles Mumpitz!" – selbst wenn ich mich selbst nicht als mittelalterlicher Kaufmann verkleide und bei einem solchen Spektakel Pfeffernüsse verkaufe. Ich kann das nur als ein Signal für ein gesellschaftliches Bedürfnis betrachten, das man auch befriedigen darf. Die Besucher solcher Märkte wollen wissen, wie ein Schwert aussah und wie es hergestellt wurde; ob der römische Helm Ohrenschutz- oder Seitenklappen hatte. Ähnlich ist es bei einigen detaillierten Wikipedia-Artikeln.
Die Historikerin Maren Lorenz von der Universität Hamburg kritisiert, dass Wikipedia ein männlich geprägtes Geschichtsbild verbreite, das vor allem ereignis- und militärgeschichtliche Sichtweisen repräsentiere. Sie führt das auf die überwiegend männlichen Editoren zurück. Auch Peter Haber befürchtet, dass das Geschichtsbild "Große Männer machen Geschichte" durch Wikipedia wieder salonfähig werden könnte. Sehen Sie diese Gefahr auch?
Nein. Es kann natürlich sein, dass sich ein Nutzer bewusst oder unbewusst eine bestimmte Auswahl an Artikeln anschaut. Mir ist zum Beispiel aufgefallen, dass die englischen Artikel immer sehr ausführlich die strategische und taktische Seite von Schlachten beleuchten – jede einzelne Waffengattung und militärische Abteilung. Deutsche Artikel sind da viel oberflächlicher. Ich sehe bei den Artikeln aber keine männliche Dominanz. Dass es relativ wenige Informationen über die Frauen in der Vergangenheit gibt, liegt an der Quellenlage: Wir wissen oft den Namen der Frau eines Königs, aber ansonsten nichts. Manchmal lassen sich die verwandtschaftlichen Beziehungen dieser Frauen rekonstruieren, dann können wir etwas über die politische Potenz einer solchen Ehe sagen. Aber je weiter zurück wir in die Vergangenheit schauen, umso schwieriger werden solche Aussagen. Was die Gegenwart betrifft: Da habe ich nicht den Eindruck, dass Frauen weniger präzise beschrieben werden als Männer. Wenn eine Wissenschaftlerin in diesem Bereich ein Defizit erkannt hat, kann sie die entsprechenden Beiträge in Wikipedia veröffentlichen.
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